Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861.Verwandlung. Heller Tag. Zimmer bei Herrn von Steinreich. (wie im ersten Aufzuge.) Steinreich. (krank und erschöpft.) Wie fühl ich mich doch verlassen! den Sekretär Schreiber hab' ich aus dem Hause gestossen; meine Marie sehe ich kaum. Sie schließt sich aus Kum- mer fortwährend in ihr Zimmer ein. Was hab' ich an den Schmarotzern und Tafelfreunden? -- Macht denn das Geld allein wirklich nicht glück- lich? Und dabei noch dieses fürchterliche Leiden am Herzen! Es ist nicht zum Aushalten! dieses Drü- cken ist peinigend. Meine Kräfte nehmen zusehends ab. Sollte ich etwa gar sterben müßen? Furcht- bare Angst! Mein Gott! ich bin wirklich verlassen und allein! Jch will etwas in der Bibel lesen; vielleicht finde ich Trost. (geht an den Tisch und schlägt ein Buch auf.) (liest:) "Wer nicht lieb hat, der kennet Gott nicht; denn Gott ist die Liebe." -- Evangelium Johannes. Die Liebe? -- liebe ich denn nicht? lieb' ich mich nicht selbst? (blättert) "das ist mein Gebot, daß ihr Verwandlung. Heller Tag. Zimmer bei Herrn von Steinreich. (wie im erſten Aufzuge.) Steinreich. (krank und erſchöpft.) Wie fühl ich mich doch verlaſſen! den Sekretär Schreiber hab’ ich aus dem Hauſe geſtoſſen; meine Marie ſehe ich kaum. Sie ſchließt ſich aus Kum- mer fortwährend in ihr Zimmer ein. Was hab’ ich an den Schmarotzern und Tafelfreunden? — Macht denn das Geld allein wirklich nicht glück- lich? Und dabei noch dieſes fürchterliche Leiden am Herzen! Es iſt nicht zum Aushalten! dieſes Drü- cken iſt peinigend. Meine Kräfte nehmen zuſehends ab. Sollte ich etwa gar ſterben müßen? Furcht- bare Angſt! Mein Gott! ich bin wirklich verlaſſen und allein! Jch will etwas in der Bibel leſen; vielleicht finde ich Troſt. (geht an den Tiſch und ſchlägt ein Buch auf.) (lieſt:) „Wer nicht lieb hat, der kennet Gott nicht; denn Gott iſt die Liebe.‟ — Evangelium Johannes. Die Liebe? — liebe ich denn nicht? lieb’ ich mich nicht ſelbſt? (blättert) „das iſt mein Gebot, daß ihr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0052" n="32"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Verwandlung.</hi> </head><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#g">Heller Tag. Zimmer bei Herrn von Steinreich.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(wie im erſten Aufzuge.)</hi> </stage><lb/> <sp who="#STEIN"> <speaker> <hi rendition="#c">Steinreich.</hi> </speaker><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(krank und erſchöpft.)</hi> </stage><lb/> <p>Wie fühl ich mich doch verlaſſen! den Sekretär<lb/> Schreiber hab’ ich aus dem Hauſe geſtoſſen; meine<lb/> Marie ſehe ich kaum. Sie ſchließt ſich aus Kum-<lb/> mer fortwährend in ihr Zimmer ein. Was hab’<lb/> ich an den Schmarotzern und Tafelfreunden? —<lb/> Macht denn das Geld allein wirklich nicht glück-<lb/> lich? Und dabei noch dieſes fürchterliche Leiden am<lb/> Herzen! Es iſt nicht zum Aushalten! dieſes Drü-<lb/> cken iſt peinigend. Meine Kräfte nehmen zuſehends<lb/> ab. Sollte ich etwa gar ſterben müßen? Furcht-<lb/> bare Angſt! Mein Gott! ich bin wirklich verlaſſen<lb/> und allein! Jch will etwas in der Bibel leſen;<lb/> vielleicht finde ich Troſt.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(geht an den Tiſch und ſchlägt ein Buch auf.)</hi> </stage><lb/> <stage>(lieſt:)</stage> <p>„Wer nicht lieb hat, der kennet Gott nicht;<lb/> denn Gott iſt die Liebe.‟ — Evangelium Johannes.<lb/> Die Liebe? — liebe ich denn nicht? lieb’ ich mich<lb/> nicht ſelbſt?</p> <stage>(blättert)</stage> <p>„das iſt mein Gebot, daß ihr<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0052]
Verwandlung.
Heller Tag. Zimmer bei Herrn von Steinreich.
(wie im erſten Aufzuge.)
Steinreich.
(krank und erſchöpft.)
Wie fühl ich mich doch verlaſſen! den Sekretär
Schreiber hab’ ich aus dem Hauſe geſtoſſen; meine
Marie ſehe ich kaum. Sie ſchließt ſich aus Kum-
mer fortwährend in ihr Zimmer ein. Was hab’
ich an den Schmarotzern und Tafelfreunden? —
Macht denn das Geld allein wirklich nicht glück-
lich? Und dabei noch dieſes fürchterliche Leiden am
Herzen! Es iſt nicht zum Aushalten! dieſes Drü-
cken iſt peinigend. Meine Kräfte nehmen zuſehends
ab. Sollte ich etwa gar ſterben müßen? Furcht-
bare Angſt! Mein Gott! ich bin wirklich verlaſſen
und allein! Jch will etwas in der Bibel leſen;
vielleicht finde ich Troſt.
(geht an den Tiſch und ſchlägt ein Buch auf.)
(lieſt:) „Wer nicht lieb hat, der kennet Gott nicht;
denn Gott iſt die Liebe.‟ — Evangelium Johannes.
Die Liebe? — liebe ich denn nicht? lieb’ ich mich
nicht ſelbſt? (blättert) „das iſt mein Gebot, daß ihr
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