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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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Studio in der Theologie.
die Donatisten unten lagen. Er liesse wieder die Ketzer und
dissentirenden/ allerley Straffen zu, nur die Todes-Straffe
ausgenommen. Seine Raisons aber sind von geringen
Werth. (b) So gehet es wenn man zur Herrschafft mit
zugelassen wird. Da will man die dissendirenden zur
Einigkeit der Bekänntniß zwingen/ von sich sagen/ oder
wohl gar als grosse Ubelthäter bestraffen.

§. XXIX.

Dieser irrige Wahn/ ist nachmahls im-Lehre der
Protestiren
den von der
Toleranz.

mer fortgepflantzet worden. Es würde zu weitläufftig fal-
len/ durch alle Secula durchzugehen. Jch will nur von de-
nen neuen Zeiten einiges erwehnen. Durch die Reforma-
tion Lutheri,
ist uns ein grosses Licht auffgegangen. Die
Augspurgischen Confessions-Verwandten/ ehe sie den Re-
ligions-Frieden erlanget/ priesen demnach die Toleranz
als eine unentbehrliche Sache heraus. Lutherus ware ih-
nen hierinnen zur Gnüge vorgegangen. Dem Gegentheil
schiene diese Gewissens-Freyheit/ eine Ketzerey. Man

brach-
(b) Es gestehet Augustinus epist. 93. ad Vincent. daß er Anfangs der Mei-Jngleichen
Augustini.

nung gewesen, man solte zur Lehre CHristi niemand zwingen. Man
müste Worte und Beweißthümer gebrauchen. Sonsten würde man nur
Heuchler machen. Diese Meinung aber hätte ihn nicht die Worte des
Gegentheils, sondern die Exempel derjenigen, so die Sache dargethan be-
nommen. Also ist er durch keine vernünfftige Gründe, sondern durch
blosse
Exempel auf andere Gedancken gebracht worden. Der gute Au-
gustinus
aber, der bey allen dreyen Haupt-Religionen in guten Credit
stehet, hätte bedencken sollen, daß alle Exempel, die der Vernunfft, und
Lehre CHristi entgegen sind, in keinen Wehrt zu halten. Allein die
Begierde die Donatisten zu verfolgen, hatte ihn verblendet. Die
Schwäche aller seiner Schein-Gründe, hat der scharffsinnige Bayle in
seinem Commentaire philosophique Tom. II. zur Gnüge an Tag ge-
leget.
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Studio in der Theologie.
die Donatiſten unten lagen. Er lieſſe wieder die Ketzer und
diſſentirenden/ allerley Straffen zu, nur die Todes-Straffe
ausgenommen. Seine Raiſons aber ſind von geringen
Werth. (b) So gehet es wenn man zur Herrſchafft mit
zugelaſſen wird. Da will man die diſſendirenden zur
Einigkeit der Bekaͤnntniß zwingen/ von ſich ſagen/ oder
wohl gar als groſſe Ubelthaͤter beſtraffen.

§. XXIX.

Dieſer irrige Wahn/ iſt nachmahls im-Lehre der
Proteſtiren
den von der
Toleranz.

mer fortgepflantzet worden. Es wuͤrde zu weitlaͤufftig fal-
len/ durch alle Secula durchzugehen. Jch will nur von de-
nen neuen Zeiten einiges erwehnen. Durch die Reforma-
tion Lutheri,
iſt uns ein groſſes Licht auffgegangen. Die
Augſpurgiſchen Confeſſions-Verwandten/ ehe ſie den Re-
ligions-Frieden erlanget/ prieſen demnach die Toleranz
als eine unentbehrliche Sache heraus. Lutherus ware ih-
nen hierinnen zur Gnuͤge vorgegangen. Dem Gegentheil
ſchiene dieſe Gewiſſens-Freyheit/ eine Ketzerey. Man

brach-
(b) Es geſtehet Auguſtinus epiſt. 93. ad Vincent. daß er Anfangs der Mei-Jngleichen
Auguſtini.

nung geweſen, man ſolte zur Lehre CHriſti niemand zwingen. Man
muͤſte Worte und Beweißthuͤmer gebrauchen. Sonſten wuͤrde man nur
Heuchler machen. Dieſe Meinung aber haͤtte ihn nicht die Worte des
Gegentheils, ſondern die Exempel derjenigen, ſo die Sache dargethan be-
nommen. Alſo iſt er durch keine vernuͤnfftige Gruͤnde, ſondern durch
bloſſe
Exempel auf andere Gedancken gebracht worden. Der gute Au-
guſtinus
aber, der bey allen dreyen Haupt-Religionen in guten Credit
ſtehet, haͤtte bedencken ſollen, daß alle Exempel, die der Vernunfft, und
Lehre CHriſti entgegen ſind, in keinen Wehrt zu halten. Allein die
Begierde die Donatiſten zu verfolgen, hatte ihn verblendet. Die
Schwaͤche aller ſeiner Schein-Gruͤnde, hat der ſcharffſinnige Bayle in
ſeinem Commentaire philoſophique Tom. II. zur Gnuͤge an Tag ge-
leget.
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[37/0056] Studio in der Theologie. die Donatiſten unten lagen. Er lieſſe wieder die Ketzer und diſſentirenden/ allerley Straffen zu, nur die Todes-Straffe ausgenommen. Seine Raiſons aber ſind von geringen Werth. (b) So gehet es wenn man zur Herrſchafft mit zugelaſſen wird. Da will man die diſſendirenden zur Einigkeit der Bekaͤnntniß zwingen/ von ſich ſagen/ oder wohl gar als groſſe Ubelthaͤter beſtraffen. §. XXIX. Dieſer irrige Wahn/ iſt nachmahls im- mer fortgepflantzet worden. Es wuͤrde zu weitlaͤufftig fal- len/ durch alle Secula durchzugehen. Jch will nur von de- nen neuen Zeiten einiges erwehnen. Durch die Reforma- tion Lutheri, iſt uns ein groſſes Licht auffgegangen. Die Augſpurgiſchen Confeſſions-Verwandten/ ehe ſie den Re- ligions-Frieden erlanget/ prieſen demnach die Toleranz als eine unentbehrliche Sache heraus. Lutherus ware ih- nen hierinnen zur Gnuͤge vorgegangen. Dem Gegentheil ſchiene dieſe Gewiſſens-Freyheit/ eine Ketzerey. Man brach- Lehre der Proteſtiren den von der Toleranz. (b) Es geſtehet Auguſtinus epiſt. 93. ad Vincent. daß er Anfangs der Mei- nung geweſen, man ſolte zur Lehre CHriſti niemand zwingen. Man muͤſte Worte und Beweißthuͤmer gebrauchen. Sonſten wuͤrde man nur Heuchler machen. Dieſe Meinung aber haͤtte ihn nicht die Worte des Gegentheils, ſondern die Exempel derjenigen, ſo die Sache dargethan be- nommen. Alſo iſt er durch keine vernuͤnfftige Gruͤnde, ſondern durch bloſſe Exempel auf andere Gedancken gebracht worden. Der gute Au- guſtinus aber, der bey allen dreyen Haupt-Religionen in guten Credit ſtehet, haͤtte bedencken ſollen, daß alle Exempel, die der Vernunfft, und Lehre CHriſti entgegen ſind, in keinen Wehrt zu halten. Allein die Begierde die Donatiſten zu verfolgen, hatte ihn verblendet. Die Schwaͤche aller ſeiner Schein-Gruͤnde, hat der ſcharffſinnige Bayle in ſeinem Commentaire philoſophique Tom. II. zur Gnuͤge an Tag ge- leget. e 3

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/56>, abgerufen am 21.11.2024.