§. 59. Wodurch Arner das Volk vor dem Aber- glauben bewahrt.
Arner kannte diesen Sinn der Pfafheit -- und sönderte den Endzweck der Kopfsbildung von dem Endzweck des Religions-Unterrichts. --
Er fand, der lezte sey nun einmal lang ge- nug zu dem misbraucht worden, wozu er nicht taugt.
Er trennte die Gottsgelehrtheit vom Volks- Unterricht, in so fern er Kopfübung und bürgerli- che Geistesbildung seyn soll, und wollte sein gutes Volk durch den Katechismuskram, über die Lehr- sätze der schwierigsten aller Wissenschaften, nicht zum Dienst der Pfafheit so dumm und anmaßlich machen, als alle Völker der Erde, vom Strande des Indus bis zu den beyden Polen, zum Dienst der Pfafheit anmaßlich und dumm werden müssen, wenn man die Grundlage ihrer Kopfbildung und Geistesrichtung durch die Erklärung ihrer Religions- lehre erzielen will. --
Alles Wissentschaftliche in der Religion ist menschlich, und eine eigentliche Kunstsache. Ken- ner sind Richter -- und es ist Gefährde und Ver-
§. 59. Wodurch Arner das Volk vor dem Aber- glauben bewahrt.
Arner kannte dieſen Sinn der Pfafheit — und ſoͤnderte den Endzweck der Kopfsbildung von dem Endzweck des Religions-Unterrichts. —
Er fand, der lezte ſey nun einmal lang ge- nug zu dem misbraucht worden, wozu er nicht taugt.
Er trennte die Gottsgelehrtheit vom Volks- Unterricht, in ſo fern er Kopfuͤbung und buͤrgerli- che Geiſtesbildung ſeyn ſoll, und wollte ſein gutes Volk durch den Katechismuskram, uͤber die Lehr- ſaͤtze der ſchwierigſten aller Wiſſenſchaften, nicht zum Dienſt der Pfafheit ſo dumm und anmaßlich machen, als alle Voͤlker der Erde, vom Strande des Indus bis zu den beyden Polen, zum Dienſt der Pfafheit anmaßlich und dumm werden muͤſſen, wenn man die Grundlage ihrer Kopfbildung und Geiſtesrichtung durch die Erklaͤrung ihrer Religions- lehre erzielen will. —
Alles Wiſſentſchaftliche in der Religion iſt menſchlich, und eine eigentliche Kunſtſache. Ken- ner ſind Richter — und es iſt Gefaͤhrde und Ver-
<TEI><text><body><pbfacs="#f0353"n="335"/><divn="1"><head>§. 59.<lb/>
Wodurch Arner das Volk vor dem Aber-<lb/>
glauben bewahrt.</head><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>rner kannte dieſen Sinn der Pfafheit — und<lb/>ſoͤnderte den Endzweck der Kopfsbildung von dem<lb/>
Endzweck des Religions-Unterrichts. —</p><lb/><p>Er fand, der lezte ſey nun einmal lang ge-<lb/>
nug zu dem misbraucht worden, wozu er nicht<lb/>
taugt.</p><lb/><p>Er trennte die Gottsgelehrtheit vom Volks-<lb/>
Unterricht, in ſo fern er Kopfuͤbung und buͤrgerli-<lb/>
che Geiſtesbildung ſeyn ſoll, und wollte ſein gutes<lb/>
Volk durch den Katechismuskram, uͤber die Lehr-<lb/>ſaͤtze der ſchwierigſten aller Wiſſenſchaften, nicht<lb/>
zum Dienſt der Pfafheit ſo dumm und anmaßlich<lb/>
machen, als alle Voͤlker der Erde, vom Strande<lb/>
des Indus bis zu den beyden Polen, zum Dienſt<lb/>
der Pfafheit anmaßlich und dumm werden muͤſſen,<lb/>
wenn man die Grundlage ihrer Kopfbildung und<lb/>
Geiſtesrichtung durch die Erklaͤrung ihrer Religions-<lb/>
lehre erzielen will. —</p><lb/><p>Alles Wiſſentſchaftliche in der Religion iſt<lb/>
menſchlich, und eine eigentliche Kunſtſache. Ken-<lb/>
ner ſind Richter — und es iſt Gefaͤhrde und Ver-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[335/0353]
§. 59.
Wodurch Arner das Volk vor dem Aber-
glauben bewahrt.
Arner kannte dieſen Sinn der Pfafheit — und
ſoͤnderte den Endzweck der Kopfsbildung von dem
Endzweck des Religions-Unterrichts. —
Er fand, der lezte ſey nun einmal lang ge-
nug zu dem misbraucht worden, wozu er nicht
taugt.
Er trennte die Gottsgelehrtheit vom Volks-
Unterricht, in ſo fern er Kopfuͤbung und buͤrgerli-
che Geiſtesbildung ſeyn ſoll, und wollte ſein gutes
Volk durch den Katechismuskram, uͤber die Lehr-
ſaͤtze der ſchwierigſten aller Wiſſenſchaften, nicht
zum Dienſt der Pfafheit ſo dumm und anmaßlich
machen, als alle Voͤlker der Erde, vom Strande
des Indus bis zu den beyden Polen, zum Dienſt
der Pfafheit anmaßlich und dumm werden muͤſſen,
wenn man die Grundlage ihrer Kopfbildung und
Geiſtesrichtung durch die Erklaͤrung ihrer Religions-
lehre erzielen will. —
Alles Wiſſentſchaftliche in der Religion iſt
menſchlich, und eine eigentliche Kunſtſache. Ken-
ner ſind Richter — und es iſt Gefaͤhrde und Ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/353>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.