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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Der malayische Stamm.

Auf dem Sandwicharchipel keh ren in Insel- und Ortsnamen
wie Havai, Upolu und Lehua Inselnamen der Schiffer- oder
Samoagruppe (Sevai, Upulu, Lefuka) wieder. Doch kamen die
ersten Besiedler der Havaiinseln nicht unmittelbar von der Samoa-
gruppe, wenn auch ihre Vorfahren dort ihren Ursitz gehabt haben'
In ihren alten Gesängen werden nämlich auch Inseln des Mar-
quesasarchipels wie Nukahiva und Tahuata, ausserdem aber auch
Tahiti erwähnt 1). Da ferner die Mundart der Kanaken oder
Havaier sich eng an diejenige der Marquesaner anschliesst, so
lässt sie deshalb Horatio Hale von letztern abstammen, während
ihre Sagen und Sprüchwörter wieder nach Tahiti zurückverweisen 2).
Ihre Königslisten enthalten 67 Namen, doch müssen davon min-
destens die ersten 22 als sagenhaft wegfallen, so dass nur 45
übrig bleiben, die bei einer durchschnittlichen Regierungsdauer
von 20 Jahren die Besiedelung der Gruppe in die Mitte des
10. christlichen Jahrhunderts zu setzen erlauben 3). Die wichtige
Entdeckung, dass die Brotfrüchte, wenn man sie einer Gährung
überlassen hat, lange Zeit aufbewahrt werden können, wie dies
auf Tahiti und auf den Marquesas-Inseln geschieht 4), fällt erst nach
der Auswanderung der Kanaken; denn auf den Sandwichinseln
war sie nicht bekannt 5). Wir gewahren dabei abermals, wie un-
günstig die räumliche Absonderung nach schwer zugänglichen
Inseln wirkte, weil sie die Verbreitung glücklicher Gedanken ver-
zögern musste.

Beträchtlich früher landeten die ersten Seefahrer auf der
Marquesasgruppe, in deren Mundarten tonganische und tahi-
tische Eigenthümlichkeiten wiederkehren, weshalb auf eine Be-
siedelung sowohl von den Gesellschafts-, wie von den Freund-
schaftsinseln geschlossen werden darf. Von Vavau oder einer
Insel der letztern Gruppe leitete der nukahivische Häuptling

1) J. J. Jarves, History of the Hawaian or Sandwich Islands. Boston
1844. p. 26.
2) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 220.
3) H. Hale (United States Explor. Exped. Ethnography p. 129--136.)
nimmt 30 Jahre für die Dauer einer Herrschaft an. Wem das besser gefällt,
der kann danach die obige Rechnung umgestalten.
4) v. Langsdorff, Reise um die Welt. Bd. 1. S. 107.
5) Tylor, Urgeschichte. S. 229.
Der malayische Stamm.

Auf dem Sandwicharchipel keh ren in Insel- und Ortsnamen
wie Havai, Upolu und Lehua Inselnamen der Schiffer- oder
Samoagruppe (Sevai, Upulu, Lefuka) wieder. Doch kamen die
ersten Besiedler der Havaiinseln nicht unmittelbar von der Samoa-
gruppe, wenn auch ihre Vorfahren dort ihren Ursitz gehabt haben’
In ihren alten Gesängen werden nämlich auch Inseln des Mar-
quesasarchipels wie Nukahiva und Tahuata, ausserdem aber auch
Tahiti erwähnt 1). Da ferner die Mundart der Kanaken oder
Havaier sich eng an diejenige der Marquesaner anschliesst, so
lässt sie deshalb Horatio Hale von letztern abstammen, während
ihre Sagen und Sprüchwörter wieder nach Tahiti zurückverweisen 2).
Ihre Königslisten enthalten 67 Namen, doch müssen davon min-
destens die ersten 22 als sagenhaft wegfallen, so dass nur 45
übrig bleiben, die bei einer durchschnittlichen Regierungsdauer
von 20 Jahren die Besiedelung der Gruppe in die Mitte des
10. christlichen Jahrhunderts zu setzen erlauben 3). Die wichtige
Entdeckung, dass die Brotfrüchte, wenn man sie einer Gährung
überlassen hat, lange Zeit aufbewahrt werden können, wie dies
auf Tahiti und auf den Marquesas-Inseln geschieht 4), fällt erst nach
der Auswanderung der Kanaken; denn auf den Sandwichinseln
war sie nicht bekannt 5). Wir gewahren dabei abermals, wie un-
günstig die räumliche Absonderung nach schwer zugänglichen
Inseln wirkte, weil sie die Verbreitung glücklicher Gedanken ver-
zögern musste.

Beträchtlich früher landeten die ersten Seefahrer auf der
Marquesasgruppe, in deren Mundarten tonganische und tahi-
tische Eigenthümlichkeiten wiederkehren, weshalb auf eine Be-
siedelung sowohl von den Gesellschafts-, wie von den Freund-
schaftsinseln geschlossen werden darf. Von Vavau oder einer
Insel der letztern Gruppe leitete der nukahivische Häuptling

1) J. J. Jarves, History of the Hawaian or Sandwich Islands. Boston
1844. p. 26.
2) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 220.
3) H. Hale (United States Explor. Exped. Ethnography p. 129—136.)
nimmt 30 Jahre für die Dauer einer Herrschaft an. Wem das besser gefällt,
der kann danach die obige Rechnung umgestalten.
4) v. Langsdorff, Reise um die Welt. Bd. 1. S. 107.
5) Tylor, Urgeschichte. S. 229.
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[373/0391] Der malayische Stamm. Auf dem Sandwicharchipel keh ren in Insel- und Ortsnamen wie Havai, Upolu und Lehua Inselnamen der Schiffer- oder Samoagruppe (Sevai, Upulu, Lefuka) wieder. Doch kamen die ersten Besiedler der Havaiinseln nicht unmittelbar von der Samoa- gruppe, wenn auch ihre Vorfahren dort ihren Ursitz gehabt haben’ In ihren alten Gesängen werden nämlich auch Inseln des Mar- quesasarchipels wie Nukahiva und Tahuata, ausserdem aber auch Tahiti erwähnt 1). Da ferner die Mundart der Kanaken oder Havaier sich eng an diejenige der Marquesaner anschliesst, so lässt sie deshalb Horatio Hale von letztern abstammen, während ihre Sagen und Sprüchwörter wieder nach Tahiti zurückverweisen 2). Ihre Königslisten enthalten 67 Namen, doch müssen davon min- destens die ersten 22 als sagenhaft wegfallen, so dass nur 45 übrig bleiben, die bei einer durchschnittlichen Regierungsdauer von 20 Jahren die Besiedelung der Gruppe in die Mitte des 10. christlichen Jahrhunderts zu setzen erlauben 3). Die wichtige Entdeckung, dass die Brotfrüchte, wenn man sie einer Gährung überlassen hat, lange Zeit aufbewahrt werden können, wie dies auf Tahiti und auf den Marquesas-Inseln geschieht 4), fällt erst nach der Auswanderung der Kanaken; denn auf den Sandwichinseln war sie nicht bekannt 5). Wir gewahren dabei abermals, wie un- günstig die räumliche Absonderung nach schwer zugänglichen Inseln wirkte, weil sie die Verbreitung glücklicher Gedanken ver- zögern musste. Beträchtlich früher landeten die ersten Seefahrer auf der Marquesasgruppe, in deren Mundarten tonganische und tahi- tische Eigenthümlichkeiten wiederkehren, weshalb auf eine Be- siedelung sowohl von den Gesellschafts-, wie von den Freund- schaftsinseln geschlossen werden darf. Von Vavau oder einer Insel der letztern Gruppe leitete der nukahivische Häuptling 1) J. J. Jarves, History of the Hawaian or Sandwich Islands. Boston 1844. p. 26. 2) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 220. 3) H. Hale (United States Explor. Exped. Ethnography p. 129—136.) nimmt 30 Jahre für die Dauer einer Herrschaft an. Wem das besser gefällt, der kann danach die obige Rechnung umgestalten. 4) v. Langsdorff, Reise um die Welt. Bd. 1. S. 107. 5) Tylor, Urgeschichte. S. 229.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/391>, abgerufen am 26.04.2024.