mehr haben könne, da können noch oft die besten, und die so zu gut sind, zu Hause Schälke zu wer- den, und die Ihrigen mit ihrer Langeweile zu plagen, dahin, daß sie Anlas suchen, wo es lustig geht, und unter gewissen Umständen finden sie die- ses, wenn sie das Dorf hinauf- und hinabgehen nirgends als im Wirthshaus und bey Schelmen. --
§. 44. Volksphilosophie über den Geschlechts- trieb.
Sie behaupteten, es komme hierin gänzlich auf die Erziehung der Töchtern an, so bald sie erzogen werden, als ob sie nichts in der Welt werden müß- ten als schöne Jnngfern, so springen sie in dieser Absicht mit offnen Flügeln und Schaarenweis ih- rem Elend entgegen, wie Hüner, denen man Ha- ber streue, ihrem Fraß, und da sey es dann gleich viel, wenn man die halben Glukthiere den andern vor den Augen bey ihren Fekken (Flügeln) weg- nimmt, würgt, und an den Boden wirft; die andern fressen neben den todten Schwestern fort; und wann man ihnen am Morgen wieder Gluk -- Gluk -- ruft, so kommen sie wieder, lassen sich wieder fangen, würgen, und an Boden werfen -- so gehe es immer, und es sey unmöglich den
mehr haben koͤnne, da koͤnnen noch oft die beſten, und die ſo zu gut ſind, zu Hauſe Schaͤlke zu wer- den, und die Ihrigen mit ihrer Langeweile zu plagen, dahin, daß ſie Anlas ſuchen, wo es luſtig geht, und unter gewiſſen Umſtaͤnden finden ſie die- ſes, wenn ſie das Dorf hinauf- und hinabgehen nirgends als im Wirthshaus und bey Schelmen. —
§. 44. Volksphiloſophie uͤber den Geſchlechts- trieb.
Sie behaupteten, es komme hierin gaͤnzlich auf die Erziehung der Toͤchtern an, ſo bald ſie erzogen werden, als ob ſie nichts in der Welt werden muͤß- ten als ſchoͤne Jnngfern, ſo ſpringen ſie in dieſer Abſicht mit offnen Fluͤgeln und Schaarenweis ih- rem Elend entgegen, wie Huͤner, denen man Ha- ber ſtreue, ihrem Fraß, und da ſey es dann gleich viel, wenn man die halben Glukthiere den andern vor den Augen bey ihren Fekken (Fluͤgeln) weg- nimmt, wuͤrgt, und an den Boden wirft; die andern freſſen neben den todten Schweſtern fort; und wann man ihnen am Morgen wieder Gluk — Gluk — ruft, ſo kommen ſie wieder, laſſen ſich wieder fangen, wuͤrgen, und an Boden werfen — ſo gehe es immer, und es ſey unmoͤglich den
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mehr haben koͤnne, da koͤnnen noch oft die beſten,
und die ſo zu gut ſind, zu Hauſe Schaͤlke zu wer-
den, und die Ihrigen mit ihrer Langeweile zu
plagen, dahin, daß ſie Anlas ſuchen, wo es luſtig
geht, und unter gewiſſen Umſtaͤnden finden ſie die-
ſes, wenn ſie das Dorf hinauf- und hinabgehen
nirgends als im Wirthshaus und bey Schelmen. —
§. 44.
Volksphiloſophie uͤber den Geſchlechts-
trieb.
Sie behaupteten, es komme hierin gaͤnzlich auf
die Erziehung der Toͤchtern an, ſo bald ſie erzogen
werden, als ob ſie nichts in der Welt werden muͤß-
ten als ſchoͤne Jnngfern, ſo ſpringen ſie in dieſer
Abſicht mit offnen Fluͤgeln und Schaarenweis ih-
rem Elend entgegen, wie Huͤner, denen man Ha-
ber ſtreue, ihrem Fraß, und da ſey es dann gleich
viel, wenn man die halben Glukthiere den andern
vor den Augen bey ihren Fekken (Fluͤgeln) weg-
nimmt, wuͤrgt, und an den Boden wirft; die
andern freſſen neben den todten Schweſtern fort;
und wann man ihnen am Morgen wieder Gluk —
Gluk — ruft, ſo kommen ſie wieder, laſſen ſich
wieder fangen, wuͤrgen, und an Boden werfen
— ſo gehe es immer, und es ſey unmoͤglich den
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/203>, abgerufen am 21.11.2024.
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