Kriecher. Ich sag euch schuldigen Dank, Herr Untervogt!
Vogt. Du hast mir nichts zu danken. (Er geht.) Und sagt im Gehn zu sich selbst: Wenn der nicht den Teufel im Schild führt, so treugt mich denn alles. Vielleicht wäre das ein Mann, wie ich einen brauchte gegen den Mäurer; aber wer will einem Heuchler trauen. Ich will den Schabenmi- chel lieber, der ist gerade zu ein Schelm.
§. 24. Ein reines, fröhliches und dankbares Herz.
Vom Kriecher weg kommt der Vogt zu Aebi, dem jüngern. Als dieser hörte, was ihm begegnete, jauchzte er vor Freuden, und sprang auf, wie ein junges Rind am ersten Frühlingstage auf der Weide aufspringt -- Das will ich jezt auch meiner Frau sagen, daß sie sich recht freue.
Ich warte bis morgen; es sind just morgen acht Jahre, daß sie mich nahm. Es war Josephstag, ich weiß es noch, wie wenn's gestern wäre. Wir haben seitdem manche saure, aber auch m[an]che
[ - 1 Zeichen fehlt]ohe
Vogt. Behuͤt euch Gott, Kriecher!
Kriecher. Ich ſag euch ſchuldigen Dank, Herr Untervogt!
Vogt. Du haſt mir nichts zu danken. (Er geht.) Und ſagt im Gehn zu ſich ſelbſt: Wenn der nicht den Teufel im Schild fuͤhrt, ſo treugt mich denn alles. Vielleicht waͤre das ein Mann, wie ich einen brauchte gegen den Maͤurer; aber wer will einem Heuchler trauen. Ich will den Schabenmi- chel lieber, der iſt gerade zu ein Schelm.
§. 24. Ein reines, froͤhliches und dankbares Herz.
Vom Kriecher weg kommt der Vogt zu Aebi, dem juͤngern. Als dieſer hoͤrte, was ihm begegnete, jauchzte er vor Freuden, und ſprang auf, wie ein junges Rind am erſten Fruͤhlingstage auf der Weide aufſpringt — Das will ich jezt auch meiner Frau ſagen, daß ſie ſich recht freue.
Ich warte bis morgen; es ſind juſt morgen acht Jahre, daß ſie mich nahm. Es war Joſephstag, ich weiß es noch, wie wenn’s geſtern waͤre. Wir haben ſeitdem manche ſaure, aber auch m[an]che
[ – 1 Zeichen fehlt]ohe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0155"n="130"/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Behuͤt euch Gott, Kriecher!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Kriecher.</hi> Ich ſag euch ſchuldigen Dank, Herr<lb/>
Untervogt!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Du haſt mir nichts zu danken. (Er<lb/>
geht.) Und ſagt im Gehn zu ſich ſelbſt: Wenn der<lb/>
nicht den Teufel im Schild fuͤhrt, ſo treugt mich<lb/>
denn alles. Vielleicht waͤre das ein Mann, wie ich<lb/>
einen brauchte gegen den Maͤurer; aber wer will<lb/>
einem Heuchler trauen. Ich will den Schabenmi-<lb/>
chel lieber, der iſt gerade zu ein Schelm.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>§. 24.<lb/><hirendition="#b">Ein reines, froͤhliches und dankbares<lb/>
Herz.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">V</hi>om Kriecher weg kommt der Vogt zu Aebi,<lb/>
dem juͤngern. Als dieſer hoͤrte, was ihm begegnete,<lb/>
jauchzte er vor Freuden, und ſprang auf, wie ein<lb/>
junges Rind am erſten Fruͤhlingstage auf der Weide<lb/>
aufſpringt — Das will ich jezt auch meiner Frau<lb/>ſagen, daß ſie ſich recht freue.</p><lb/><p>Ich warte bis morgen; es ſind juſt morgen acht<lb/>
Jahre, daß ſie mich nahm. Es war Joſephstag,<lb/>
ich weiß es noch, wie wenn’s geſtern waͤre. Wir<lb/>
haben ſeitdem manche ſaure, aber auch m<supplied>an</supplied>che<lb/><fwplace="bottom"type="catch"><gapunit="chars"quantity="1"/>ohe</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[130/0155]
Vogt. Behuͤt euch Gott, Kriecher!
Kriecher. Ich ſag euch ſchuldigen Dank, Herr
Untervogt!
Vogt. Du haſt mir nichts zu danken. (Er
geht.) Und ſagt im Gehn zu ſich ſelbſt: Wenn der
nicht den Teufel im Schild fuͤhrt, ſo treugt mich
denn alles. Vielleicht waͤre das ein Mann, wie ich
einen brauchte gegen den Maͤurer; aber wer will
einem Heuchler trauen. Ich will den Schabenmi-
chel lieber, der iſt gerade zu ein Schelm.
§. 24.
Ein reines, froͤhliches und dankbares
Herz.
Vom Kriecher weg kommt der Vogt zu Aebi,
dem juͤngern. Als dieſer hoͤrte, was ihm begegnete,
jauchzte er vor Freuden, und ſprang auf, wie ein
junges Rind am erſten Fruͤhlingstage auf der Weide
aufſpringt — Das will ich jezt auch meiner Frau
ſagen, daß ſie ſich recht freue.
Ich warte bis morgen; es ſind juſt morgen acht
Jahre, daß ſie mich nahm. Es war Joſephstag,
ich weiß es noch, wie wenn’s geſtern waͤre. Wir
haben ſeitdem manche ſaure, aber auch manche
_ohe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/155>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.