Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Abth. IV. Cap. Von der
Die Beich-
te soll ge-
heim gehal-
ten werden,
wenn auch
die Obrig-
keit ein an-
deres be-fiehlt.
§. XIV.

Ein Beicht-Vater soll nicht alleine über al-
les/ was man ihm anvertrauet/ reinen Mund halten/ son-
dern auch nichts auf andere Weise verrathen a). Ja wenn
gleich die Obrigkeit ihn darzu anhalten wolte/ daß er we-
gen des gebeichteten etwas solte aussagen/ so darf er es
dennoch nicht bewerckstelligen. Er muß alles geheim halten/
und sich an keine Drohungen kehrenb). Einige meinen zwar/
wenn die Obrigkeit dem Beicht-Vater den Reinigungs Eid
zuerkennete/ daß er von diesem oder jenem nichts wüste/ so
könnte er mit gutem Gewissen schwören. Wenn er es gleich
zehnmahl von dem Beicht-Kinde gehöret/ so wüste er doch

als
a) Man darff
nicht aus der
Beichte schwa-
tzen, es nur ei-
nem andern zu
vertrauen.
Jch meine absonderlich das Schreiben. Man mag solches nun
mit ordentlichen Buchstaben, charactern, oder Ziffern thun, so
ist es nicht zugelassen. Conf. c. 12 X. de poenit. & remiss. Biß-
weilen finden sich einige, die da sagen: Jch will euchs vertrau-
et haben, aber ich gestehe euch nichts. Jhr dürfft es mir
nicht nachsagen, denn ich will es nicht geredet haben.
Was
ist aber dieses anders, als aus der Beichte schwatzen? Blasius sa-
get es mit solchen Bedingungen Titio, Titius Sempronio, und
dieser wieder einem andern. So erfähret die gantze Stadt eine
Sache im höchsten Vertrauen. Also nützen dergleichen Pro-
testationes
nichts. Man handelt solchen mit der That zuwieder.
Darum wird auch in denen Rechten nicht darauf regardiret. vid.
Beyer cit. l. Cap. 3.
§. 52.
b) Man darff
nichts offen-
bahren, wenn
man gleich
meinet, die
Verbrechen
dürfften nicht
ungestrafft
bleiben.
Es hindert nichts, daß gleichwohl dem gemeinen Wesen daran
gelegen, daß die Schand- und Ubelthaten nicht ungestrafft blei-
ben. Darum solte man alles anzeigen, was Straffe verdienet,
damit dieselbe erfolgte. Allein wenn gleich dieses richtig ist:
Man soll der Obrigkeit alles, was straffbar ist, anzeigen, so tau-
get doch diese Folgerung nichts: Darum müssen es auch die
Beicht-Väter thun. Denn dieserwegen ist die Beichte nicht ein-
geführet worden. Sie soll denen geängsteten Gewissen zu stat-
ten kommen, wie schon hin und wieder gemeldet worden.
c) Dam-
II. Abth. IV. Cap. Von der
Die Beich-
te ſoll ge-
heim gehal-
ten werden,
wenn auch
die Obrig-
keit ein an-
deres be-fiehlt.
§. XIV.

Ein Beicht-Vater ſoll nicht alleine uͤber al-
les/ was man ihm anvertrauet/ reinen Mund halten/ ſon-
dern auch nichts auf andere Weiſe verrathen a). Ja wenn
gleich die Obrigkeit ihn darzu anhalten wolte/ daß er we-
gen des gebeichteten etwas ſolte ausſagen/ ſo darf er es
dennoch nicht bewerckſtelligen. Er muß alles geheim halten/
und ſich an keine Drohungen kehrenb). Einige meinen zwar/
wenn die Obrigkeit dem Beicht-Vater den Reinigungs Eid
zuerkennete/ daß er von dieſem oder jenem nichts wuͤſte/ ſo
koͤnnte er mit gutem Gewiſſen ſchwoͤren. Wenn er es gleich
zehnmahl von dem Beicht-Kinde gehoͤret/ ſo wuͤſte er doch

als
a) Man darff
nicht aus der
Beichte ſchwa-
tzen, es nur ei-
nem andern zu
vertrauen.
Jch meine abſonderlich das Schreiben. Man mag ſolches nun
mit ordentlichen Buchſtaben, charactern, oder Ziffern thun, ſo
iſt es nicht zugelaſſen. Conf. c. 12 X. de pœnit. & remisſ. Biß-
weilen finden ſich einige, die da ſagen: Jch will euchs vertrau-
et haben, aber ich geſtehe euch nichts. Jhr duͤrfft es mir
nicht nachſagen, denn ich will es nicht geredet haben.
Was
iſt aber dieſes anders, als aus der Beichte ſchwatzen? Blaſius ſa-
get es mit ſolchen Bedingungen Titio, Titius Sempronio, und
dieſer wieder einem andern. So erfaͤhret die gantze Stadt eine
Sache im hoͤchſten Vertrauen. Alſo nuͤtzen dergleichen Pro-
teſtationes
nichts. Man handelt ſolchen mit der That zuwieder.
Darum wird auch in denen Rechten nicht darauf regardiret. vid.
Beyer cit. l. Cap. 3.
§. 52.
b) Man darff
nichts offen-
bahren, wenn
man gleich
meinet, die
Verbrechen
duͤrfften nicht
ungeſtrafft
bleiben.
Es hindert nichts, daß gleichwohl dem gemeinen Weſen daran
gelegen, daß die Schand- und Ubelthaten nicht ungeſtrafft blei-
ben. Darum ſolte man alles anzeigen, was Straffe verdienet,
damit dieſelbe erfolgte. Allein wenn gleich dieſes richtig iſt:
Man ſoll der Obrigkeit alles, was ſtraffbar iſt, anzeigen, ſo tau-
get doch dieſe Folgerung nichts: Darum muͤſſen es auch die
Beicht-Vaͤter thun. Denn dieſerwegen iſt die Beichte nicht ein-
gefuͤhret worden. Sie ſoll denen geaͤngſteten Gewiſſen zu ſtat-
ten kommen, wie ſchon hin und wieder gemeldet worden.
c) Dam-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0337" n="318"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Cap. Von der</hi> </fw><lb/>
            <note place="left">Die Beich-<lb/>
te &#x017F;oll ge-<lb/>
heim gehal-<lb/>
ten werden,<lb/>
wenn auch<lb/>
die Obrig-<lb/>
keit ein an-<lb/>
deres be-fiehlt.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. <hi rendition="#aq">XIV.</hi></head>
            <p>Ein Beicht-Vater &#x017F;oll nicht alleine u&#x0364;ber al-<lb/>
les/ was man ihm anvertrauet/ reinen Mund halten/ &#x017F;on-<lb/>
dern auch nichts auf andere Wei&#x017F;e verrathen <note place="foot" n="a)"><note place="left">Man darff<lb/>
nicht aus der<lb/>
Beichte &#x017F;chwa-<lb/>
tzen, es nur ei-<lb/>
nem andern zu<lb/>
vertrauen.</note>Jch meine ab&#x017F;onderlich das <hi rendition="#fr">Schreiben.</hi> Man mag &#x017F;olches nun<lb/>
mit ordentlichen Buch&#x017F;taben, <hi rendition="#aq">charactern,</hi> oder Ziffern thun, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t es nicht zugela&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Conf. c. 12 X. de p&#x0153;nit. &amp; remis&#x017F;.</hi></hi> Biß-<lb/>
weilen finden &#x017F;ich einige, die da &#x017F;agen: <hi rendition="#fr">Jch will euchs vertrau-<lb/>
et haben, aber ich ge&#x017F;tehe euch nichts. Jhr du&#x0364;rfft es mir<lb/>
nicht nach&#x017F;agen, denn ich will es nicht geredet haben.</hi> Was<lb/>
i&#x017F;t aber die&#x017F;es anders, als aus der Beichte &#x017F;chwatzen? <hi rendition="#aq">Bla&#x017F;ius</hi> &#x017F;a-<lb/>
get es mit &#x017F;olchen Bedingungen <hi rendition="#aq">Titio, Titius Sempronio,</hi> und<lb/>
die&#x017F;er wieder einem andern. So erfa&#x0364;hret die gantze Stadt eine<lb/>
Sache im <hi rendition="#fr">ho&#x0364;ch&#x017F;ten Vertrauen.</hi> Al&#x017F;o nu&#x0364;tzen dergleichen <hi rendition="#aq">Pro-<lb/>
te&#x017F;tationes</hi> nichts. Man handelt &#x017F;olchen mit der That zuwieder.<lb/>
Darum wird auch in denen Rechten nicht darauf <hi rendition="#aq">regardiret. vid.<lb/>
Beyer <hi rendition="#i">cit. l. Cap. 3.</hi></hi> §. <hi rendition="#i">52.</hi></note>. Ja wenn<lb/>
gleich die <hi rendition="#fr">Obrigkeit</hi> ihn darzu anhalten wolte/ daß er we-<lb/>
gen des gebeichteten etwas &#x017F;olte aus&#x017F;agen/ &#x017F;o darf er es<lb/>
dennoch nicht bewerck&#x017F;telligen. Er muß alles geheim halten/<lb/>
und &#x017F;ich an keine Drohungen kehren<note place="foot" n="b)"><note place="left">Man darff<lb/>
nichts offen-<lb/>
bahren, wenn<lb/>
man gleich<lb/>
meinet, die<lb/>
Verbrechen<lb/>
du&#x0364;rfften nicht<lb/>
unge&#x017F;trafft<lb/>
bleiben.</note>Es hindert nichts, daß gleichwohl dem gemeinen We&#x017F;en daran<lb/>
gelegen, daß die Schand- und Ubelthaten nicht unge&#x017F;trafft blei-<lb/>
ben. Darum &#x017F;olte man alles anzeigen, was Straffe verdienet,<lb/>
damit die&#x017F;elbe erfolgte. Allein wenn gleich die&#x017F;es richtig i&#x017F;t:<lb/>
Man &#x017F;oll der Obrigkeit alles, was &#x017F;traffbar i&#x017F;t, anzeigen, &#x017F;o tau-<lb/>
get doch die&#x017F;e Folgerung nichts: Darum mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en es auch die<lb/>
Beicht-Va&#x0364;ter thun. Denn die&#x017F;erwegen i&#x017F;t die Beichte nicht ein-<lb/>
gefu&#x0364;hret worden. Sie &#x017F;oll denen gea&#x0364;ng&#x017F;teten Gewi&#x017F;&#x017F;en zu &#x017F;tat-<lb/>
ten kommen, wie &#x017F;chon hin und wieder gemeldet worden.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">c) Dam-</hi></fw></note>. Einige meinen zwar/<lb/>
wenn die Obrigkeit dem Beicht-Vater den <hi rendition="#fr">Reinigungs Eid</hi><lb/>
zuerkennete/ daß er von die&#x017F;em oder jenem nichts wu&#x0364;&#x017F;te/ &#x017F;o<lb/>
ko&#x0364;nnte er mit gutem Gewi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chwo&#x0364;ren. Wenn er es gleich<lb/>
zehnmahl von dem Beicht-Kinde geho&#x0364;ret/ &#x017F;o wu&#x0364;&#x017F;te er doch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[318/0337] II. Abth. IV. Cap. Von der §. XIV. Ein Beicht-Vater ſoll nicht alleine uͤber al- les/ was man ihm anvertrauet/ reinen Mund halten/ ſon- dern auch nichts auf andere Weiſe verrathen a). Ja wenn gleich die Obrigkeit ihn darzu anhalten wolte/ daß er we- gen des gebeichteten etwas ſolte ausſagen/ ſo darf er es dennoch nicht bewerckſtelligen. Er muß alles geheim halten/ und ſich an keine Drohungen kehren b). Einige meinen zwar/ wenn die Obrigkeit dem Beicht-Vater den Reinigungs Eid zuerkennete/ daß er von dieſem oder jenem nichts wuͤſte/ ſo koͤnnte er mit gutem Gewiſſen ſchwoͤren. Wenn er es gleich zehnmahl von dem Beicht-Kinde gehoͤret/ ſo wuͤſte er doch als a) Jch meine abſonderlich das Schreiben. Man mag ſolches nun mit ordentlichen Buchſtaben, charactern, oder Ziffern thun, ſo iſt es nicht zugelaſſen. Conf. c. 12 X. de pœnit. & remisſ. Biß- weilen finden ſich einige, die da ſagen: Jch will euchs vertrau- et haben, aber ich geſtehe euch nichts. Jhr duͤrfft es mir nicht nachſagen, denn ich will es nicht geredet haben. Was iſt aber dieſes anders, als aus der Beichte ſchwatzen? Blaſius ſa- get es mit ſolchen Bedingungen Titio, Titius Sempronio, und dieſer wieder einem andern. So erfaͤhret die gantze Stadt eine Sache im hoͤchſten Vertrauen. Alſo nuͤtzen dergleichen Pro- teſtationes nichts. Man handelt ſolchen mit der That zuwieder. Darum wird auch in denen Rechten nicht darauf regardiret. vid. Beyer cit. l. Cap. 3. §. 52. b) Es hindert nichts, daß gleichwohl dem gemeinen Weſen daran gelegen, daß die Schand- und Ubelthaten nicht ungeſtrafft blei- ben. Darum ſolte man alles anzeigen, was Straffe verdienet, damit dieſelbe erfolgte. Allein wenn gleich dieſes richtig iſt: Man ſoll der Obrigkeit alles, was ſtraffbar iſt, anzeigen, ſo tau- get doch dieſe Folgerung nichts: Darum muͤſſen es auch die Beicht-Vaͤter thun. Denn dieſerwegen iſt die Beichte nicht ein- gefuͤhret worden. Sie ſoll denen geaͤngſteten Gewiſſen zu ſtat- ten kommen, wie ſchon hin und wieder gemeldet worden. c) Dam-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/337
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/337>, abgerufen am 21.12.2024.