Poersch, Bruno: Woran krankt die deutsche Gewerkschaftsbewegung? Berlin, 1897.Einleitung. Die deutsche Gewerkschaftsbewegung ist nicht das, was sie Woher diese ganzen Erscheinungen? Sind sie in der Natur Einleitung. Die deutſche Gewerkſchaftsbewegung iſt nicht das, was ſie Woher dieſe ganzen Erſcheinungen? Sind ſie in der Natur <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0011" n="[3]"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Einleitung.</hi><lb/> </head> <p>Die deutſche Gewerkſchaftsbewegung iſt nicht das, was ſie<lb/> ſein ſoll. Die Organiſationen ſind zu ſchwach, da nur ein ganz<lb/> geringer Prozentſatz der Berufsangehörigen ſich dieſen ange¬<lb/> ſchloſſen hat. In den meiſten Gewerben ſchwankt die Zahl der<lb/> Organiſirten zwiſchen 2 bis 10 pCt, und nur wenige Verbände<lb/> haben einen größeren Prozentſatz Organiſirter aufzuweiſen. Die<lb/> Kaſſenbeſtände der Organiſationen ſind gleichfalls ſehr minimal,<lb/> wenig Pfennige kommen durchgängig auf den Kopf des Mit¬<lb/> gliedes und nur die Organiſationen der Buchdrucker, Bildhauer<lb/> und noch einige andere beſitzen größere Kapitalien. Daß bei<lb/> einer ſolchen Sachlage die meiſten Organiſationen keinen großen<lb/> Einfluß auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen ausüben können,<lb/> iſt begreiflich. Namentlich das vergangene Jahr hat dieſes wieder<lb/> zur Genüge bewieſen. Trotzdem die allgemeine Geſchäftslage<lb/> äußerſt günſtig war, verliefen viele Streiks — beſonders die<lb/> größeren — zu Ungunſten der Arbeiter, wie z. B. die Ausſtände<lb/> der Berliner <hi rendition="#g">Lithographen</hi>, <hi rendition="#g">Hut- u</hi>. <hi rendition="#g">Muſikinſtrumenten¬<lb/> macher</hi> und der Arbeiter von <hi rendition="#g">Dürrkopp</hi> u. <hi rendition="#g">Comp</hi>. in <hi rendition="#g">Biele¬<lb/> feld</hi>. Andere wieder zeitigten Reſultate, die keineswegs den<lb/> Opfern entſprachen, die für ſie gebracht wurden, wie z. B. der<lb/><hi rendition="#g">Kottbuſer Textilarbeiter-Streik</hi> und der Ausſtand der<lb/><hi rendition="#g">Stuhlarbeiter zu Lauterburg</hi> a. H. Nur eine geringe<lb/> Anzahl endete mit Siegen für die Intereſſirten. Aber auch<lb/> viele dieſer gemeldeten Siege ſind oft ſehr problematiſcher Natur.<lb/> Wenn z. B. ein Theil der Streikenden nicht wieder in die Be¬<lb/> triebe eingeſtellt wird, kann man unmöglich von einem <hi rendition="#g">wirk¬<lb/> lichen</hi> Siege reden. Dann aber ſind in vielen Fällen die erzielten<lb/> Errungenſchaften ſchon wieder den Siegern entriſſen worden<lb/> und wo ſie noch eingehalten werden, da wird dasſelbe eintreten<lb/> — wie immer — ſobald die Konjunktur ſich verſchlechtert. Dieſes<lb/> ſind die Reſultate der vorjährigen Gewerkſchaftskämpfe, die ſich<lb/> zu Zeiten eines wirthſchaftlichen Aufſchwunges abgeſpiel haben,<lb/> wie einen ſolchen Deutſchland noch nie geſehen hat. Sind die<lb/> Geſchäftszeiten ſchlechter, dann können die meiſten deutſchen ge¬<lb/> werkſchaftlichen Organiſationen gar keinen Einfluß auf die Lohn-<lb/> und Arbeitsbedingungen ausüben und müſſen Alles ſo gehen<lb/> laſſen, wie es geht. — Nicht mit Unrecht ſchrieb daher vor<lb/> Kurzem die „Verſöhnung“, daß die Kämpfe der deutſchen Ge¬<lb/> werkſchaften ſich im <hi rendition="#g">Kreiſe</hi> herumdrehen.</p><lb/> <p>Woher dieſe ganzen Erſcheinungen? Sind ſie in der Natur<lb/> des gewerkſchaftlichen Kampfes begründet? — Meiner Meinung<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[3]/0011]
Einleitung.
Die deutſche Gewerkſchaftsbewegung iſt nicht das, was ſie
ſein ſoll. Die Organiſationen ſind zu ſchwach, da nur ein ganz
geringer Prozentſatz der Berufsangehörigen ſich dieſen ange¬
ſchloſſen hat. In den meiſten Gewerben ſchwankt die Zahl der
Organiſirten zwiſchen 2 bis 10 pCt, und nur wenige Verbände
haben einen größeren Prozentſatz Organiſirter aufzuweiſen. Die
Kaſſenbeſtände der Organiſationen ſind gleichfalls ſehr minimal,
wenig Pfennige kommen durchgängig auf den Kopf des Mit¬
gliedes und nur die Organiſationen der Buchdrucker, Bildhauer
und noch einige andere beſitzen größere Kapitalien. Daß bei
einer ſolchen Sachlage die meiſten Organiſationen keinen großen
Einfluß auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen ausüben können,
iſt begreiflich. Namentlich das vergangene Jahr hat dieſes wieder
zur Genüge bewieſen. Trotzdem die allgemeine Geſchäftslage
äußerſt günſtig war, verliefen viele Streiks — beſonders die
größeren — zu Ungunſten der Arbeiter, wie z. B. die Ausſtände
der Berliner Lithographen, Hut- u. Muſikinſtrumenten¬
macher und der Arbeiter von Dürrkopp u. Comp. in Biele¬
feld. Andere wieder zeitigten Reſultate, die keineswegs den
Opfern entſprachen, die für ſie gebracht wurden, wie z. B. der
Kottbuſer Textilarbeiter-Streik und der Ausſtand der
Stuhlarbeiter zu Lauterburg a. H. Nur eine geringe
Anzahl endete mit Siegen für die Intereſſirten. Aber auch
viele dieſer gemeldeten Siege ſind oft ſehr problematiſcher Natur.
Wenn z. B. ein Theil der Streikenden nicht wieder in die Be¬
triebe eingeſtellt wird, kann man unmöglich von einem wirk¬
lichen Siege reden. Dann aber ſind in vielen Fällen die erzielten
Errungenſchaften ſchon wieder den Siegern entriſſen worden
und wo ſie noch eingehalten werden, da wird dasſelbe eintreten
— wie immer — ſobald die Konjunktur ſich verſchlechtert. Dieſes
ſind die Reſultate der vorjährigen Gewerkſchaftskämpfe, die ſich
zu Zeiten eines wirthſchaftlichen Aufſchwunges abgeſpiel haben,
wie einen ſolchen Deutſchland noch nie geſehen hat. Sind die
Geſchäftszeiten ſchlechter, dann können die meiſten deutſchen ge¬
werkſchaftlichen Organiſationen gar keinen Einfluß auf die Lohn-
und Arbeitsbedingungen ausüben und müſſen Alles ſo gehen
laſſen, wie es geht. — Nicht mit Unrecht ſchrieb daher vor
Kurzem die „Verſöhnung“, daß die Kämpfe der deutſchen Ge¬
werkſchaften ſich im Kreiſe herumdrehen.
Woher dieſe ganzen Erſcheinungen? Sind ſie in der Natur
des gewerkſchaftlichen Kampfes begründet? — Meiner Meinung
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