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Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688.

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Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] Reuter vor allen andern 1. auch darinnen geniessen
und in Händen haben/ indem ihre Pferde dasjenige
als ein eigenthümliche Eigenschafft der Natur besi-
tzen/ worzu andere aus Verhinderung der Natur/
manglender Kräffte des Gemüths und Leibs nicht zu-
bringen/ weil sie deren nicht fähig und theilhafftig
sind. 2. Weil auch diese Bezeigung so gar bey den
Pferden (welche diese Eigenschafft von Natur an sich
haben) durch das subtileste Appogio des Zaums un-
terhalten werden muß/ welches wiederum allein bey
der guten Gestalt/ darinnen das Pferd mit Kopff
und Halß gehet/) zu suchen und anzutreffen ist/ deren
keine andere Pferd durchgehends/ so viel als die Spa-
nische und Jtaliänische/ mit sich auff die Welt brin-
gen: Weil sie von der Natur in solche gute Gestalt
(und so zu reden) in den Zaum gewachsen seyn/ daß
sie demselben nicht widerstreben können/ wo sie gleich
wolten/ sondern so lang durch das daraus entstehende
gerechte Appogio leiß abzuhalten seyn/ als sie mit böser
Zäumung unverdorben bleiben: So ist auch ihren
Reutern um so viel leichter solche ihre von der Natur
wol gezaumte Pferde in dieser hohen Bezeigung inn-
zuhalten/ daß sie auf einer Stell/ und dabey hochtra-
ben können und müssen.

Hergegen aber befindet sich der Mangel der guten
Gestalt (in Ertragung Kopffs und Halses) bey den
andern Pferden durchgehends/ worauß denn das un-
mässige Appogio bey den Teutschen/ das gar zu weni-
ge bey den hitzigen Barbarischen Pferden erfolget/
daß sie nicht genug inngehalten werden/ und sie in
solcher rechten unirten Bezeigung beständig verblei-
ben/ wo sie zugleich die übrige Eigenschafften darzu
kommen liessen/ oder erlernen könnten. Dann wie
der Schul-Schritt und Trab allein in die-
sem unterschieden ist/ daß der gemeine wol fortkom-
men/ mit wol gestreckten Schenckeln weit vorgreiffen
und avanziren solle: So bestehet deß hohen Schul-
Schritts und Trabs Perfection und Verkürtzung/
in dem langsamen hoch hebenden/ wolbiegenden und
zurückbleibend oder setzenden Schenckeln; bedarffs
also nicht mehr ein solches wolgerichtes hoch-oder
kurtztrabendes Pferd zu verderben/ und ein gemeines
Pferd dar auß zumachen (welches sie Paß gehen ge-
nennet haben wollen) als daß man ihm entweder den
Zaum zuviel verhänge/ wann es wolgezaumet und
leicht einzuhalten ist/ oder aber/ da es sich von dem
Zaum nicht inhalten läst/ und geschwinder forteylet/
als die Vollkommenheit dieser Schul zulässet/ den
Zaum überwinde und andringe; So kan es ausser
des rechten Zaums Gehorsam nimmermehr in dem
Schul-Schritt oder Trab/ sondern allein in dem ge-
schwinden zapplenden Paß geritten werden: und ist
der Sachen damit gar nichts geholffen/ wie hoch ein
Pferd die vordern Schenckel auffheben möchte/ wann
es dabey geschwinder fortgehet/ als es seyn solle. So
wird es doch kein andere Bezeigung/ als die so genenn-
ten gemeinen Bauern-Paßgeher machen könnnen.

Was die Scribenten von des Bucephali Ambi-
tion erwehnen/ daß er allein in seinem höchsten
Schmuck und schönen Pferde-Zeug die prächtigste
Geberden und Bezeigung gebrauchet und gepranget/
auch keinen andern als den rechten Herrn auff sich
[Spaltenumbruch] kommen lassen/ wann er solche Kleidung getragen/
ausser dem aber allein dessen Schmidt auffsitzen/ oder
auff ihm reiten lassen: deßgleichen auch Asturcus ge-
gen seinem Kayser Julio Caesare gethan: solches be-
zeuget der Pommerische Secretarius Friedeboren/ in
seiner Stetinischen Chronica von einem seines Für-
sten Leib-Roß/ mit diesem Zusatz/ daß es unter seinem
Warter gantz schläfferig fortgegangen/ und in dem
Stall keinem andern Pferd die oberste Stell lassen
wollen/ sondern sich loß machend/ dieselbe jederzeit mit
Gewalt occupiret und behauptet habe.

Gedult.

Die Gedult richtet bey den Pferden eben dasselbe
aus/ was sie bey den Menschen würcket/ wo bey einem
Pferde ein immerwährende durchgehende Gedult
angeerbet oder angewehnet ist/ kan ein jede wol appli-
cirte Straffe ihre gewisse Frucht und Nutzen brin-
gen. Nun ist aber bey den Pferden/ wie bey den
Menschen des Leidens vielerley/ welches alles die Ge-
dult erfordert/ denn in Kranckheiten könnten alle Men-
schen wol ein schönen Lehr-Spiegel an den nothley-
den Pferden sehen/ was sie vor Schmertzen von stren-
gen Artzney-Mitteln/ und derselben gewaltsamen Ap-
plication mit höchster Gedult ertragen: Bey der
Wartung/ vielmehr aber/ bey der Abrichtung wird ih-
nen fast unzehliches Ungemach/ vom Schlagen/
Stossen/ Spornaten: Jtem/ von allerley scharffen
Zeug schmertzlichen Würckungen aufgeleget/ welches
alles die gemeine Gedult überwinden muß. Jn der
Abrichtung sonderlich und in Applicirung der Artz-
ney-Mittel/ und im Beschlagen nnd Wartung/ wird
man/ ohne diese wolversicherte Eigenschafft/ wenig gu-
tes ausrichten können.

Freund- und Leutselig.

Freundlich und liebliches Gesicht ist bey den Pfer-
den eine Anzeigung ihrer Liebe/ wie geneiget sie seyn/
des Reuters oder Herrn Willen zuvollbringen/ wie
sie dann auch im Gegentheil so sauere finstere Gesich-
ter machen/ und die mit ihnen umbgehen/ so übel anse-
hen können/ daß man ihr widrige Bezeigungen und
Vorhaben gleicher Gestalt bald abnehmen kan/ wo-
bey die Wissenschafft deren viel praestiren kan/ welche
sich auff den Unterschied der Physiognomie/ und de-
ren Kennzeichen oder Würckungen verstehen.

Begierde/ Hitz.

Begierd und hitzige Bezeigungen seyn zwar an
etlichen Pferden mehr beschwerlich als annehmlich zu
vertragen/ sonderlich 1 etlichen Personen/ welche ihrer
Zuständ halber dasselbe Ungemach nicht wol ausste-
hen können/ sonderlich wann es fort und fort währet/
2. welche dasselbe nicht zuverbessern wissen.

Gefährlich ists auch mit solchen Pferden in un-
terschiedlichen Geschäfften umzugehen/ weil sie leicht-
lich übersehen werden/ daß sie im durchgehen/ oder an-
dern flüchtigen Handlungen grosses Unglück anstel-
len können: beyde diese können keinen bessern Rath
finden/ als sich solcher Pferde nach Müglichkeit zu
enthalten. Denn wie es nicht ein gemeines/ sondern
vielmehr geheimes Meister-oder Kunststück ist/ sich

solcher
K 3

Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] Reuter vor allen andern 1. auch darinnen genieſſen
und in Haͤnden haben/ indem ihre Pferde dasjenige
als ein eigenthuͤmliche Eigenſchafft der Natur beſi-
tzen/ worzu andere aus Verhinderung der Natur/
manglender Kraͤffte des Gemuͤths und Leibs nicht zu-
bringen/ weil ſie deren nicht faͤhig und theilhafftig
ſind. 2. Weil auch dieſe Bezeigung ſo gar bey den
Pferden (welche dieſe Eigenſchafft von Natur an ſich
haben) durch das ſubtileſte Appogio des Zaums un-
terhalten werden muß/ welches wiederum allein bey
der guten Geſtalt/ darinnen das Pferd mit Kopff
und Halß gehet/) zu ſuchen und anzutreffen iſt/ deren
keine andere Pferd durchgehends/ ſo viel als die Spa-
niſche und Jtaliaͤniſche/ mit ſich auff die Welt brin-
gen: Weil ſie von der Natur in ſolche gute Geſtalt
(und ſo zu reden) in den Zaum gewachſen ſeyn/ daß
ſie demſelben nicht widerſtreben koͤnnen/ wo ſie gleich
wolten/ ſondern ſo lang durch das daraus entſtehende
gerechte Appogio leiß abzuhalten ſeyn/ als ſie mit boͤſer
Zaͤumung unverdorben bleiben: So iſt auch ihren
Reutern um ſo viel leichter ſolche ihre von der Natur
wol gezaumte Pferde in dieſer hohen Bezeigung inn-
zuhalten/ daß ſie auf einer Stell/ und dabey hochtra-
ben koͤnnen und muͤſſen.

Hergegen aber befindet ſich der Mangel der guten
Geſtalt (in Ertragung Kopffs und Halſes) bey den
andern Pferden durchgehends/ worauß denn das un-
maͤſſige Appogio bey den Teutſchen/ das gar zu weni-
ge bey den hitzigen Barbariſchen Pferden erfolget/
daß ſie nicht genug inngehalten werden/ und ſie in
ſolcher rechten unirten Bezeigung beſtaͤndig verblei-
ben/ wo ſie zugleich die uͤbrige Eigenſchafften darzu
kommen lieſſen/ oder erlernen koͤnnten. Dann wie
der Schul-Schritt und Trab allein in die-
ſem unterſchieden iſt/ daß der gemeine wol fortkom-
men/ mit wol geſtreckten Schenckeln weit vorgreiffen
und avanziren ſolle: So beſtehet deß hohen Schul-
Schritts und Trabs Perfection und Verkuͤrtzung/
in dem langſamen hoch hebenden/ wolbiegenden uñ
zuruͤckbleibend oder ſetzenden Schenckeln; bedarffs
alſo nicht mehr ein ſolches wolgerichtes hoch-oder
kurtztrabendes Pferd zu verderben/ und ein gemeines
Pferd dar auß zumachen (welches ſie Paß gehen ge-
nennet haben wollen) als daß man ihm entweder den
Zaum zuviel verhaͤnge/ wann es wolgezaumet und
leicht einzuhalten iſt/ oder aber/ da es ſich von dem
Zaum nicht inhalten laͤſt/ und geſchwinder forteylet/
als die Vollkommenheit dieſer Schul zulaͤſſet/ den
Zaum uͤberwinde und andringe; So kan es auſſer
des rechten Zaums Gehorſam nimmermehr in dem
Schul-Schritt oder Trab/ ſondern allein in dem ge-
ſchwinden zapplenden Paß geritten werden: und iſt
der Sachen damit gar nichts geholffen/ wie hoch ein
Pferd die vordern Schenckel auffheben moͤchte/ wañ
es dabey geſchwinder fortgehet/ als es ſeyn ſolle. So
wird es doch kein andere Bezeigung/ als die ſo geneñ-
ten gemeinen Bauern-Paßgeher machen koͤnnnen.

Was die Scribenten von des Bucephali Ambi-
tion erwehnen/ daß er allein in ſeinem hoͤchſten
Schmuck und ſchoͤnen Pferde-Zeug die praͤchtigſte
Geberden und Bezeigung gebrauchet und gepranget/
auch keinen andern als den rechten Herrn auff ſich
[Spaltenumbruch] kommen laſſen/ wann er ſolche Kleidung getragen/
auſſer dem aber allein deſſen Schmidt auffſitzen/ oder
auff ihm reiten laſſen: deßgleichen auch Aſturcus ge-
gen ſeinem Kayſer Julio Cæſare gethan: ſolches be-
zeuget der Pommeriſche Secretarius Friedeboren/ in
ſeiner Stetiniſchen Chronica von einem ſeines Fuͤr-
ſten Leib-Roß/ mit dieſem Zuſatz/ daß es unter ſeinem
Warter gantz ſchlaͤfferig fortgegangen/ und in dem
Stall keinem andern Pferd die oberſte Stell laſſen
wollen/ ſondern ſich loß machend/ dieſelbe jederzeit mit
Gewalt occupiret und behauptet habe.

Gedult.

Die Gedult richtet bey den Pferden eben daſſelbe
aus/ was ſie bey den Menſchen wuͤrcket/ wo bey einem
Pferde ein immerwaͤhrende durchgehende Gedult
angeerbet oder angewehnet iſt/ kan ein jede wol appli-
cirte Straffe ihre gewiſſe Frucht und Nutzen brin-
gen. Nun iſt aber bey den Pferden/ wie bey den
Menſchen des Leidens vielerley/ welches alles die Ge-
dult erfordert/ deñ in Kranckheiten koͤnnten alle Men-
ſchen wol ein ſchoͤnen Lehr-Spiegel an den nothley-
den Pferden ſehen/ was ſie vor Schmertzen von ſtren-
gen Artzney-Mitteln/ und derſelben gewaltſamen Ap-
plication mit hoͤchſter Gedult ertragen: Bey der
Wartung/ vielmehr aber/ bey der Abrichtung wird ih-
nen faſt unzehliches Ungemach/ vom Schlagen/
Stoſſen/ Spornaten: Jtem/ von allerley ſcharffen
Zeug ſchmertzlichen Wuͤrckungen aufgeleget/ welches
alles die gemeine Gedult uͤberwinden muß. Jn der
Abrichtung ſonderlich und in Applicirung der Artz-
ney-Mittel/ und im Beſchlagen nnd Wartung/ wird
man/ ohne dieſe wolverſicherte Eigenſchafft/ wenig gu-
tes ausrichten koͤnnen.

Freund- und Leutſelig.

Freundlich und liebliches Geſicht iſt bey den Pfer-
den eine Anzeigung ihrer Liebe/ wie geneiget ſie ſeyn/
des Reuters oder Herrn Willen zuvollbringen/ wie
ſie dann auch im Gegentheil ſo ſauere finſtere Geſich-
ter machen/ und die mit ihnen umbgehen/ ſo uͤbel anſe-
hen koͤnnen/ daß man ihr widrige Bezeigungen und
Vorhaben gleicher Geſtalt bald abnehmen kan/ wo-
bey die Wiſſenſchafft deren viel præſtiren kan/ welche
ſich auff den Unterſchied der Phyſiognomie/ und de-
ren Kennzeichen oder Wuͤrckungen verſtehen.

Begierde/ Hitz.

Begierd und hitzige Bezeigungen ſeyn zwar an
etlichen Pferden mehr beſchwerlich als annehmlich zu
vertragen/ ſonderlich 1 etlichen Perſonen/ welche ihrer
Zuſtaͤnd halber daſſelbe Ungemach nicht wol ausſte-
hen koͤnnen/ ſonderlich wann es fort und fort waͤhret/
2. welche daſſelbe nicht zuverbeſſern wiſſen.

Gefaͤhrlich iſts auch mit ſolchen Pferden in un-
terſchiedlichen Geſchaͤfften umzugehen/ weil ſie leicht-
lich uͤberſehen werden/ daß ſie im durchgehen/ oder an-
dern fluͤchtigen Handlungen groſſes Ungluͤck anſtel-
len koͤnnen: beyde dieſe koͤnnen keinen beſſern Rath
finden/ als ſich ſolcher Pferde nach Muͤglichkeit zu
enthalten. Denn wie es nicht ein gemeines/ ſondern
vielmehr geheimes Meiſter-oder Kunſtſtuͤck iſt/ ſich

ſolcher
K 3
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[77/0083] Pferde-Schatz. Reuter vor allen andern 1. auch darinnen genieſſen und in Haͤnden haben/ indem ihre Pferde dasjenige als ein eigenthuͤmliche Eigenſchafft der Natur beſi- tzen/ worzu andere aus Verhinderung der Natur/ manglender Kraͤffte des Gemuͤths und Leibs nicht zu- bringen/ weil ſie deren nicht faͤhig und theilhafftig ſind. 2. Weil auch dieſe Bezeigung ſo gar bey den Pferden (welche dieſe Eigenſchafft von Natur an ſich haben) durch das ſubtileſte Appogio des Zaums un- terhalten werden muß/ welches wiederum allein bey der guten Geſtalt/ darinnen das Pferd mit Kopff und Halß gehet/) zu ſuchen und anzutreffen iſt/ deren keine andere Pferd durchgehends/ ſo viel als die Spa- niſche und Jtaliaͤniſche/ mit ſich auff die Welt brin- gen: Weil ſie von der Natur in ſolche gute Geſtalt (und ſo zu reden) in den Zaum gewachſen ſeyn/ daß ſie demſelben nicht widerſtreben koͤnnen/ wo ſie gleich wolten/ ſondern ſo lang durch das daraus entſtehende gerechte Appogio leiß abzuhalten ſeyn/ als ſie mit boͤſer Zaͤumung unverdorben bleiben: So iſt auch ihren Reutern um ſo viel leichter ſolche ihre von der Natur wol gezaumte Pferde in dieſer hohen Bezeigung inn- zuhalten/ daß ſie auf einer Stell/ und dabey hochtra- ben koͤnnen und muͤſſen. Hergegen aber befindet ſich der Mangel der guten Geſtalt (in Ertragung Kopffs und Halſes) bey den andern Pferden durchgehends/ worauß denn das un- maͤſſige Appogio bey den Teutſchen/ das gar zu weni- ge bey den hitzigen Barbariſchen Pferden erfolget/ daß ſie nicht genug inngehalten werden/ und ſie in ſolcher rechten unirten Bezeigung beſtaͤndig verblei- ben/ wo ſie zugleich die uͤbrige Eigenſchafften darzu kommen lieſſen/ oder erlernen koͤnnten. Dann wie der Schul-Schritt und Trab allein in die- ſem unterſchieden iſt/ daß der gemeine wol fortkom- men/ mit wol geſtreckten Schenckeln weit vorgreiffen und avanziren ſolle: So beſtehet deß hohen Schul- Schritts und Trabs Perfection und Verkuͤrtzung/ in dem langſamen hoch hebenden/ wolbiegenden uñ zuruͤckbleibend oder ſetzenden Schenckeln; bedarffs alſo nicht mehr ein ſolches wolgerichtes hoch-oder kurtztrabendes Pferd zu verderben/ und ein gemeines Pferd dar auß zumachen (welches ſie Paß gehen ge- nennet haben wollen) als daß man ihm entweder den Zaum zuviel verhaͤnge/ wann es wolgezaumet und leicht einzuhalten iſt/ oder aber/ da es ſich von dem Zaum nicht inhalten laͤſt/ und geſchwinder forteylet/ als die Vollkommenheit dieſer Schul zulaͤſſet/ den Zaum uͤberwinde und andringe; So kan es auſſer des rechten Zaums Gehorſam nimmermehr in dem Schul-Schritt oder Trab/ ſondern allein in dem ge- ſchwinden zapplenden Paß geritten werden: und iſt der Sachen damit gar nichts geholffen/ wie hoch ein Pferd die vordern Schenckel auffheben moͤchte/ wañ es dabey geſchwinder fortgehet/ als es ſeyn ſolle. So wird es doch kein andere Bezeigung/ als die ſo geneñ- ten gemeinen Bauern-Paßgeher machen koͤnnnen. Was die Scribenten von des Bucephali Ambi- tion erwehnen/ daß er allein in ſeinem hoͤchſten Schmuck und ſchoͤnen Pferde-Zeug die praͤchtigſte Geberden und Bezeigung gebrauchet und gepranget/ auch keinen andern als den rechten Herrn auff ſich kommen laſſen/ wann er ſolche Kleidung getragen/ auſſer dem aber allein deſſen Schmidt auffſitzen/ oder auff ihm reiten laſſen: deßgleichen auch Aſturcus ge- gen ſeinem Kayſer Julio Cæſare gethan: ſolches be- zeuget der Pommeriſche Secretarius Friedeboren/ in ſeiner Stetiniſchen Chronica von einem ſeines Fuͤr- ſten Leib-Roß/ mit dieſem Zuſatz/ daß es unter ſeinem Warter gantz ſchlaͤfferig fortgegangen/ und in dem Stall keinem andern Pferd die oberſte Stell laſſen wollen/ ſondern ſich loß machend/ dieſelbe jederzeit mit Gewalt occupiret und behauptet habe. Gedult. Die Gedult richtet bey den Pferden eben daſſelbe aus/ was ſie bey den Menſchen wuͤrcket/ wo bey einem Pferde ein immerwaͤhrende durchgehende Gedult angeerbet oder angewehnet iſt/ kan ein jede wol appli- cirte Straffe ihre gewiſſe Frucht und Nutzen brin- gen. Nun iſt aber bey den Pferden/ wie bey den Menſchen des Leidens vielerley/ welches alles die Ge- dult erfordert/ deñ in Kranckheiten koͤnnten alle Men- ſchen wol ein ſchoͤnen Lehr-Spiegel an den nothley- den Pferden ſehen/ was ſie vor Schmertzen von ſtren- gen Artzney-Mitteln/ und derſelben gewaltſamen Ap- plication mit hoͤchſter Gedult ertragen: Bey der Wartung/ vielmehr aber/ bey der Abrichtung wird ih- nen faſt unzehliches Ungemach/ vom Schlagen/ Stoſſen/ Spornaten: Jtem/ von allerley ſcharffen Zeug ſchmertzlichen Wuͤrckungen aufgeleget/ welches alles die gemeine Gedult uͤberwinden muß. Jn der Abrichtung ſonderlich und in Applicirung der Artz- ney-Mittel/ und im Beſchlagen nnd Wartung/ wird man/ ohne dieſe wolverſicherte Eigenſchafft/ wenig gu- tes ausrichten koͤnnen. Freund- und Leutſelig. Freundlich und liebliches Geſicht iſt bey den Pfer- den eine Anzeigung ihrer Liebe/ wie geneiget ſie ſeyn/ des Reuters oder Herrn Willen zuvollbringen/ wie ſie dann auch im Gegentheil ſo ſauere finſtere Geſich- ter machen/ und die mit ihnen umbgehen/ ſo uͤbel anſe- hen koͤnnen/ daß man ihr widrige Bezeigungen und Vorhaben gleicher Geſtalt bald abnehmen kan/ wo- bey die Wiſſenſchafft deren viel præſtiren kan/ welche ſich auff den Unterſchied der Phyſiognomie/ und de- ren Kennzeichen oder Wuͤrckungen verſtehen. Begierde/ Hitz. Begierd und hitzige Bezeigungen ſeyn zwar an etlichen Pferden mehr beſchwerlich als annehmlich zu vertragen/ ſonderlich 1 etlichen Perſonen/ welche ihrer Zuſtaͤnd halber daſſelbe Ungemach nicht wol ausſte- hen koͤnnen/ ſonderlich wann es fort und fort waͤhret/ 2. welche daſſelbe nicht zuverbeſſern wiſſen. Gefaͤhrlich iſts auch mit ſolchen Pferden in un- terſchiedlichen Geſchaͤfften umzugehen/ weil ſie leicht- lich uͤberſehen werden/ daß ſie im durchgehen/ oder an- dern fluͤchtigen Handlungen groſſes Ungluͤck anſtel- len koͤnnen: beyde dieſe koͤnnen keinen beſſern Rath finden/ als ſich ſolcher Pferde nach Muͤglichkeit zu enthalten. Denn wie es nicht ein gemeines/ ſondern vielmehr geheimes Meiſter-oder Kunſtſtuͤck iſt/ ſich ſolcher K 3

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Zitationshilfe: Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/83>, abgerufen am 21.12.2024.