in Nordamerika während de Soto's abenteuerlichen Kriegszügen von einheimischen Kaufleuten mit Salz aus der Landschaft Cayas versorgt 1).
3. Bekleidung und Obdach.
Wo europäische Seefahrer an frisch entdeckten Küsten die Bewohner in nacktem Zustande gewahrten, waren sie gleich bereit diese auf die niedrigste Stufe menschlicher Entwicklung zu stellen. Eine Verhüllung der körperlichen Blössen, als erster Schritt zur Erhebung aus der sogenannten Wildheit, wird übrigens nicht blos von den hochgesitteten Völkern gefordert. Von einem Schamanen oder Priester aus Somosomo, also einem Fidschiinsulaner, der sich wie seine Landsleute mit dem Masi oder einem dürftigen Hüften- schurz begnügte, erzählt der Missionär Williams er habe bei einer Schilderung der nackten Neu-Caledonier und ihrer Götzen, ver- ächtlich ausgerufen: "nicht im Besitz eines Masi und wollen Götter haben!" Je vertrauter wir aber mit fremden Sitten durch gründ- liche Forschungen geworden sind, desto häufiger ergab sich, dass Nacktheit und Sittsamkeit sich durchaus nicht ausschliessen und vor allen Dingen, dass bei verschiednen Völkern das Schamgefühl bald diesen bald jenen Körpertheil zu verhüllen gebietet. Wenn ein frommer Moslim aus Ferghana unsern Bällen beiwohnen, die Entblössungen unserer Frauen und Töchter, die halben Um- armungen bei unsern Rundtänze wahrnähme, so würde er im Stillen nur die Langmuth Allah's bewundern, der nicht schon längst über dieses sündhafte und schamlose Geschlecht Schwefelgluthen habe herabregnen lassen. Gleichwohl war vor dem Auftreten des Propheten die Verschleierung der Frauen im Morgenlande nicht gebräuchlich. Im königlichen Harem von Maskat erregte die Gräfin Pauline Nostiz die Verlegenheit fürstlicher Damen, weil sie ohne Drahtmaske sich ihnen näherte. Nicht einmal die Mutter sieht dort nach dem zwölften Jahre ihre Tochter mit unbedecktem Ge- sicht, dagegen lassen die durchsichtigen Gewänder Leib und Glieder deutlich erkennen 2). Frauen die bei Basra am Euphrat
1)Carl Rau im Archiv für Anthropologie. Bd. 5. Braunschw. 1871. S. 8.
2)Joh. Wilh. Helfers Reisen in Vorderasien und Indien. Leipzig 1873. Bd. 2. S. 10--13.
Bekleidung und Obdach.
in Nordamerika während de Soto’s abenteuerlichen Kriegszügen von einheimischen Kaufleuten mit Salz aus der Landschaft Cayas versorgt 1).
3. Bekleidung und Obdach.
Wo europäische Seefahrer an frisch entdeckten Küsten die Bewohner in nacktem Zustande gewahrten, waren sie gleich bereit diese auf die niedrigste Stufe menschlicher Entwicklung zu stellen. Eine Verhüllung der körperlichen Blössen, als erster Schritt zur Erhebung aus der sogenannten Wildheit, wird übrigens nicht blos von den hochgesitteten Völkern gefordert. Von einem Schamanen oder Priester aus Somosomo, also einem Fidschiinsulaner, der sich wie seine Landsleute mit dem Masi oder einem dürftigen Hüften- schurz begnügte, erzählt der Missionär Williams er habe bei einer Schilderung der nackten Neu-Caledonier und ihrer Götzen, ver- ächtlich ausgerufen: „nicht im Besitz eines Masi und wollen Götter haben!“ Je vertrauter wir aber mit fremden Sitten durch gründ- liche Forschungen geworden sind, desto häufiger ergab sich, dass Nacktheit und Sittsamkeit sich durchaus nicht ausschliessen und vor allen Dingen, dass bei verschiednen Völkern das Schamgefühl bald diesen bald jenen Körpertheil zu verhüllen gebietet. Wenn ein frommer Moslim aus Ferghana unsern Bällen beiwohnen, die Entblössungen unserer Frauen und Töchter, die halben Um- armungen bei unsern Rundtänze wahrnähme, so würde er im Stillen nur die Langmuth Allah’s bewundern, der nicht schon längst über dieses sündhafte und schamlose Geschlecht Schwefelgluthen habe herabregnen lassen. Gleichwohl war vor dem Auftreten des Propheten die Verschleierung der Frauen im Morgenlande nicht gebräuchlich. Im königlichen Harem von Maskat erregte die Gräfin Pauline Nostiz die Verlegenheit fürstlicher Damen, weil sie ohne Drahtmaske sich ihnen näherte. Nicht einmal die Mutter sieht dort nach dem zwölften Jahre ihre Tochter mit unbedecktem Ge- sicht, dagegen lassen die durchsichtigen Gewänder Leib und Glieder deutlich erkennen 2). Frauen die bei Basra am Euphrat
1)Carl Rau im Archiv für Anthropologie. Bd. 5. Braunschw. 1871. S. 8.
2)Joh. Wilh. Helfers Reisen in Vorderasien und Indien. Leipzig 1873. Bd. 2. S. 10—13.
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Bekleidung und Obdach.
in Nordamerika während de Soto’s abenteuerlichen Kriegszügen
von einheimischen Kaufleuten mit Salz aus der Landschaft Cayas
versorgt 1).
3. Bekleidung und Obdach.
Wo europäische Seefahrer an frisch entdeckten Küsten die
Bewohner in nacktem Zustande gewahrten, waren sie gleich bereit
diese auf die niedrigste Stufe menschlicher Entwicklung zu stellen.
Eine Verhüllung der körperlichen Blössen, als erster Schritt zur
Erhebung aus der sogenannten Wildheit, wird übrigens nicht blos
von den hochgesitteten Völkern gefordert. Von einem Schamanen
oder Priester aus Somosomo, also einem Fidschiinsulaner, der sich
wie seine Landsleute mit dem Masi oder einem dürftigen Hüften-
schurz begnügte, erzählt der Missionär Williams er habe bei einer
Schilderung der nackten Neu-Caledonier und ihrer Götzen, ver-
ächtlich ausgerufen: „nicht im Besitz eines Masi und wollen Götter
haben!“ Je vertrauter wir aber mit fremden Sitten durch gründ-
liche Forschungen geworden sind, desto häufiger ergab sich, dass
Nacktheit und Sittsamkeit sich durchaus nicht ausschliessen und
vor allen Dingen, dass bei verschiednen Völkern das Schamgefühl
bald diesen bald jenen Körpertheil zu verhüllen gebietet. Wenn
ein frommer Moslim aus Ferghana unsern Bällen beiwohnen, die
Entblössungen unserer Frauen und Töchter, die halben Um-
armungen bei unsern Rundtänze wahrnähme, so würde er im
Stillen nur die Langmuth Allah’s bewundern, der nicht schon längst
über dieses sündhafte und schamlose Geschlecht Schwefelgluthen
habe herabregnen lassen. Gleichwohl war vor dem Auftreten des
Propheten die Verschleierung der Frauen im Morgenlande nicht
gebräuchlich. Im königlichen Harem von Maskat erregte die Gräfin
Pauline Nostiz die Verlegenheit fürstlicher Damen, weil sie ohne
Drahtmaske sich ihnen näherte. Nicht einmal die Mutter sieht
dort nach dem zwölften Jahre ihre Tochter mit unbedecktem Ge-
sicht, dagegen lassen die durchsichtigen Gewänder Leib und
Glieder deutlich erkennen 2). Frauen die bei Basra am Euphrat
1) Carl Rau im Archiv für Anthropologie. Bd. 5. Braunschw. 1871. S. 8.
2) Joh. Wilh. Helfers Reisen in Vorderasien und Indien. Leipzig
1873. Bd. 2. S. 10—13.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/194>, abgerufen am 19.11.2024.
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