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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Neun und zwanzigster Brief.

Geliebte Julie!

Gegen Mittag verließ ich Dublin ganz allein, be-
quem auf meinem guten Gaul etablirt, ließ Wagen
und Leute in der Stadt zurück, und sandte einen
kleinen Mantelsack mit den nothwendigsten Effekten
durch die Diligence voraus. Leider aber muß mit
diesem eine Verwechselung vorgegangen seyn, denn
obgleich ich seinetwegen den ganzen Tag und die
Nacht, in dem nur 20 Meilen von Dublin entfernten
Bray verweilte, langte er nicht an, und ich habe da-
her, um nicht entweder zurückreisen, oder noch länger
warten zu müssen, mir einen schottischen Mantel, nebst
etwas Wäsche in Bray gekauft, und die Tour ganz
auf Studentenweise angetreten. Ich soupirte mit
einem jungen Geistlichen von guter Familie, der mich,
bei sonst sehr leichtfertigen Reden, durch seine Ortho-
doxie in Religionssachen lachen machte. Aber so ist
die Frömmigkeit der Engländer beschaffen, es ist eine
Partheisache für sie und zugleich eine Schicklich-
keitssitte -- und so wie sie im Politischen stets ihrer

Briefe eines Verstorbenen. I. 12

Neun und zwanzigſter Brief.

Geliebte Julie!

Gegen Mittag verließ ich Dublin ganz allein, be-
quem auf meinem guten Gaul etablirt, ließ Wagen
und Leute in der Stadt zurück, und ſandte einen
kleinen Mantelſack mit den nothwendigſten Effekten
durch die Diligence voraus. Leider aber muß mit
dieſem eine Verwechſelung vorgegangen ſeyn, denn
obgleich ich ſeinetwegen den ganzen Tag und die
Nacht, in dem nur 20 Meilen von Dublin entfernten
Bray verweilte, langte er nicht an, und ich habe da-
her, um nicht entweder zurückreiſen, oder noch länger
warten zu müſſen, mir einen ſchottiſchen Mantel, nebſt
etwas Wäſche in Bray gekauft, und die Tour ganz
auf Studentenweiſe angetreten. Ich ſoupirte mit
einem jungen Geiſtlichen von guter Familie, der mich,
bei ſonſt ſehr leichtfertigen Reden, durch ſeine Ortho-
doxie in Religionsſachen lachen machte. Aber ſo iſt
die Frömmigkeit der Engländer beſchaffen, es iſt eine
Partheiſache für ſie und zugleich eine Schicklich-
keitsſitte — und ſo wie ſie im Politiſchen ſtets ihrer

Briefe eines Verſtorbenen. I. 12
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[[177]/0201] Neun und zwanzigſter Brief. Gaſthof zu Avoka den 22ſten Auguſt 1828. Geliebte Julie! Gegen Mittag verließ ich Dublin ganz allein, be- quem auf meinem guten Gaul etablirt, ließ Wagen und Leute in der Stadt zurück, und ſandte einen kleinen Mantelſack mit den nothwendigſten Effekten durch die Diligence voraus. Leider aber muß mit dieſem eine Verwechſelung vorgegangen ſeyn, denn obgleich ich ſeinetwegen den ganzen Tag und die Nacht, in dem nur 20 Meilen von Dublin entfernten Bray verweilte, langte er nicht an, und ich habe da- her, um nicht entweder zurückreiſen, oder noch länger warten zu müſſen, mir einen ſchottiſchen Mantel, nebſt etwas Wäſche in Bray gekauft, und die Tour ganz auf Studentenweiſe angetreten. Ich ſoupirte mit einem jungen Geiſtlichen von guter Familie, der mich, bei ſonſt ſehr leichtfertigen Reden, durch ſeine Ortho- doxie in Religionsſachen lachen machte. Aber ſo iſt die Frömmigkeit der Engländer beſchaffen, es iſt eine Partheiſache für ſie und zugleich eine Schicklich- keitsſitte — und ſo wie ſie im Politiſchen ſtets ihrer Briefe eines Verſtorbenen. I. 12

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. [177]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/201>, abgerufen am 22.12.2024.