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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Der Bau der menschlichen Sprache.
kischen Hauptwörter mit dem tl-Suffix versehen sind 1). Das Alt-
mexikanische bedient sich zwar wie alle amerikanischen Sprachen
der Einverleibung und schiebt das Object zwischen Subject und
Zeitwort ein, wie aus schotschi-tl, Blume und ni-temoa, ich suche, ni-
schotschi-temoa
, ich suche Blumen gebildet wird, doch ist daneben
auch ein andrer Satzbau im Gebrauch, dass nämlich zwischen
Subject und Zeitwort nur das Pronomen es k oder Jemand te
oder etwas tla eingeschaltet wird und dann erst das Object folgt.
Aus ni ich, k es, miktia tödten, se ein, totolin Huhn, bildet der
Nahuatlake den Satz ni-k-miktia se totolin, ich es tödte ein Huhn.
Auf diese Weise wurde dann wieder dem Uebermaasse der Ein-
verleibung gesteuert. Die Plurale, die nur bei belebten Dingen,
zu denen auch die Sterne gezählt werden, vorkommen 2), werden
auch im Nahuatl durch Anfügung der Suffixe me und tin ausge-
drückt, wie itschka-tl Schaf, itschka-me Schafe, oder ta-tli Vater, ta-tin
Väter. An geistreichen Wortbildungen ist ebenfalls kein Mangel;
aus ome, zwei und yolli, Herz entsteht omeyolloa, zweifeln; aus
nakastli, Ohr und tsatsi, schreien, nakatsatsa-tl, einer dem ins Ohr
geschrieen wird, ein Tauber.

Bei den Präfixsprachen der südafrikanischen Neger bedeutet
um-tu einen Mann, um-fazi eine Frau, um-ti einen Baum. Die
nämliche Vorsatzsylbe dient also für Gegenstände, die doch als
männlich, weiblich und als geschlechtlos hätten aufgefasst werden
sollen. Wird erst das Hauptwort vom Zeitwort durch wahrnehm-
bare Lautzusätze unterschieden, so kann auch das Geschlecht der
Hauptwörter getrennt werden. Bisher handelte es sich nur um
Sprachen, welche grammatische Geschlechter nicht unterschieden,
etzt aber wenden wir uns zu denen, welche die Sexualität aus-
drücken. Wie wirksam bei der Mythenbildung dieser Sprachvor-
zug gewesen sei, kann erst später erläutert werden, hier wollen
wir nur andeuten, dass überhaupt die Forderung eines gramma-
tischen Geschlechtes zu schärferer Beobachtung der Aussendinge

1) Steinthal, Charakteristik. S. 203.
2) Auch in der Algonkinsprache wird zwischen einem belebten und un-
belebten Geschlecht unterschieden, zu ersterem aber die Sonne, der Mond, die
Sterne, Blitz und Donner, die Opfersteine, die Adlerfeder, der Kessel, die
Tabakspfeife, die Trommel und das Wampun gezählt. Tylor, Anfänge der
Cultur, I, 299.

Der Bau der menschlichen Sprache.
kischen Hauptwörter mit dem tl-Suffix versehen sind 1). Das Alt-
mexikanische bedient sich zwar wie alle amerikanischen Sprachen
der Einverleibung und schiebt das Object zwischen Subject und
Zeitwort ein, wie aus schotschi-tl, Blume und ni-temoa, ich suche, ni-
schotschi-temoa
, ich suche Blumen gebildet wird, doch ist daneben
auch ein andrer Satzbau im Gebrauch, dass nämlich zwischen
Subject und Zeitwort nur das Pronomen es k oder Jemand te
oder etwas tla eingeschaltet wird und dann erst das Object folgt.
Aus ni ich, k es, miktia tödten, se ein, totolin Huhn, bildet der
Nahuatlake den Satz ni-k-miktia se totolin, ich es tödte ein Huhn.
Auf diese Weise wurde dann wieder dem Uebermaasse der Ein-
verleibung gesteuert. Die Plurale, die nur bei belebten Dingen,
zu denen auch die Sterne gezählt werden, vorkommen 2), werden
auch im Nahuatl durch Anfügung der Suffixe und tin ausge-
drückt, wie itschka-tl Schaf, itschka-mê Schafe, oder ta-tli Vater, ta-tin
Väter. An geistreichen Wortbildungen ist ebenfalls kein Mangel;
aus ome, zwei und yolli, Herz entsteht omeyolloa, zweifeln; aus
nakastli, Ohr und tsatsi, schreien, nakatsatsa-tl, einer dem ins Ohr
geschrieen wird, ein Tauber.

Bei den Präfixsprachen der südafrikanischen Neger bedeutet
um-tu einen Mann, um-fazi eine Frau, um-ti einen Baum. Die
nämliche Vorsatzsylbe dient also für Gegenstände, die doch als
männlich, weiblich und als geschlechtlos hätten aufgefasst werden
sollen. Wird erst das Hauptwort vom Zeitwort durch wahrnehm-
bare Lautzusätze unterschieden, so kann auch das Geschlecht der
Hauptwörter getrennt werden. Bisher handelte es sich nur um
Sprachen, welche grammatische Geschlechter nicht unterschieden,
etzt aber wenden wir uns zu denen, welche die Sexualität aus-
drücken. Wie wirksam bei der Mythenbildung dieser Sprachvor-
zug gewesen sei, kann erst später erläutert werden, hier wollen
wir nur andeuten, dass überhaupt die Forderung eines gramma-
tischen Geschlechtes zu schärferer Beobachtung der Aussendinge

1) Steinthal, Charakteristik. S. 203.
2) Auch in der Algonkinsprache wird zwischen einem belebten und un-
belebten Geschlecht unterschieden, zu ersterem aber die Sonne, der Mond, die
Sterne, Blitz und Donner, die Opfersteine, die Adlerfeder, der Kessel, die
Tabakspfeife, die Trommel und das Wampun gezählt. Tylor, Anfänge der
Cultur, I, 299.
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[128/0146] Der Bau der menschlichen Sprache. kischen Hauptwörter mit dem tl-Suffix versehen sind 1). Das Alt- mexikanische bedient sich zwar wie alle amerikanischen Sprachen der Einverleibung und schiebt das Object zwischen Subject und Zeitwort ein, wie aus schotschi-tl, Blume und ni-temoa, ich suche, ni- schotschi-temoa, ich suche Blumen gebildet wird, doch ist daneben auch ein andrer Satzbau im Gebrauch, dass nämlich zwischen Subject und Zeitwort nur das Pronomen es k oder Jemand te oder etwas tla eingeschaltet wird und dann erst das Object folgt. Aus ni ich, k es, miktia tödten, se ein, totolin Huhn, bildet der Nahuatlake den Satz ni-k-miktia se totolin, ich es tödte ein Huhn. Auf diese Weise wurde dann wieder dem Uebermaasse der Ein- verleibung gesteuert. Die Plurale, die nur bei belebten Dingen, zu denen auch die Sterne gezählt werden, vorkommen 2), werden auch im Nahuatl durch Anfügung der Suffixe mê und tin ausge- drückt, wie itschka-tl Schaf, itschka-mê Schafe, oder ta-tli Vater, ta-tin Väter. An geistreichen Wortbildungen ist ebenfalls kein Mangel; aus ome, zwei und yolli, Herz entsteht omeyolloa, zweifeln; aus nakastli, Ohr und tsatsi, schreien, nakatsatsa-tl, einer dem ins Ohr geschrieen wird, ein Tauber. Bei den Präfixsprachen der südafrikanischen Neger bedeutet um-tu einen Mann, um-fazi eine Frau, um-ti einen Baum. Die nämliche Vorsatzsylbe dient also für Gegenstände, die doch als männlich, weiblich und als geschlechtlos hätten aufgefasst werden sollen. Wird erst das Hauptwort vom Zeitwort durch wahrnehm- bare Lautzusätze unterschieden, so kann auch das Geschlecht der Hauptwörter getrennt werden. Bisher handelte es sich nur um Sprachen, welche grammatische Geschlechter nicht unterschieden, etzt aber wenden wir uns zu denen, welche die Sexualität aus- drücken. Wie wirksam bei der Mythenbildung dieser Sprachvor- zug gewesen sei, kann erst später erläutert werden, hier wollen wir nur andeuten, dass überhaupt die Forderung eines gramma- tischen Geschlechtes zu schärferer Beobachtung der Aussendinge 1) Steinthal, Charakteristik. S. 203. 2) Auch in der Algonkinsprache wird zwischen einem belebten und un- belebten Geschlecht unterschieden, zu ersterem aber die Sonne, der Mond, die Sterne, Blitz und Donner, die Opfersteine, die Adlerfeder, der Kessel, die Tabakspfeife, die Trommel und das Wampun gezählt. Tylor, Anfänge der Cultur, I, 299.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/146>, abgerufen am 26.04.2024.