Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

zuzulegen, welche sich darstellen mit dem Charakter der Em¬
pfindung und des Willens."

Calmeil würdigt aber Legallois' Verdienst durch folgende
Worte:

"Legallois, begabt mit dem Genie der Inductionen wie
der Erfahrung, hat sich wohl gehütet, der Irritabilität die re¬
gelmässigen Bewegungen zuzuschreiben, welche er bei des Hirns
beraubten Thieren beobachtete. Auch war er bemüht, die be¬
stehende Theorie zu bekämpfen. Aber das Andenken Legal¬
lois'
ist ungerechter Weise von seinen Gegnern in Schatten ge¬
drängt; seine Meinungen sind in Misscredit gekommen und der
Irrthum hat obgesiegt."

Es würde zu weitläufig sein, weiter noch die ähnlichen
Meinungen von Autoren verbo tenus aufzuführen, weshalb Die¬
ses genügen möge, um dem Leser zu zeigen, dass sehr begabte
Geister keineswegs den Ansichten der neueren physiologischen
Schule huldigen, da diese dem Rückenmarke absolut alle sen¬
sorische Function abspricht. (S. noch: A. Desmoulins, Ex¬
position succincte du developpement et des fonctions du systeme
cerebro-spinal. Dans Archives generales de Medecine. Vol. II.
p. 242 - 243. 1823. -- Ollivier, Traite la moelle epiniere.
Paris 1827. p. 96. -- Lallemand, Observations pathologiques
propres a eclairer la physiologie. Paris 1825. p. 561. -- Bo¬
stocks
Elementary System of Physiology. Vol. I. London 1824.
p. 263. -- Nasse's Untersuchungen zur Physiologie und Patho¬
logie. Bonn 1839. p. 246 - 290. -- Volkmann in Müller's Ar¬
chiv für Physiologie etc. von 1838 p. 15. etc. etc.)

Es haben sich indessen viele Stimmen gegen die bisher
entwickelten Ansichten erhoben und früh schon war Gilbert
Blane bedacht, dieselben zu widerlegen, indem er sagt:

"Es giebt Erfahrungen, welche zeigen, dass instinktartige
Handlungen selbst in Thieren, die ein Gehirn und Nerven ha¬
ben, nicht von Empfindung abhängen. Ich durchschnitt einem
lebenden ein paar Tage alten Kätzchen das Halsmark. Als dann
die Hinterpfoten desselben durch Stechen und Berühren mit

zuzulegen, welche sich darstellen mit dem Charakter der Em¬
pfindung und des Willens.“

Calmeil würdigt aber Legallois' Verdienst durch folgende
Worte:

Legallois, begabt mit dem Genie der Inductionen wie
der Erfahrung, hat sich wohl gehütet, der Irritabilität die re¬
gelmässigen Bewegungen zuzuschreiben, welche er bei des Hirns
beraubten Thieren beobachtete. Auch war er bemüht, die be¬
stehende Theorie zu bekämpfen. Aber das Andenken Legal¬
lois'
ist ungerechter Weise von seinen Gegnern in Schatten ge¬
drängt; seine Meinungen sind in Misscredit gekommen und der
Irrthum hat obgesiegt.“

Es würde zu weitläufig sein, weiter noch die ähnlichen
Meinungen von Autoren verbo tenus aufzuführen, weshalb Die¬
ses genügen möge, um dem Leser zu zeigen, dass sehr begabte
Geister keineswegs den Ansichten der neueren physiologischen
Schule huldigen, da diese dem Rückenmarke absolut alle sen¬
sorische Function abspricht. (S. noch: A. Desmoulins, Ex¬
position succincte du développement et des fonctions du système
cérébro-spinal. Dans Archives générales de Médecine. Vol. II.
p. 242 – 243. 1823. — Ollivier, Traité la moêlle épinière.
Paris 1827. p. 96. — Lallemand, Observations pathologiques
propres à éclairer la physiologie. Paris 1825. p. 561. — Bo¬
stocks
Elementary System of Physiology. Vol. I. London 1824.
p. 263. — Nasse's Untersuchungen zur Physiologie und Patho¬
logie. Bonn 1839. p. 246 – 290. — Volkmann in Müller's Ar¬
chiv für Physiologie etc. von 1838 p. 15. etc. etc.)

Es haben sich indessen viele Stimmen gegen die bisher
entwickelten Ansichten erhoben und früh schon war Gilbert
Blane bedacht, dieselben zu widerlegen, indem er sagt:

„Es giebt Erfahrungen, welche zeigen, dass instinktartige
Handlungen selbst in Thieren, die ein Gehirn und Nerven ha¬
ben, nicht von Empfindung abhängen. Ich durchschnitt einem
lebenden ein paar Tage alten Kätzchen das Halsmark. Als dann
die Hinterpfoten desselben durch Stechen und Berühren mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="9"/>
zuzulegen, welche sich darstellen mit dem Charakter der Em¬<lb/>
pfindung und des Willens.&#x201C;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Calmeil</hi> würdigt aber <hi rendition="#g">Legallois'</hi> Verdienst durch folgende<lb/>
Worte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#g">Legallois</hi>, begabt mit dem Genie der Inductionen wie<lb/>
der Erfahrung, hat sich wohl gehütet, der Irritabilität die re¬<lb/>
gelmässigen Bewegungen zuzuschreiben, welche er bei des Hirns<lb/>
beraubten Thieren beobachtete. Auch war er bemüht, die be¬<lb/>
stehende Theorie zu bekämpfen. Aber das Andenken <hi rendition="#g">Legal¬<lb/>
lois'</hi> ist ungerechter Weise von seinen Gegnern in Schatten ge¬<lb/>
drängt; seine Meinungen sind in Misscredit gekommen und der<lb/>
Irrthum hat obgesiegt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es würde zu weitläufig sein, weiter noch die ähnlichen<lb/>
Meinungen von Autoren verbo tenus aufzuführen, weshalb Die¬<lb/>
ses genügen möge, um dem Leser zu zeigen, dass sehr begabte<lb/>
Geister keineswegs den Ansichten der neueren physiologischen<lb/>
Schule huldigen, da diese dem Rückenmarke absolut alle sen¬<lb/>
sorische Function abspricht. (S. noch: A. <hi rendition="#g">Desmoulins</hi>, Ex¬<lb/>
position succincte du développement et des fonctions du système<lb/>
cérébro-spinal. Dans Archives générales de Médecine. Vol. II.<lb/>
p. 242 &#x2013; 243. 1823. &#x2014; <hi rendition="#g">Ollivier</hi>, Traité la moêlle épinière.<lb/>
Paris 1827. p. 96. &#x2014; <hi rendition="#g">Lallemand</hi>, Observations pathologiques<lb/>
propres à éclairer la physiologie. Paris 1825. p. 561. &#x2014; <hi rendition="#g">Bo¬<lb/>
stocks</hi> Elementary System of Physiology. Vol. I. London 1824.<lb/>
p. 263. &#x2014; <hi rendition="#g">Nasse's</hi> Untersuchungen zur Physiologie und Patho¬<lb/>
logie. Bonn 1839. p. 246 &#x2013; 290. &#x2014; <hi rendition="#g">Volkmann</hi> in Müller's Ar¬<lb/>
chiv für Physiologie etc. von 1838 p. 15. etc. etc.)</p><lb/>
        <p>Es haben sich indessen viele Stimmen gegen die bisher<lb/>
entwickelten Ansichten erhoben und früh schon war Gilbert<lb/><hi rendition="#g">Blane</hi> bedacht, dieselben zu widerlegen, indem er sagt:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es giebt Erfahrungen, welche zeigen, dass instinktartige<lb/>
Handlungen selbst in Thieren, die ein Gehirn und Nerven ha¬<lb/>
ben, nicht von Empfindung abhängen. Ich durchschnitt einem<lb/>
lebenden ein paar Tage alten Kätzchen das Halsmark. Als dann<lb/>
die Hinterpfoten desselben durch Stechen und Berühren mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0031] zuzulegen, welche sich darstellen mit dem Charakter der Em¬ pfindung und des Willens.“ Calmeil würdigt aber Legallois' Verdienst durch folgende Worte: „Legallois, begabt mit dem Genie der Inductionen wie der Erfahrung, hat sich wohl gehütet, der Irritabilität die re¬ gelmässigen Bewegungen zuzuschreiben, welche er bei des Hirns beraubten Thieren beobachtete. Auch war er bemüht, die be¬ stehende Theorie zu bekämpfen. Aber das Andenken Legal¬ lois' ist ungerechter Weise von seinen Gegnern in Schatten ge¬ drängt; seine Meinungen sind in Misscredit gekommen und der Irrthum hat obgesiegt.“ Es würde zu weitläufig sein, weiter noch die ähnlichen Meinungen von Autoren verbo tenus aufzuführen, weshalb Die¬ ses genügen möge, um dem Leser zu zeigen, dass sehr begabte Geister keineswegs den Ansichten der neueren physiologischen Schule huldigen, da diese dem Rückenmarke absolut alle sen¬ sorische Function abspricht. (S. noch: A. Desmoulins, Ex¬ position succincte du développement et des fonctions du système cérébro-spinal. Dans Archives générales de Médecine. Vol. II. p. 242 – 243. 1823. — Ollivier, Traité la moêlle épinière. Paris 1827. p. 96. — Lallemand, Observations pathologiques propres à éclairer la physiologie. Paris 1825. p. 561. — Bo¬ stocks Elementary System of Physiology. Vol. I. London 1824. p. 263. — Nasse's Untersuchungen zur Physiologie und Patho¬ logie. Bonn 1839. p. 246 – 290. — Volkmann in Müller's Ar¬ chiv für Physiologie etc. von 1838 p. 15. etc. etc.) Es haben sich indessen viele Stimmen gegen die bisher entwickelten Ansichten erhoben und früh schon war Gilbert Blane bedacht, dieselben zu widerlegen, indem er sagt: „Es giebt Erfahrungen, welche zeigen, dass instinktartige Handlungen selbst in Thieren, die ein Gehirn und Nerven ha¬ ben, nicht von Empfindung abhängen. Ich durchschnitt einem lebenden ein paar Tage alten Kätzchen das Halsmark. Als dann die Hinterpfoten desselben durch Stechen und Berühren mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/31
Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/31>, abgerufen am 26.04.2024.