Einige Tage später fuhr der Büttnerbauer im korb¬ geflochtenen Kälberwägelchen durchs Dorf. Er saß ganz vorn im Wagen, so daß er den Pferdeschwanz beinahe mit den Füßen berührte, auf einem Gebund Heu, hinter ihm lagen eine Anzahl gefüllter Säcke.
Er hatte sich rasiert, was er sonst nur am Sonnabend Abend that, er trug ein reines Hemd, den schwarzen Rock und einen flachen Filzhut -- sichere Wahrzeichen, daß es nach der Stadt ging.
Als er am Kretscham von Halbenau vorbeikam, stand dort sein Schwager, Ernst Kaschel, in der Thür, Zipfelmütze auf dem Kopfe, die Hände unter der Schürze, in der echten Gastwirtspositur.
Der Bauer stellte sich, als sähe er den Gatten seiner verstorbenen Schwester nicht, blickte vielmehr steif gradeaus auf die Landstraße, während er sich dem Kretscham näherte, und gab dem Rappen die Peitschenschmitze zu fühlen, damit er sich in Trab setzen solle.
Der Büttnerbauer war seinem Schwager Kaschel niemals grün gewesen. Das gespannte Verhältnis zwischen den Verwandten stammte von der Erbauseinandersetzung her, die der Bauer nach dem Tode des Vaters mit seinen Geschwistern gehabt hatte.
Aber der Gastwirt ließ den Schwager nicht unangeredet vorüberfahren. "Guntago Traugott!" rief er dem Bauer zu.
III.
Einige Tage ſpäter fuhr der Büttnerbauer im korb¬ geflochtenen Kälberwägelchen durchs Dorf. Er ſaß ganz vorn im Wagen, ſo daß er den Pferdeſchwanz beinahe mit den Füßen berührte, auf einem Gebund Heu, hinter ihm lagen eine Anzahl gefüllter Säcke.
Er hatte ſich raſiert, was er ſonſt nur am Sonnabend Abend that, er trug ein reines Hemd, den ſchwarzen Rock und einen flachen Filzhut — ſichere Wahrzeichen, daß es nach der Stadt ging.
Als er am Kretſcham von Halbenau vorbeikam, ſtand dort ſein Schwager, Ernſt Kaſchel, in der Thür, Zipfelmütze auf dem Kopfe, die Hände unter der Schürze, in der echten Gaſtwirtspoſitur.
Der Bauer ſtellte ſich, als ſähe er den Gatten ſeiner verſtorbenen Schweſter nicht, blickte vielmehr ſteif gradeaus auf die Landſtraße, während er ſich dem Kretſcham näherte, und gab dem Rappen die Peitſchenſchmitze zu fühlen, damit er ſich in Trab ſetzen ſolle.
Der Büttnerbauer war ſeinem Schwager Kaſchel niemals grün geweſen. Das geſpannte Verhältnis zwiſchen den Verwandten ſtammte von der Erbauseinanderſetzung her, die der Bauer nach dem Tode des Vaters mit ſeinen Geſchwiſtern gehabt hatte.
Aber der Gaſtwirt ließ den Schwager nicht unangeredet vorüberfahren. „Guntago Traugott!“ rief er dem Bauer zu.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0046"n="[32]"/><divn="2"><head><hirendition="#aq">III</hi>.<lb/></head><p>Einige Tage ſpäter fuhr der Büttnerbauer im korb¬<lb/>
geflochtenen Kälberwägelchen durchs Dorf. Er ſaß ganz vorn<lb/>
im Wagen, ſo daß er den Pferdeſchwanz beinahe mit den<lb/>
Füßen berührte, auf einem Gebund Heu, hinter ihm lagen<lb/>
eine Anzahl gefüllter Säcke.</p><lb/><p>Er hatte ſich raſiert, was er ſonſt nur am Sonnabend<lb/>
Abend that, er trug ein reines Hemd, den ſchwarzen Rock und<lb/>
einen flachen Filzhut —ſichere Wahrzeichen, daß es nach der<lb/>
Stadt ging.</p><lb/><p>Als er am Kretſcham von Halbenau vorbeikam, ſtand<lb/>
dort ſein Schwager, Ernſt Kaſchel, in der Thür, Zipfelmütze<lb/>
auf dem Kopfe, die Hände unter der Schürze, in der echten<lb/>
Gaſtwirtspoſitur.</p><lb/><p>Der Bauer ſtellte ſich, als ſähe er den Gatten ſeiner<lb/>
verſtorbenen Schweſter nicht, blickte vielmehr ſteif gradeaus auf<lb/>
die Landſtraße, während er ſich dem Kretſcham näherte, und<lb/>
gab dem Rappen die Peitſchenſchmitze zu fühlen, damit er ſich<lb/>
in Trab ſetzen ſolle.</p><lb/><p>Der Büttnerbauer war ſeinem Schwager Kaſchel niemals<lb/>
grün geweſen. Das geſpannte Verhältnis zwiſchen den<lb/>
Verwandten ſtammte von der Erbauseinanderſetzung her, die<lb/>
der Bauer nach dem Tode des Vaters mit ſeinen Geſchwiſtern<lb/>
gehabt hatte.</p><lb/><p>Aber der Gaſtwirt ließ den Schwager nicht unangeredet<lb/>
vorüberfahren. „Guntago Traugott!“ rief er dem Bauer zu.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[32]/0046]
III.
Einige Tage ſpäter fuhr der Büttnerbauer im korb¬
geflochtenen Kälberwägelchen durchs Dorf. Er ſaß ganz vorn
im Wagen, ſo daß er den Pferdeſchwanz beinahe mit den
Füßen berührte, auf einem Gebund Heu, hinter ihm lagen
eine Anzahl gefüllter Säcke.
Er hatte ſich raſiert, was er ſonſt nur am Sonnabend
Abend that, er trug ein reines Hemd, den ſchwarzen Rock und
einen flachen Filzhut — ſichere Wahrzeichen, daß es nach der
Stadt ging.
Als er am Kretſcham von Halbenau vorbeikam, ſtand
dort ſein Schwager, Ernſt Kaſchel, in der Thür, Zipfelmütze
auf dem Kopfe, die Hände unter der Schürze, in der echten
Gaſtwirtspoſitur.
Der Bauer ſtellte ſich, als ſähe er den Gatten ſeiner
verſtorbenen Schweſter nicht, blickte vielmehr ſteif gradeaus auf
die Landſtraße, während er ſich dem Kretſcham näherte, und
gab dem Rappen die Peitſchenſchmitze zu fühlen, damit er ſich
in Trab ſetzen ſolle.
Der Büttnerbauer war ſeinem Schwager Kaſchel niemals
grün geweſen. Das geſpannte Verhältnis zwiſchen den
Verwandten ſtammte von der Erbauseinanderſetzung her, die
der Bauer nach dem Tode des Vaters mit ſeinen Geſchwiſtern
gehabt hatte.
Aber der Gaſtwirt ließ den Schwager nicht unangeredet
vorüberfahren. „Guntago Traugott!“ rief er dem Bauer zu.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [32]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/46>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.