Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.über ein und andere Gewächse, Thiere etc. [Spaltenumbruch]
ein bedecktes Geschirr von Porcellan,stellen dasselbige in einen Kessel voll Wasser, und lassen es so lange sieden, bis daß das Hun gar gekochet ist: und end- lich stellen sie den Kessel in die glühen- den Kohlen und die heisse Asche, die gan- tze Nacht hindurch. Des Tages drauf verzehren sie das Hun, zusamt der Gin- seng und den Vogelnestern, ohne Saltz und Eßig, oder, wie es bey uns heist, un- gesaltzen, ungeschmaltzen: wann sie nun alles rein aufgezehret haben, halten sie sich fein warm, und bekommen zuwei- len einen Schweiß. Sie pflegen auch Reiß mit Wasser ge- Vom Agtstein. Dieweil ich in meinem ersten Buche Die Carabe, oder der Agtstein, wird, Dum Phaetontea formica vagatur in Und gewiß, es ist eine solche Sache, Diejenigen, die das Balthische Meer, Dieses voraus gesetzt, so ist gar leicht- Wel- J i i
über ein und andere Gewaͤchſe, Thiere ꝛc. [Spaltenumbruch]
ein bedecktes Geſchirr von Porcellan,ſtellen daſſelbige in einen Keſſel voll Waſſer, und laſſen es ſo lange ſieden, bis daß das Hun gar gekochet iſt: und end- lich ſtellen ſie den Keſſel in die gluͤhen- den Kohlen und die heiſſe Aſche, die gan- tze Nacht hindurch. Des Tages drauf verzehren ſie das Hun, zuſamt der Gin- ſeng und den Vogelneſtern, ohne Saltz und Eßig, oder, wie es bey uns heiſt, un- geſaltzen, ungeſchmaltzen: wann ſie nun alles rein aufgezehret haben, halten ſie ſich fein waꝛm, und bekommen zuwei- len einen Schweiß. Sie pflegen auch Reiß mit Waſſer ge- Vom Agtſtein. Dieweil ich in meinem erſten Buche Die Carabe, oder der Agtſtein, wird, Dum Phaëtonteâ formica vagatur in Und gewiß, es iſt eine ſolche Sache, Diejenigen, die das Balthiſche Meer, Dieſes voraus geſetzt, ſo iſt gar leicht- Wel- J i i
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Es finden ſich<lb/> aber Stuͤcken in verſchiedener Geſtalt<lb/> und Groͤſſe, und was das allerwunder-<lb/> ſamſte, und das den Naturkuͤndigern<lb/> hauptſchwer faͤllt zu ergruͤbeln, iſt, daß<lb/> bisweilen ſolche Stuͤcken Agtſtein ge-<lb/> funden werden, in deren Mitten Blaͤt-<lb/> ter von Baͤumen, Splitter, Spinnen,<lb/> Fliegen, Ameiſen und ander Geſchmeiſ-<lb/> ſe zu erſehen, ſo doch ſonſt nur auf dem<lb/> Lande zu leben pfleget. Und derglei-<lb/> chen Stuͤcken, darinne ſolche Dinge be-<lb/> graben liegen, halten nicht nur heut zu<lb/> tage die Liebhaber hoch, und ſehen ſie<lb/> als die groͤſſeſten Seltſamkeiten an: ſon-<lb/> dern ſchon <hi rendition="#aq">Martialis</hi> zu ſeiner Zeit hat ein<lb/><hi rendition="#aq">Epigramma</hi> gemacht auf eine Ameiſe, die<lb/> man ihm in einem ſolchen Stuͤcke ſehen<lb/> laſſen.</p><lb/> <cb n="864"/> <cit> <quote> <hi rendition="#aq">Dum Phaëtonteâ formica vagatur in<lb/><hi rendition="#et">undâ</hi><lb/> Implicuit tenuem Succina gutta fe-<lb/><hi rendition="#et">ram.</hi><lb/> Sic modo quæ fuerat vitâ contemta ma-<lb/><hi rendition="#et">nente,</hi><lb/> Funeribus facta eſt cum pretioſa ſuis.</hi> </quote> <bibl/> </cit><lb/> <p>Und gewiß, es iſt eine ſolche Sache,<lb/> die nicht ſo leichtlich zu erklaͤren, wie<lb/> naͤmlich Spreu und Splitter, auch Ge-<lb/> wuͤrme, welche, weil ſie allzu leicht, be-<lb/> ſtaͤndig auf dem Waſſer ſchwimmen, in<lb/> die Agtſteinſtuͤcken moͤgen gerathen, die<lb/> dannoch allezeit aus dem Abgrunde des<lb/> Meers heraus gezogen werden. 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über ein und andere Gewaͤchſe, Thiere ꝛc.
ein bedecktes Geſchirr von Porcellan,
ſtellen daſſelbige in einen Keſſel voll
Waſſer, und laſſen es ſo lange ſieden, bis
daß das Hun gar gekochet iſt: und end-
lich ſtellen ſie den Keſſel in die gluͤhen-
den Kohlen und die heiſſe Aſche, die gan-
tze Nacht hindurch. Des Tages drauf
verzehren ſie das Hun, zuſamt der Gin-
ſeng und den Vogelneſtern, ohne Saltz
und Eßig, oder, wie es bey uns heiſt, un-
geſaltzen, ungeſchmaltzen: wann ſie
nun alles rein aufgezehret haben, halten
ſie ſich fein waꝛm, und bekommen zuwei-
len einen Schweiß.
Sie pflegen auch Reiß mit Waſſer ge-
kocht, und mit Vogelneſtern und Gin-
ſeng, auf obige Weiſe zugerichtet, zu ge-
nieſſen. Das thun ſie bey anbrechen-
dem Tage, und wann es moͤglich, raſten
ſie darauf.
Vom Agtſtein.
Dieweil ich in meinem erſten Buche
allzuwenig vom Agtſteine vermeldet,
als habe nicht undienlich erachtet, hie-
ſelbſten anzufuͤhren, was ich ſeit dem
davon erfahren koͤnnen.
Die Carabe, oder der Agtſtein, wird,
wie gedacht, ordentlicher Weiſe, nir-
gend anders als in dem Balthiſchen
Meere, auf der Preußiſchen Kuͤſte und
Strande gefunden. Wann da gewiſſe
Winde wehen, ſo wird er auf den
Strand geworffen: und die Einwoh-
ner ſammlen ihn im groͤſten Sturme,
aus Beyſorge, die See moͤchte ihn wie-
derum zuruͤcke reiſſen. Es finden ſich
aber Stuͤcken in verſchiedener Geſtalt
und Groͤſſe, und was das allerwunder-
ſamſte, und das den Naturkuͤndigern
hauptſchwer faͤllt zu ergruͤbeln, iſt, daß
bisweilen ſolche Stuͤcken Agtſtein ge-
funden werden, in deren Mitten Blaͤt-
ter von Baͤumen, Splitter, Spinnen,
Fliegen, Ameiſen und ander Geſchmeiſ-
ſe zu erſehen, ſo doch ſonſt nur auf dem
Lande zu leben pfleget. Und derglei-
chen Stuͤcken, darinne ſolche Dinge be-
graben liegen, halten nicht nur heut zu
tage die Liebhaber hoch, und ſehen ſie
als die groͤſſeſten Seltſamkeiten an: ſon-
dern ſchon Martialis zu ſeiner Zeit hat ein
Epigramma gemacht auf eine Ameiſe, die
man ihm in einem ſolchen Stuͤcke ſehen
laſſen.
Dum Phaëtonteâ formica vagatur in
undâ
Implicuit tenuem Succina gutta fe-
ram.
Sic modo quæ fuerat vitâ contemta ma-
nente,
Funeribus facta eſt cum pretioſa ſuis.
Und gewiß, es iſt eine ſolche Sache,
die nicht ſo leichtlich zu erklaͤren, wie
naͤmlich Spreu und Splitter, auch Ge-
wuͤrme, welche, weil ſie allzu leicht, be-
ſtaͤndig auf dem Waſſer ſchwimmen, in
die Agtſteinſtuͤcken moͤgen gerathen, die
dannoch allezeit aus dem Abgrunde des
Meers heraus gezogen werden. Bis-
anhero haben die Philoſophi noch keine
recht taugliche Urſache angeben koͤnnen,
ſondern haben vermeinet, ſie muͤſſe eben
ſo verborgen ſeyn, als wie diejenige Ei-
genſchaft des Agtſteins, wann er Stroh
und Spalten an ſich ziehet und aufhe-
bet. Nichts deſto minder wollen wir
verſuchen, ob wir ſowohl auf des einen,
wie auf des andern Grund und Ur-
ſprung kommen koͤnnen.
Diejenigen, die das Balthiſche Meer,
oder die Oſtſee beſchiffet, haben ange-
mercket, daß auf der Preußiſchen Kuͤſte
gar groſſe Stranden ſind, von welchen
einige mehr, andere weniger uͤberſtroͤ-
met werden: allein, an der Schwedi-
ſchen Seite giebet es hohe Sandberge,
und erhabene Oerter, an deren Ufer
gantze Waͤlder von Pappelbaͤumen und
Fichten ſich befinden, welche alle Som-
mer eine groſſe Menge Hartz und Gum-
mi von ſich geben.
Dieſes voraus geſetzt, ſo iſt gar leicht-
lich zu erachten, daß eine groſſe Menge
dieſer klebrichten und zaͤhen Materie
muß an den Aeſten hangen bleiben, wel-
che im Winter vom Schnee bedeckt, und
von der Kaͤlte hart und ſproͤde wird ge-
macht: wann dann die Aeſte von dem
Wind geſchuͤttelt werden, reiſſen ſie die-
ſelben ab und fuͤhren ſie ins Meer: ſo-
dann faͤllt ſie, von wegen ihrer Schwe-
re, zu Grunde, wird nach und nach als
gleichſam ausgekocht, und durch die be-
ſtaͤndige Bewegung des Saltzgeiſtes
von der See gehaͤrtet: daher kommt
endlich der Agtſtein, deſſen Natur wir
gegenwaͤrtig unterſuchen. Wann nun
das Meer ſich ungewoͤhnlich aufruͤh-
riſch erzeiget, und der Wind treibet die
Wel-
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