Der Vogt hatte auf dem Rückweg von Arnheim im Hirzauer Wirthshaus eingekehrt; da trank und prahlte er unter den Bauern. Er erzählte ihnen von seinen gewonnenen Händeln; von sei- ner Gewalt unter dem verstorbenen Arner; wie er unter ihm, und zwar er allein, alles Volk in Ord- nung gehalten habe; und wie es jezt allenthalben eine Lumpenordnung sey. Dann gab er seinem Hund das Ordinari, was ein wohlhabender Handwerks- pursch, ohne den Wein, zu Mittag hat; spöttelte über einen armen Mann, dem ein Seufzer ent- fuhr, als er die gute Suppe und das liebe Brod dem Hund darstellen sah. Gelt, du würdest auch so vorlieb nehmen, spricht er zum Armen -- streichelt den Hund, und prahlt und säuft und pocht so unter den Bauern bis auf den Abend.
Da kam der alte Förster vom Schloß, und nahm im Vorbeygehn auch ein Glas Wein; und der Vogt, der keinen Augenblick gern allein ist, sagt zu ihm: Wir gehn mit einander heim.
Wenn du gleich kommst, antwortete der För- ster; ich muß einer Spur nach.
Den
§. 66. Ein Foͤrſter, der keine Geſpenſter glaubt.
Der Vogt hatte auf dem Ruͤckweg von Arnheim im Hirzauer Wirthshaus eingekehrt; da trank und prahlte er unter den Bauern. Er erzaͤhlte ihnen von ſeinen gewonnenen Haͤndeln; von ſei- ner Gewalt unter dem verſtorbenen Arner; wie er unter ihm, und zwar er allein, alles Volk in Ord- nung gehalten habe; und wie es jezt allenthalben eine Lumpenordnung ſey. Dann gab er ſeinem Hund das Ordinari, was ein wohlhabender Handwerks- purſch, ohne den Wein, zu Mittag hat; ſpoͤttelte uͤber einen armen Mann, dem ein Seufzer ent- fuhr, als er die gute Suppe und das liebe Brod dem Hund darſtellen ſah. Gelt, du wuͤrdeſt auch ſo vorlieb nehmen, ſpricht er zum Armen — ſtreichelt den Hund, und prahlt und ſaͤuft und pocht ſo unter den Bauern bis auf den Abend.
Da kam der alte Foͤrſter vom Schloß, und nahm im Vorbeygehn auch ein Glas Wein; und der Vogt, der keinen Augenblick gern allein iſt, ſagt zu ihm: Wir gehn mit einander heim.
Wenn du gleich kommſt, antwortete der Foͤr- ſter; ich muß einer Spur nach.
Den
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0307"n="282"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>§. 66.<lb/><hirendition="#b">Ein Foͤrſter, der keine Geſpenſter glaubt.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>er Vogt hatte auf dem Ruͤckweg von Arnheim<lb/>
im Hirzauer Wirthshaus eingekehrt; da trank<lb/>
und prahlte er unter den Bauern. Er erzaͤhlte<lb/>
ihnen von ſeinen gewonnenen Haͤndeln; von ſei-<lb/>
ner Gewalt unter dem verſtorbenen Arner; wie er<lb/>
unter ihm, und zwar er allein, alles Volk in Ord-<lb/>
nung gehalten habe; und wie es jezt allenthalben eine<lb/>
Lumpenordnung ſey. Dann gab er ſeinem Hund<lb/>
das Ordinari, was ein wohlhabender Handwerks-<lb/>
purſch, ohne den Wein, zu Mittag hat; ſpoͤttelte<lb/>
uͤber einen armen Mann, dem ein Seufzer ent-<lb/>
fuhr, als er die gute Suppe und das liebe Brod<lb/>
dem Hund darſtellen ſah. Gelt, du wuͤrdeſt auch<lb/>ſo vorlieb nehmen, ſpricht er zum Armen —ſtreichelt<lb/>
den Hund, und prahlt und ſaͤuft und pocht ſo<lb/>
unter den Bauern bis auf den Abend.</p><lb/><p>Da kam der alte Foͤrſter vom Schloß, und<lb/>
nahm im Vorbeygehn auch ein Glas Wein; und<lb/>
der Vogt, der keinen Augenblick gern allein iſt,<lb/>ſagt zu ihm: Wir gehn mit einander heim.</p><lb/><p>Wenn du gleich kommſt, antwortete der Foͤr-<lb/>ſter; ich muß einer Spur nach.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Den</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[282/0307]
§. 66.
Ein Foͤrſter, der keine Geſpenſter glaubt.
Der Vogt hatte auf dem Ruͤckweg von Arnheim
im Hirzauer Wirthshaus eingekehrt; da trank
und prahlte er unter den Bauern. Er erzaͤhlte
ihnen von ſeinen gewonnenen Haͤndeln; von ſei-
ner Gewalt unter dem verſtorbenen Arner; wie er
unter ihm, und zwar er allein, alles Volk in Ord-
nung gehalten habe; und wie es jezt allenthalben eine
Lumpenordnung ſey. Dann gab er ſeinem Hund
das Ordinari, was ein wohlhabender Handwerks-
purſch, ohne den Wein, zu Mittag hat; ſpoͤttelte
uͤber einen armen Mann, dem ein Seufzer ent-
fuhr, als er die gute Suppe und das liebe Brod
dem Hund darſtellen ſah. Gelt, du wuͤrdeſt auch
ſo vorlieb nehmen, ſpricht er zum Armen — ſtreichelt
den Hund, und prahlt und ſaͤuft und pocht ſo
unter den Bauern bis auf den Abend.
Da kam der alte Foͤrſter vom Schloß, und
nahm im Vorbeygehn auch ein Glas Wein; und
der Vogt, der keinen Augenblick gern allein iſt,
ſagt zu ihm: Wir gehn mit einander heim.
Wenn du gleich kommſt, antwortete der Foͤr-
ſter; ich muß einer Spur nach.
Den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/307>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.