Zwei Monate waren vergangen, seit das Büttnersche Gut unter den Hammer gekommen war. Samuel Harrassowitz schaltete und waltete jetzt hier als unumschränkter Herr und Gebieter. Er hatte den alten Bauern vorläufig auf seinem ehemaligen Hofe gelassen. Er nahm auch keine Miete von den Leuten, aus dem einfachen Grunde, weil sie nichts mehr hatten, wovon sie ihm hätten Quartiergeld zahlen können. Außer¬ dem waren die Büttners, wie er es selbst zugab: "alte brave Leute", denen er das "Almosen gern gönnte". -- Er ließ die Felder von dem alten Manne bestellen; auf diese Weise konnte der etwas von dem Gelde, was er noch auf Wechsel schuldete, abarbeiten.
Mancherlei Veränderungen nahm der Händler in der Wirtschaft vor. Zunächst führte er die Ochsen weg; die konnte er gerade an einer anderen Stelle gut gebrauchen. "Sie kommen schließlich auch mit Kühen aus; was, mein guter Büttner?" sagte er in seiner biedermännisch aufgeknöpften Weise zu dem Alten.
Der Büttnerbauer erwiderte nichts hierauf. Er nahm überhaupt jeden Befehl des neuen Herrn schweigend und mit undurchdringlicher Miene hin.
Nun war er also soweit gekommen, daß er mit Kühen aufs Feld fahren mußte, wie die Kleingärtner und Stellen¬ besitzer. Als Knecht eines Fremden bestellte er jetzt den
II.
Zwei Monate waren vergangen, ſeit das Büttnerſche Gut unter den Hammer gekommen war. Samuel Harraſſowitz ſchaltete und waltete jetzt hier als unumſchränkter Herr und Gebieter. Er hatte den alten Bauern vorläufig auf ſeinem ehemaligen Hofe gelaſſen. Er nahm auch keine Miete von den Leuten, aus dem einfachen Grunde, weil ſie nichts mehr hatten, wovon ſie ihm hätten Quartiergeld zahlen können. Außer¬ dem waren die Büttners, wie er es ſelbſt zugab: „alte brave Leute“, denen er das „Almoſen gern gönnte“. — Er ließ die Felder von dem alten Manne beſtellen; auf dieſe Weiſe konnte der etwas von dem Gelde, was er noch auf Wechſel ſchuldete, abarbeiten.
Mancherlei Veränderungen nahm der Händler in der Wirtſchaft vor. Zunächſt führte er die Ochſen weg; die konnte er gerade an einer anderen Stelle gut gebrauchen. „Sie kommen ſchließlich auch mit Kühen aus; was, mein guter Büttner?“ ſagte er in ſeiner biedermänniſch aufgeknöpften Weiſe zu dem Alten.
Der Büttnerbauer erwiderte nichts hierauf. Er nahm überhaupt jeden Befehl des neuen Herrn ſchweigend und mit undurchdringlicher Miene hin.
Nun war er alſo ſoweit gekommen, daß er mit Kühen aufs Feld fahren mußte, wie die Kleingärtner und Stellen¬ beſitzer. Als Knecht eines Fremden beſtellte er jetzt den
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0307"n="[293]"/><divn="2"><head><hirendition="#aq">II</hi>.<lb/></head><p>Zwei Monate waren vergangen, ſeit das Büttnerſche Gut<lb/>
unter den Hammer gekommen war. Samuel Harraſſowitz<lb/>ſchaltete und waltete jetzt hier als unumſchränkter Herr und<lb/>
Gebieter. Er hatte den alten Bauern vorläufig auf ſeinem<lb/>
ehemaligen Hofe gelaſſen. Er nahm auch keine Miete von den<lb/>
Leuten, aus dem einfachen Grunde, weil ſie nichts mehr hatten,<lb/>
wovon ſie ihm hätten Quartiergeld zahlen können. Außer¬<lb/>
dem waren die Büttners, wie er es ſelbſt zugab: „alte brave<lb/>
Leute“, denen er das „Almoſen gern gönnte“. — Er ließ die<lb/>
Felder von dem alten Manne beſtellen; auf dieſe Weiſe konnte<lb/>
der etwas von dem Gelde, was er noch auf Wechſel ſchuldete,<lb/>
abarbeiten.</p><lb/><p>Mancherlei Veränderungen nahm der Händler in der<lb/>
Wirtſchaft vor. Zunächſt führte er die Ochſen weg; die konnte<lb/>
er gerade an einer anderen Stelle gut gebrauchen. „Sie<lb/>
kommen ſchließlich auch mit Kühen aus; was, mein guter<lb/>
Büttner?“ſagte er in ſeiner biedermänniſch aufgeknöpften<lb/>
Weiſe zu dem Alten.</p><lb/><p>Der Büttnerbauer erwiderte nichts hierauf. Er nahm<lb/>
überhaupt jeden Befehl des neuen Herrn ſchweigend und mit<lb/>
undurchdringlicher Miene hin.</p><lb/><p>Nun war er alſo ſoweit gekommen, daß er mit Kühen<lb/>
aufs Feld fahren mußte, wie die Kleingärtner und Stellen¬<lb/>
beſitzer. Als Knecht eines Fremden beſtellte er jetzt den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[293]/0307]
II.
Zwei Monate waren vergangen, ſeit das Büttnerſche Gut
unter den Hammer gekommen war. Samuel Harraſſowitz
ſchaltete und waltete jetzt hier als unumſchränkter Herr und
Gebieter. Er hatte den alten Bauern vorläufig auf ſeinem
ehemaligen Hofe gelaſſen. Er nahm auch keine Miete von den
Leuten, aus dem einfachen Grunde, weil ſie nichts mehr hatten,
wovon ſie ihm hätten Quartiergeld zahlen können. Außer¬
dem waren die Büttners, wie er es ſelbſt zugab: „alte brave
Leute“, denen er das „Almoſen gern gönnte“. — Er ließ die
Felder von dem alten Manne beſtellen; auf dieſe Weiſe konnte
der etwas von dem Gelde, was er noch auf Wechſel ſchuldete,
abarbeiten.
Mancherlei Veränderungen nahm der Händler in der
Wirtſchaft vor. Zunächſt führte er die Ochſen weg; die konnte
er gerade an einer anderen Stelle gut gebrauchen. „Sie
kommen ſchließlich auch mit Kühen aus; was, mein guter
Büttner?“ ſagte er in ſeiner biedermänniſch aufgeknöpften
Weiſe zu dem Alten.
Der Büttnerbauer erwiderte nichts hierauf. Er nahm
überhaupt jeden Befehl des neuen Herrn ſchweigend und mit
undurchdringlicher Miene hin.
Nun war er alſo ſoweit gekommen, daß er mit Kühen
aufs Feld fahren mußte, wie die Kleingärtner und Stellen¬
beſitzer. Als Knecht eines Fremden beſtellte er jetzt den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [293]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/307>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.