Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Sylvia. Das denk ich -- du glaubst nicht,
wie mich das Kind dauert, sag' ihm doch, es soll
nicht fehlen, und zu mir in das Schloß kommen,
ich wolle ihm etwas schenken, das es freuen werde,
weil es so unschuldig habe leiden müssen. --

Auch das versprach die Speckmolchin auszu-
richten.

Aber Sylvia sahe, daß der Schatten vom Wald
gegen sie kam, und fieng an zu denken, es sey doch
besser, bey Tage heim zu gehen. --

Auch das Weib nahm ihren Korb auf den
Kopf, und sagte, geht ihr izt so allein heim, und
ist noch so weit?



§. 17.
Dünkts dich lustig Nachbar? Gut! aber
behaupte nicht, daß gar kein Hang zur
Grausamkeit in der menschlichen Na-
tur liege! --

Sie hätte izt wohl gern jemand bey sich gehabt,
sah sich auch links und rechts um, ob jemand auf
dem Weg sey, aber es war alles todt und still um
sie her wie die Nacht -- und sie das Erstemal auf

Sylvia. Das denk ich — du glaubſt nicht,
wie mich das Kind dauert, ſag' ihm doch, es ſoll
nicht fehlen, und zu mir in das Schloß kommen,
ich wolle ihm etwas ſchenken, das es freuen werde,
weil es ſo unſchuldig habe leiden muͤſſen. —

Auch das verſprach die Speckmolchin auszu-
richten.

Aber Sylvia ſahe, daß der Schatten vom Wald
gegen ſie kam, und fieng an zu denken, es ſey doch
beſſer, bey Tage heim zu gehen. —

Auch das Weib nahm ihren Korb auf den
Kopf, und ſagte, geht ihr izt ſo allein heim, und
iſt noch ſo weit?



§. 17.
Duͤnkts dich luſtig Nachbar? Gut! aber
behaupte nicht, daß gar kein Hang zur
Grauſamkeit in der menſchlichen Na-
tur liege! —

Sie haͤtte izt wohl gern jemand bey ſich gehabt,
ſah ſich auch links und rechts um, ob jemand auf
dem Weg ſey, aber es war alles todt und ſtill um
ſie her wie die Nacht — und ſie das Erſtemal auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0084" n="66"/>
        <p><hi rendition="#g">Sylvia</hi>. Das denk ich &#x2014; du glaub&#x017F;t nicht,<lb/>
wie mich das Kind dauert, &#x017F;ag' ihm doch, es &#x017F;oll<lb/>
nicht fehlen, und zu mir in das Schloß kommen,<lb/>
ich wolle ihm etwas &#x017F;chenken, das es freuen werde,<lb/>
weil es &#x017F;o un&#x017F;chuldig habe leiden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Auch das ver&#x017F;prach die Speckmolchin auszu-<lb/>
richten.</p><lb/>
        <p>Aber Sylvia &#x017F;ahe, daß der Schatten vom Wald<lb/>
gegen &#x017F;ie kam, und fieng an zu denken, es &#x017F;ey doch<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er, bey Tage heim zu gehen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Auch das Weib nahm ihren Korb auf den<lb/>
Kopf, und &#x017F;agte, geht ihr izt &#x017F;o allein heim, und<lb/>
i&#x017F;t noch &#x017F;o weit?</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">§. 17.<lb/>
Du&#x0364;nkts dich lu&#x017F;tig Nachbar? Gut! aber<lb/>
behaupte nicht, daß gar kein Hang zur<lb/>
Grau&#x017F;amkeit in der men&#x017F;chlichen Na-<lb/>
tur liege! &#x2014;</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>ie ha&#x0364;tte izt wohl gern jemand bey &#x017F;ich gehabt,<lb/>
&#x017F;ah &#x017F;ich auch links und rechts um, ob jemand auf<lb/>
dem Weg &#x017F;ey, aber es war alles todt und &#x017F;till um<lb/>
&#x017F;ie her wie die Nacht &#x2014; und &#x017F;ie das Er&#x017F;temal auf<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0084] Sylvia. Das denk ich — du glaubſt nicht, wie mich das Kind dauert, ſag' ihm doch, es ſoll nicht fehlen, und zu mir in das Schloß kommen, ich wolle ihm etwas ſchenken, das es freuen werde, weil es ſo unſchuldig habe leiden muͤſſen. — Auch das verſprach die Speckmolchin auszu- richten. Aber Sylvia ſahe, daß der Schatten vom Wald gegen ſie kam, und fieng an zu denken, es ſey doch beſſer, bey Tage heim zu gehen. — Auch das Weib nahm ihren Korb auf den Kopf, und ſagte, geht ihr izt ſo allein heim, und iſt noch ſo weit? §. 17. Duͤnkts dich luſtig Nachbar? Gut! aber behaupte nicht, daß gar kein Hang zur Grauſamkeit in der menſchlichen Na- tur liege! — Sie haͤtte izt wohl gern jemand bey ſich gehabt, ſah ſich auch links und rechts um, ob jemand auf dem Weg ſey, aber es war alles todt und ſtill um ſie her wie die Nacht — und ſie das Erſtemal auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/84
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/84>, abgerufen am 21.11.2024.