Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite
X.

Ein paar Tage darauf erschien derselbe Herr Schmeiß,
welcher den alten Bauern im Comptoir von Harrassowitz abge¬
fertigt hatte, in Halbenau. Er kam mit Lohngeschirr. Neben
ihm auf den Rücksitz saß eine junge Dame. Während er sich
in das Büttnersche Gehöft begab, schwänzelte die auffällig ge¬
kleidete Person im Dorfe umher, zum Gaudium der Dorf¬
jugend und der Frauenwelt von Halbenau, die so hohe Ab¬
sätze, eine solche Taille und derartig weite Puffärmel noch
nicht gesehen hatten.

Edmund Schmeiß, ein mittelgroßer junger Mann mit
flottem Schnurbärtchen und Lockenfrisur, rümpfte die Nase über
den Misthaufen, den er im Büttnerschen Hofe vorfand. "Echte
Bauernwirtschaft!" sagte er zu sich selbst, mit verächtlichster
Miene. Sein tadellos gearbeiteter Anzug von hechtgrauer
Farbe, sein ganzes Auftreten, waren "prima", um seinen
eigenen Lieblingsausdruck zu gebrauchen. Kenner hätten viel¬
leicht finden können, daß nicht einmal die äußere Etikette der
Ware besonders fein sei. Seine Manieren waren irgend¬
woher, wahrscheinlich vom Offiziers- oder jüngeren Beamten¬
stande erborgt und nicht immer glücklich kopiert.

Die Lebensstellung des jungen Schmeiß genauer zu um¬
schreiben, war nicht leicht. Harrassowitz bezeichnete ihn, wenn
er von ihm sprach, als einen: ,mir ergebenen jungen
Mann'. Aber auch für Isidor Schönberger ,arbeitete' er,

X.

Ein paar Tage darauf erſchien derſelbe Herr Schmeiß,
welcher den alten Bauern im Comptoir von Harraſſowitz abge¬
fertigt hatte, in Halbenau. Er kam mit Lohngeſchirr. Neben
ihm auf den Rückſitz ſaß eine junge Dame. Während er ſich
in das Büttnerſche Gehöft begab, ſchwänzelte die auffällig ge¬
kleidete Perſon im Dorfe umher, zum Gaudium der Dorf¬
jugend und der Frauenwelt von Halbenau, die ſo hohe Ab¬
ſätze, eine ſolche Taille und derartig weite Puffärmel noch
nicht geſehen hatten.

Edmund Schmeiß, ein mittelgroßer junger Mann mit
flottem Schnurbärtchen und Lockenfriſur, rümpfte die Naſe über
den Miſthaufen, den er im Büttnerſchen Hofe vorfand. „Echte
Bauernwirtſchaft!“ ſagte er zu ſich ſelbſt, mit verächtlichſter
Miene. Sein tadellos gearbeiteter Anzug von hechtgrauer
Farbe, ſein ganzes Auftreten, waren „prima“, um ſeinen
eigenen Lieblingsausdruck zu gebrauchen. Kenner hätten viel¬
leicht finden können, daß nicht einmal die äußere Etikette der
Ware beſonders fein ſei. Seine Manieren waren irgend¬
woher, wahrſcheinlich vom Offiziers- oder jüngeren Beamten¬
ſtande erborgt und nicht immer glücklich kopiert.

Die Lebensſtellung des jungen Schmeiß genauer zu um¬
ſchreiben, war nicht leicht. Harraſſowitz bezeichnete ihn, wenn
er von ihm ſprach, als einen: ‚mir ergebenen jungen
Mann‘. Aber auch für Iſidor Schönberger ‚arbeitete‘ er,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0140" n="[126]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">X</hi>.<lb/></head>
          <p>Ein paar Tage darauf er&#x017F;chien der&#x017F;elbe Herr Schmeiß,<lb/>
welcher den alten Bauern im Comptoir von Harra&#x017F;&#x017F;owitz abge¬<lb/>
fertigt hatte, in Halbenau. Er kam mit Lohnge&#x017F;chirr. Neben<lb/>
ihm auf den Rück&#x017F;itz &#x017F;aß eine junge Dame. Während er &#x017F;ich<lb/>
in das Büttner&#x017F;che Gehöft begab, &#x017F;chwänzelte die auffällig ge¬<lb/>
kleidete Per&#x017F;on im Dorfe umher, zum Gaudium der Dorf¬<lb/>
jugend und der Frauenwelt von Halbenau, die &#x017F;o hohe Ab¬<lb/>
&#x017F;ätze, eine &#x017F;olche Taille und derartig weite Puffärmel noch<lb/>
nicht ge&#x017F;ehen hatten.</p><lb/>
          <p>Edmund Schmeiß, ein mittelgroßer junger Mann mit<lb/>
flottem Schnurbärtchen und Lockenfri&#x017F;ur, rümpfte die Na&#x017F;e über<lb/>
den Mi&#x017F;thaufen, den er im Büttner&#x017F;chen Hofe vorfand. &#x201E;Echte<lb/>
Bauernwirt&#x017F;chaft!&#x201C; &#x017F;agte er zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, mit verächtlich&#x017F;ter<lb/>
Miene. Sein tadellos gearbeiteter Anzug von hechtgrauer<lb/>
Farbe, &#x017F;ein ganzes Auftreten, waren &#x201E;prima&#x201C;, um &#x017F;einen<lb/>
eigenen Lieblingsausdruck zu gebrauchen. Kenner hätten viel¬<lb/>
leicht finden können, daß nicht einmal die äußere Etikette der<lb/>
Ware be&#x017F;onders fein &#x017F;ei. Seine Manieren waren irgend¬<lb/>
woher, wahr&#x017F;cheinlich vom Offiziers- oder jüngeren Beamten¬<lb/>
&#x017F;tande erborgt und nicht immer glücklich kopiert.</p><lb/>
          <p>Die Lebens&#x017F;tellung des jungen Schmeiß genauer zu um¬<lb/>
&#x017F;chreiben, war nicht leicht. Harra&#x017F;&#x017F;owitz bezeichnete ihn, wenn<lb/>
er von ihm &#x017F;prach, als einen: &#x201A;mir ergebenen jungen<lb/>
Mann&#x2018;. Aber auch für I&#x017F;idor Schönberger &#x201A;arbeitete&#x2018; er,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[126]/0140] X. Ein paar Tage darauf erſchien derſelbe Herr Schmeiß, welcher den alten Bauern im Comptoir von Harraſſowitz abge¬ fertigt hatte, in Halbenau. Er kam mit Lohngeſchirr. Neben ihm auf den Rückſitz ſaß eine junge Dame. Während er ſich in das Büttnerſche Gehöft begab, ſchwänzelte die auffällig ge¬ kleidete Perſon im Dorfe umher, zum Gaudium der Dorf¬ jugend und der Frauenwelt von Halbenau, die ſo hohe Ab¬ ſätze, eine ſolche Taille und derartig weite Puffärmel noch nicht geſehen hatten. Edmund Schmeiß, ein mittelgroßer junger Mann mit flottem Schnurbärtchen und Lockenfriſur, rümpfte die Naſe über den Miſthaufen, den er im Büttnerſchen Hofe vorfand. „Echte Bauernwirtſchaft!“ ſagte er zu ſich ſelbſt, mit verächtlichſter Miene. Sein tadellos gearbeiteter Anzug von hechtgrauer Farbe, ſein ganzes Auftreten, waren „prima“, um ſeinen eigenen Lieblingsausdruck zu gebrauchen. Kenner hätten viel¬ leicht finden können, daß nicht einmal die äußere Etikette der Ware beſonders fein ſei. Seine Manieren waren irgend¬ woher, wahrſcheinlich vom Offiziers- oder jüngeren Beamten¬ ſtande erborgt und nicht immer glücklich kopiert. Die Lebensſtellung des jungen Schmeiß genauer zu um¬ ſchreiben, war nicht leicht. Harraſſowitz bezeichnete ihn, wenn er von ihm ſprach, als einen: ‚mir ergebenen jungen Mann‘. Aber auch für Iſidor Schönberger ‚arbeitete‘ er,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/140
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [126]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/140>, abgerufen am 21.11.2024.