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Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886.

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zu einer Existenzfrage für die Nation. Mit dieser Verschärfung der Gegensätze ward aber auch Lieber's Stellung in Süd-Carolina immer unhaltbarer. Er war ein begeisterter Anhänger der Union; dort trat das Bestreben nach Secession immer unverhüllter hervor. Seine Ansichten hatte er offen ausgesprochen in einem glänzenden Briefe an Calhoun, dem wissenschaftlichen Haupt der Südstaaten. Als er nun im Jahre 1856 bei der Wahl zum Präsidenten seines Colleges übergangen wurde, legte er seine Professur nieder. Aber schon 1857 erfüllte sich sein Lieblingswunsch, er ward einstimmig zum Professor der politischen Wissenschaften am Columbia-College zu New-York erwählt. So hatte er jetzt einen neuen Wirkungskreis im Norden, dem er nach seiner ganzen Gesinnung angehörte, in der größten Stadt der Vereinigten Staaten, in Mitten seiner Freunde.

Die innere Zersetzung und Scheidung der Union war bereits in der berichtigten Nebraska-Bill zum Ausdruck gekommen, die Kämpfe um die Gestaltung des Territoriums Kansas waren schon ein Vorspiel des gewaltigen Kampfes, der mit der Erwählung Lincoln's zum Präsidenten im Jahre 1860 anhob. Bis dahin hatte die aus den Sklavenhaltern des Südens und den korrupten Radikalen des Nordens sich zusammensetzende demokratische Partei das Heft der Bundesgewalt in Händen gehabt und schmählich genug mißbraucht; mit Lincoln nahmen es ihr die Republikaner aus der Hand. Als Oppositionspartei hatte die republikanische damals alle besseren Elemente, welche dem Treiben der bisherigen Machthaber feind waren, auf ihrer Seite. Das hat so lange gedauert, bis die Republikaner selbst fest im Sattel saßen, um das alte Geschäft unter neuer Firma fortzutreiben. Wieder hat sich 20 und etliche Jahre die Entrüstung angesammelt, und endlich in unseren Tagen die Republikaner

zu einer Existenzfrage für die Nation. Mit dieser Verschärfung der Gegensätze ward aber auch Lieber’s Stellung in Süd-Carolina immer unhaltbarer. Er war ein begeisterter Anhänger der Union; dort trat das Bestreben nach Secession immer unverhüllter hervor. Seine Ansichten hatte er offen ausgesprochen in einem glänzenden Briefe an Calhoun, dem wissenschaftlichen Haupt der Südstaaten. Als er nun im Jahre 1856 bei der Wahl zum Präsidenten seines Colleges übergangen wurde, legte er seine Professur nieder. Aber schon 1857 erfüllte sich sein Lieblingswunsch, er ward einstimmig zum Professor der politischen Wissenschaften am Columbia-College zu New-York erwählt. So hatte er jetzt einen neuen Wirkungskreis im Norden, dem er nach seiner ganzen Gesinnung angehörte, in der größten Stadt der Vereinigten Staaten, in Mitten seiner Freunde.

Die innere Zersetzung und Scheidung der Union war bereits in der berichtigten Nebraska-Bill zum Ausdruck gekommen, die Kämpfe um die Gestaltung des Territoriums Kansas waren schon ein Vorspiel des gewaltigen Kampfes, der mit der Erwählung Lincoln’s zum Präsidenten im Jahre 1860 anhob. Bis dahin hatte die aus den Sklavenhaltern des Südens und den korrupten Radikalen des Nordens sich zusammensetzende demokratische Partei das Heft der Bundesgewalt in Händen gehabt und schmählich genug mißbraucht; mit Lincoln nahmen es ihr die Republikaner aus der Hand. Als Oppositionspartei hatte die republikanische damals alle besseren Elemente, welche dem Treiben der bisherigen Machthaber feind waren, auf ihrer Seite. Das hat so lange gedauert, bis die Republikaner selbst fest im Sattel saßen, um das alte Geschäft unter neuer Firma fortzutreiben. Wieder hat sich 20 und etliche Jahre die Entrüstung angesammelt, und endlich in unseren Tagen die Republikaner

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[36/0036] zu einer Existenzfrage für die Nation. Mit dieser Verschärfung der Gegensätze ward aber auch Lieber’s Stellung in Süd-Carolina immer unhaltbarer. Er war ein begeisterter Anhänger der Union; dort trat das Bestreben nach Secession immer unverhüllter hervor. Seine Ansichten hatte er offen ausgesprochen in einem glänzenden Briefe an Calhoun, dem wissenschaftlichen Haupt der Südstaaten. Als er nun im Jahre 1856 bei der Wahl zum Präsidenten seines Colleges übergangen wurde, legte er seine Professur nieder. Aber schon 1857 erfüllte sich sein Lieblingswunsch, er ward einstimmig zum Professor der politischen Wissenschaften am Columbia-College zu New-York erwählt. So hatte er jetzt einen neuen Wirkungskreis im Norden, dem er nach seiner ganzen Gesinnung angehörte, in der größten Stadt der Vereinigten Staaten, in Mitten seiner Freunde. Die innere Zersetzung und Scheidung der Union war bereits in der berichtigten Nebraska-Bill zum Ausdruck gekommen, die Kämpfe um die Gestaltung des Territoriums Kansas waren schon ein Vorspiel des gewaltigen Kampfes, der mit der Erwählung Lincoln’s zum Präsidenten im Jahre 1860 anhob. Bis dahin hatte die aus den Sklavenhaltern des Südens und den korrupten Radikalen des Nordens sich zusammensetzende demokratische Partei das Heft der Bundesgewalt in Händen gehabt und schmählich genug mißbraucht; mit Lincoln nahmen es ihr die Republikaner aus der Hand. Als Oppositionspartei hatte die republikanische damals alle besseren Elemente, welche dem Treiben der bisherigen Machthaber feind waren, auf ihrer Seite. Das hat so lange gedauert, bis die Republikaner selbst fest im Sattel saßen, um das alte Geschäft unter neuer Firma fortzutreiben. Wieder hat sich 20 und etliche Jahre die Entrüstung angesammelt, und endlich in unseren Tagen die Republikaner

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Zitationshilfe: Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuss_franz_1886/36>, abgerufen am 26.04.2024.