Der Sommer hatte nicht gehalten, was das Frühjahr versprochen. Die Herbstsaaten waren zwar gut durch den Winter gekommen und hatten sich während eines milden Früh¬ lings kräftig bestockt. Auch die Sommerung war prächtig auf¬ gegangen, daß es im Mai eine Lust war, über die Haferfelder und die Kartoffelbeete hinwegzublicken. Regen und Sonnen¬ schein folgten sich in gedeihlicher Abwechselung. Das Korn trieb zeitig seine Schoßhalme. Anfang Juni sah es aus, als ob es eine ausgezeichnete Ernte geben müsse.
In der Seele manches Landwirtes, der über die schlechten Erträge der letzten Jahre schier hatte verzweifeln wollen, stieg die tiefgesunkene Hoffnung auf's neue. Kein Stand ist ja so auf das Hoffen angewiesen, wie dieser. Von dem Auswerfen des Samens bis zum Bergen der Frucht schwebt der Land¬ mann zwischen Furcht und Hoffnung; jeder Tag ist von Be¬ deutung für das Gedeihen, und jede Stunde kann alles zerstören.
Auf das vielversprechende Frühjahr folgte im Sommer Kälte und anhaltende Nässe. Die schnell aufgeschossenen Halme stockten plötzlich im Wachstum. An vielen Stellen lagerte sich das Getreide. Die Kornfelder sahen aus, als sei eine Riesenwalze über sie dahingefahren. Licht und Luft fehlte der Ähre, eine mangelhafte Bestäubung fand statt, von unten wuchsen Disteln und allerhand Unkraut durch das Getreide
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 8
IX.
Der Sommer hatte nicht gehalten, was das Frühjahr verſprochen. Die Herbſtſaaten waren zwar gut durch den Winter gekommen und hatten ſich während eines milden Früh¬ lings kräftig beſtockt. Auch die Sommerung war prächtig auf¬ gegangen, daß es im Mai eine Luſt war, über die Haferfelder und die Kartoffelbeete hinwegzublicken. Regen und Sonnen¬ ſchein folgten ſich in gedeihlicher Abwechſelung. Das Korn trieb zeitig ſeine Schoßhalme. Anfang Juni ſah es aus, als ob es eine ausgezeichnete Ernte geben müſſe.
In der Seele manches Landwirtes, der über die ſchlechten Erträge der letzten Jahre ſchier hatte verzweifeln wollen, ſtieg die tiefgeſunkene Hoffnung auf's neue. Kein Stand iſt ja ſo auf das Hoffen angewieſen, wie dieſer. Von dem Auswerfen des Samens bis zum Bergen der Frucht ſchwebt der Land¬ mann zwiſchen Furcht und Hoffnung; jeder Tag iſt von Be¬ deutung für das Gedeihen, und jede Stunde kann alles zerſtören.
Auf das vielverſprechende Frühjahr folgte im Sommer Kälte und anhaltende Näſſe. Die ſchnell aufgeſchoſſenen Halme ſtockten plötzlich im Wachstum. An vielen Stellen lagerte ſich das Getreide. Die Kornfelder ſahen aus, als ſei eine Rieſenwalze über ſie dahingefahren. Licht und Luft fehlte der Ähre, eine mangelhafte Beſtäubung fand ſtatt, von unten wuchſen Diſteln und allerhand Unkraut durch das Getreide
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 8
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IX.
Der Sommer hatte nicht gehalten, was das Frühjahr
verſprochen. Die Herbſtſaaten waren zwar gut durch den
Winter gekommen und hatten ſich während eines milden Früh¬
lings kräftig beſtockt. Auch die Sommerung war prächtig auf¬
gegangen, daß es im Mai eine Luſt war, über die Haferfelder
und die Kartoffelbeete hinwegzublicken. Regen und Sonnen¬
ſchein folgten ſich in gedeihlicher Abwechſelung. Das Korn
trieb zeitig ſeine Schoßhalme. Anfang Juni ſah es aus, als
ob es eine ausgezeichnete Ernte geben müſſe.
In der Seele manches Landwirtes, der über die ſchlechten
Erträge der letzten Jahre ſchier hatte verzweifeln wollen, ſtieg
die tiefgeſunkene Hoffnung auf's neue. Kein Stand iſt ja ſo
auf das Hoffen angewieſen, wie dieſer. Von dem Auswerfen
des Samens bis zum Bergen der Frucht ſchwebt der Land¬
mann zwiſchen Furcht und Hoffnung; jeder Tag iſt von Be¬
deutung für das Gedeihen, und jede Stunde kann alles
zerſtören.
Auf das vielverſprechende Frühjahr folgte im Sommer
Kälte und anhaltende Näſſe. Die ſchnell aufgeſchoſſenen
Halme ſtockten plötzlich im Wachstum. An vielen Stellen
lagerte ſich das Getreide. Die Kornfelder ſahen aus, als ſei
eine Rieſenwalze über ſie dahingefahren. Licht und Luft fehlte
der Ähre, eine mangelhafte Beſtäubung fand ſtatt, von unten
wuchſen Diſteln und allerhand Unkraut durch das Getreide
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 8
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [113]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/127>, abgerufen am 21.12.2024.
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