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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Religion des Buddha.
ich frage nicht nach Deiner Kaste und Deiner Abkunft, ich bitte
um Wasser, wenn Du es mir geben kannst" 1). Anklänge an
christliche Texte enthält auch die Legende von dem Armen, welcher
den Almosentopf Buddha's mit einer Handvoll Blumen füllt, wäh-
rend Reiche mit zehntausend Scheffeln nichts ausrichten; oder
wenn die Lampen, welche Könige und Kanzler zu Ehren des
Buddha angezündet hatten, verlöschen, aber nur die einzige, die
ein dürftiges Weib dargebracht hat, die ganze Nacht hindurch
brennt 2).

Der Lebenslauf des Religionsstifters, wie er uns überliefert
worden ist, verstrich ziemlich eintönig. Durch Entsagung der
weltlichen Macht und der sinnlichen Genüsse, den Almosentopf
im Arm, gab der indische Prinz Beweise von der Aufrichtigkeit
seiner Pflichtenlehre. Hochbetagt sollte er noch erleben, dass
der Feind seines Hauses die Vaterstadt Kapilavastu verwüstete.
Begleitet von Ananda durchwanderte er bei Sternenlicht ihre
rauchenden Trümmer, stieg er in den Gassen über die Leichen
Erschlagener und die Leiber verstümmelter Mädchen, Trost den
Sterbenden spendend. Von dort wollte er sich noch nach Kucina-
gara schleppen, erreichte aber die 70 Meilen entfernte Stadt nicht
völlig, sondern sank unweit davon unter einem Calabaum mit
Klagen über heftigen Durst nieder. Bald stellte sich der Todes-
kampf ein und bei gebrochenen Augen verschied er mit den
Worten: "Nichts ist von Dauer" 3).

Die Erlösung, die Buddha ersann, bezog sich nur auf den
Wahn der Wiedergeburt; Heilung wird also in dieser Lehre nur
derjenige finden, welcher diesen Wahn theilt. Die Wiedergeburt
entspringt immer aus der Verschuldung in einem früheren Dasein,
daher ist die Sünde der Grund alles irdischen Elends 4). Durch
ihr Haften und ihre Begier am Dasein wird die Seele beim Tode
zu einem neuen Kreislauf gezwungen. Es bleibt nämlich beim
Erlöschen des Lebens von ihr nichts zurück als die Summe ihrer

1) E. Burnouf, Introduction a l'histoire du Buddhisme indien. Paris
1844. tom. I, p. 205.
2) Köppen, die Religion des Buddha. Bd. 1. S. 131.
3) O. Palladius, Das Leben Buddha's. Arbeiten der russ. Gesandt-
schaft zu Peking. Berlin 1858. Bd. 2. S. 263--265.
4) Köppen. l. c. Bd. 1. S. 290--293.

Die Religion des Buddha.
ich frage nicht nach Deiner Kaste und Deiner Abkunft, ich bitte
um Wasser, wenn Du es mir geben kannst“ 1). Anklänge an
christliche Texte enthält auch die Legende von dem Armen, welcher
den Almosentopf Buddha’s mit einer Handvoll Blumen füllt, wäh-
rend Reiche mit zehntausend Scheffeln nichts ausrichten; oder
wenn die Lampen, welche Könige und Kanzler zu Ehren des
Buddha angezündet hatten, verlöschen, aber nur die einzige, die
ein dürftiges Weib dargebracht hat, die ganze Nacht hindurch
brennt 2).

Der Lebenslauf des Religionsstifters, wie er uns überliefert
worden ist, verstrich ziemlich eintönig. Durch Entsagung der
weltlichen Macht und der sinnlichen Genüsse, den Almosentopf
im Arm, gab der indische Prinz Beweise von der Aufrichtigkeit
seiner Pflichtenlehre. Hochbetagt sollte er noch erleben, dass
der Feind seines Hauses die Vaterstadt Kapilavastu verwüstete.
Begleitet von Ânanda durchwanderte er bei Sternenlicht ihre
rauchenden Trümmer, stieg er in den Gassen über die Leichen
Erschlagener und die Leiber verstümmelter Mädchen, Trost den
Sterbenden spendend. Von dort wollte er sich noch nach Kuçina-
gara schleppen, erreichte aber die 70 Meilen entfernte Stadt nicht
völlig, sondern sank unweit davon unter einem Çalabaum mit
Klagen über heftigen Durst nieder. Bald stellte sich der Todes-
kampf ein und bei gebrochenen Augen verschied er mit den
Worten: „Nichts ist von Dauer“ 3).

Die Erlösung, die Buddha ersann, bezog sich nur auf den
Wahn der Wiedergeburt; Heilung wird also in dieser Lehre nur
derjenige finden, welcher diesen Wahn theilt. Die Wiedergeburt
entspringt immer aus der Verschuldung in einem früheren Dasein,
daher ist die Sünde der Grund alles irdischen Elends 4). Durch
ihr Haften und ihre Begier am Dasein wird die Seele beim Tode
zu einem neuen Kreislauf gezwungen. Es bleibt nämlich beim
Erlöschen des Lebens von ihr nichts zurück als die Summe ihrer

1) E. Burnouf, Introduction à l’histoire du Buddhisme indien. Paris
1844. tom. I, p. 205.
2) Köppen, die Religion des Buddha. Bd. 1. S. 131.
3) O. Palladius, Das Leben Buddha’s. Arbeiten der russ. Gesandt-
schaft zu Peking. Berlin 1858. Bd. 2. S. 263—265.
4) Köppen. l. c. Bd. 1. S. 290—293.
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[286/0304] Die Religion des Buddha. ich frage nicht nach Deiner Kaste und Deiner Abkunft, ich bitte um Wasser, wenn Du es mir geben kannst“ 1). Anklänge an christliche Texte enthält auch die Legende von dem Armen, welcher den Almosentopf Buddha’s mit einer Handvoll Blumen füllt, wäh- rend Reiche mit zehntausend Scheffeln nichts ausrichten; oder wenn die Lampen, welche Könige und Kanzler zu Ehren des Buddha angezündet hatten, verlöschen, aber nur die einzige, die ein dürftiges Weib dargebracht hat, die ganze Nacht hindurch brennt 2). Der Lebenslauf des Religionsstifters, wie er uns überliefert worden ist, verstrich ziemlich eintönig. Durch Entsagung der weltlichen Macht und der sinnlichen Genüsse, den Almosentopf im Arm, gab der indische Prinz Beweise von der Aufrichtigkeit seiner Pflichtenlehre. Hochbetagt sollte er noch erleben, dass der Feind seines Hauses die Vaterstadt Kapilavastu verwüstete. Begleitet von Ânanda durchwanderte er bei Sternenlicht ihre rauchenden Trümmer, stieg er in den Gassen über die Leichen Erschlagener und die Leiber verstümmelter Mädchen, Trost den Sterbenden spendend. Von dort wollte er sich noch nach Kuçina- gara schleppen, erreichte aber die 70 Meilen entfernte Stadt nicht völlig, sondern sank unweit davon unter einem Çalabaum mit Klagen über heftigen Durst nieder. Bald stellte sich der Todes- kampf ein und bei gebrochenen Augen verschied er mit den Worten: „Nichts ist von Dauer“ 3). Die Erlösung, die Buddha ersann, bezog sich nur auf den Wahn der Wiedergeburt; Heilung wird also in dieser Lehre nur derjenige finden, welcher diesen Wahn theilt. Die Wiedergeburt entspringt immer aus der Verschuldung in einem früheren Dasein, daher ist die Sünde der Grund alles irdischen Elends 4). Durch ihr Haften und ihre Begier am Dasein wird die Seele beim Tode zu einem neuen Kreislauf gezwungen. Es bleibt nämlich beim Erlöschen des Lebens von ihr nichts zurück als die Summe ihrer 1) E. Burnouf, Introduction à l’histoire du Buddhisme indien. Paris 1844. tom. I, p. 205. 2) Köppen, die Religion des Buddha. Bd. 1. S. 131. 3) O. Palladius, Das Leben Buddha’s. Arbeiten der russ. Gesandt- schaft zu Peking. Berlin 1858. Bd. 2. S. 263—265. 4) Köppen. l. c. Bd. 1. S. 290—293.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/304>, abgerufen am 26.04.2024.