Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Die Reimschmiede-Kunst etc. zusammen schicken; und wenn also gleich dieWörter sich reimen, mag doch wol ein unge- reimter Gedanke dahinter verborgen liegen. 2. Anmerkung. § 25. Ehe wir sollten einen guten Reim fah- Jch darf vor dir gar nicht erröthen, Du bist ein Wetzstein meiner Flöten. 3. Anmerkung. § 26. Wenn der Reim hochtrabend klingt, dem
Die Reimſchmiede-Kunſt ꝛc. zuſammen ſchicken; und wenn alſo gleich dieWoͤrter ſich reimen, mag doch wol ein unge- reimter Gedanke dahinter verborgen liegen. 2. Anmerkung. § 25. Ehe wir ſollten einen guten Reim fah- Jch darf vor dir gar nicht erroͤthen, Du biſt ein Wetzſtein meiner Floͤten. 3. Anmerkung. § 26. Wenn der Reim hochtrabend klingt, dem
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Die Reimſchmiede-Kunſt ꝛc.
zuſammen ſchicken; und wenn alſo gleich die
Woͤrter ſich reimen, mag doch wol ein unge-
reimter Gedanke dahinter verborgen liegen.
2. Anmerkung.
§ 25. Ehe wir ſollten einen guten Reim fah-
ren laſſen, ehe muß ſich der Gedanke nach dem
Reime dehnen und zerren laſſen, ſollte auch
ein falſcher Gedanke herauskommen. Jch ver-
ſtehe hier durch falſche Gedanken nicht ſowol
die logice irrig ſind, ſondern unrecht ange-
bracht ſind. Z. E. eine Schleif-Muͤhle wetzet;
aber eine Floͤte auf die Schleif-Muͤhle zu brin-
gen, und ſolche drauf zu wetzen, wird von den
neuen Poeten fuͤr einen falſchen Gedanken ge-
halten. Wir aber duͤrfen ſicher alſo reimen:
Jch darf vor dir gar nicht erroͤthen,
Du biſt ein Wetzſtein meiner Floͤten.
3. Anmerkung.
§ 26. Wenn der Reim hochtrabend klingt,
der Gedanke aber abgeſchmackt iſt: So iſt
ſolches recht froſchmaͤusleriſch gereimt. Die
neuen Poeten nennen es: Phoͤbus und Gali-
mathias; welche Woͤrter uns als kauderwelſch
vorkommen. Aber wie der Froſch einen Satz,
und die Maus einen Sprung thut: Alſo thut
ein poetiſcher Froſch gewaltige Saͤtze. Er
huͤpft vom Berge Libanon bis ins Thal Achor.
Eine poetiſche Maus aber macht treffliche
Spruͤnge, und faͤngt bey der Archa Noaͤh an;
ehe man ſichs aber verſieht, iſt ſie ſchon bey
dem
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Zitationshilfe: | Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/38>, abgerufen am 03.03.2025. |