Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 78.
Vom Rathen, Helfen, und Allmosen-
geben.

Ich verliere mich im Labyrint des grossen
Bilds das ich machte, lege den Pinsel ab,
und fasse meinen Traum im Ganzen.

Wormit will ich Arners Thun vergleichen?
-- Es ist gleich dem Regentropfen, der von
der Rinne fällt, und den Felsen höhlet. --
Aber wer kann die Tropfen zählen unter der
Rinne am Dach, und ihre Kraft beschreiben,
die den Felsen höhlt? Ich kann es nicht, ich
kann nur die Höhlen zeigen im Marmor unten
an der Rinne, und sagen, sie sind vom Reiben
der Tropfen, die von ihr herabfallen: -- ge-
nug -- das Fallen der Tropfen höhlte den
Felsen, wo er am härtesten war.

Der Eifer mit dem Spargeld in den Spin-
nerhäusern brachte eine Menge Leuthe in eine
bessere Ordnung, die sich sonst durch nichts da-
zu bringen liessen; und man sah mit jedem Tag
mehr Männer und Weiber Theil an dem neh-
men was er wünschte, und suchte, und ihm so
zu seinem grossen Ziel helfen.

Die Reinoldin, es ist die so seinen Carl so
hart geküßt, und dem Kinderzug so lustig vor
den grossen Häusern vorbeygeholfen, diese lies-

§. 78.
Vom Rathen, Helfen, und Allmoſen-
geben.

Ich verliere mich im Labyrint des groſſen
Bilds das ich machte, lege den Pinſel ab,
und faſſe meinen Traum im Ganzen.

Wormit will ich Arners Thun vergleichen?
— Es iſt gleich dem Regentropfen, der von
der Rinne faͤllt, und den Felſen hoͤhlet. —
Aber wer kann die Tropfen zaͤhlen unter der
Rinne am Dach, und ihre Kraft beſchreiben,
die den Felſen hoͤhlt? Ich kann es nicht, ich
kann nur die Hoͤhlen zeigen im Marmor unten
an der Rinne, und ſagen, ſie ſind vom Reiben
der Tropfen, die von ihr herabfallen: — ge-
nug — das Fallen der Tropfen hoͤhlte den
Felſen, wo er am haͤrteſten war.

Der Eifer mit dem Spargeld in den Spin-
nerhaͤuſern brachte eine Menge Leuthe in eine
beſſere Ordnung, die ſich ſonſt durch nichts da-
zu bringen lieſſen; und man ſah mit jedem Tag
mehr Maͤnner und Weiber Theil an dem neh-
men was er wuͤnſchte, und ſuchte, und ihm ſo
zu ſeinem groſſen Ziel helfen.

Die Reinoldin, es iſt die ſo ſeinen Carl ſo
hart gekuͤßt, und dem Kinderzug ſo luſtig vor
den groſſen Haͤuſern vorbeygeholfen, dieſe lieſ-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0386" n="364"/>
      <div n="1">
        <head>§. 78.<lb/>
Vom Rathen, Helfen, und Allmo&#x017F;en-<lb/>
geben.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">I</hi>ch verliere mich im Labyrint des gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Bilds das ich machte, lege den Pin&#x017F;el ab,<lb/>
und fa&#x017F;&#x017F;e meinen Traum im Ganzen.</p><lb/>
        <p>Wormit will ich Arners Thun vergleichen?<lb/>
&#x2014; Es i&#x017F;t gleich dem Regentropfen, der von<lb/>
der Rinne fa&#x0364;llt, und den Fel&#x017F;en ho&#x0364;hlet. &#x2014;<lb/>
Aber wer kann die Tropfen za&#x0364;hlen unter der<lb/>
Rinne am Dach, und ihre Kraft be&#x017F;chreiben,<lb/>
die den Fel&#x017F;en ho&#x0364;hlt? Ich kann es nicht, ich<lb/>
kann nur die Ho&#x0364;hlen zeigen im Marmor unten<lb/>
an der Rinne, und &#x017F;agen, &#x017F;ie &#x017F;ind vom Reiben<lb/>
der Tropfen, die von ihr herabfallen: &#x2014; ge-<lb/>
nug &#x2014; das Fallen der Tropfen ho&#x0364;hlte den<lb/>
Fel&#x017F;en, wo er am ha&#x0364;rte&#x017F;ten war.</p><lb/>
        <p>Der Eifer mit dem Spargeld in den Spin-<lb/>
nerha&#x0364;u&#x017F;ern brachte eine Menge Leuthe in eine<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ere Ordnung, die &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t durch nichts da-<lb/>
zu bringen lie&#x017F;&#x017F;en; und man &#x017F;ah mit jedem Tag<lb/>
mehr Ma&#x0364;nner und Weiber Theil an dem neh-<lb/>
men was er wu&#x0364;n&#x017F;chte, und &#x017F;uchte, und ihm &#x017F;o<lb/>
zu &#x017F;einem gro&#x017F;&#x017F;en Ziel helfen.</p><lb/>
        <p>Die Reinoldin, es i&#x017F;t die &#x017F;o &#x017F;einen Carl &#x017F;o<lb/>
hart geku&#x0364;ßt, und dem Kinderzug &#x017F;o lu&#x017F;tig vor<lb/>
den gro&#x017F;&#x017F;en Ha&#x0364;u&#x017F;ern vorbeygeholfen, die&#x017F;e lie&#x017F;-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[364/0386] §. 78. Vom Rathen, Helfen, und Allmoſen- geben. Ich verliere mich im Labyrint des groſſen Bilds das ich machte, lege den Pinſel ab, und faſſe meinen Traum im Ganzen. Wormit will ich Arners Thun vergleichen? — Es iſt gleich dem Regentropfen, der von der Rinne faͤllt, und den Felſen hoͤhlet. — Aber wer kann die Tropfen zaͤhlen unter der Rinne am Dach, und ihre Kraft beſchreiben, die den Felſen hoͤhlt? Ich kann es nicht, ich kann nur die Hoͤhlen zeigen im Marmor unten an der Rinne, und ſagen, ſie ſind vom Reiben der Tropfen, die von ihr herabfallen: — ge- nug — das Fallen der Tropfen hoͤhlte den Felſen, wo er am haͤrteſten war. Der Eifer mit dem Spargeld in den Spin- nerhaͤuſern brachte eine Menge Leuthe in eine beſſere Ordnung, die ſich ſonſt durch nichts da- zu bringen lieſſen; und man ſah mit jedem Tag mehr Maͤnner und Weiber Theil an dem neh- men was er wuͤnſchte, und ſuchte, und ihm ſo zu ſeinem groſſen Ziel helfen. Die Reinoldin, es iſt die ſo ſeinen Carl ſo hart gekuͤßt, und dem Kinderzug ſo luſtig vor den groſſen Haͤuſern vorbeygeholfen, dieſe lieſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/386
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/386>, abgerufen am 22.12.2024.