Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

man zur Beichte gehen soll.
les recht, wahrhafftig und gottseelig ist, man es mit Ernst
und auff alle Weise vertheidigen müsse; und daß der-
jenige GOTT gleich zu achten, durch welchen die göttliche
Majestät zum guten Beyspiel gerächet wird. Wir suchen a-
ber nur die Art der Vertheydigung: Hier entstehen so viel
Zweiffel, als bey der Religion. Denn derjenige Vertheidiger
des Gottes-Dienstes, der dir anstehet, nehmlich der Soldat
oder Hencker, scheinet mir ungeschickt, ungerecht, schändlich.
Und wenn die Wahrheit zu sagen erlaubt: die Religion hat
allen Glauben verlohren, wenn sie aus Furcht der Straffe
vor wahr gehalten werden muß. So entfernet euch dem-
nach ihr Waffen, höret auf ihr Raubereyen, ruhet ihr Schlä-
ge, Foltern, Stricke, Feuer. Man muß eine andere Beschü-
tzung bereiten. Wir brauchen keine Grausamkeit, noch
Muthwillen; durch Vernunfft, Weißheit, Verstand muß
diejenige Religion, so wahr ist, feste gesetzet werden. Es mü-
ste denn seyn, daß jemand daßjenige glauben könte, was man
ihm befiehlet, wenn er gleich nicht davon überzeuget ist. Al-
lein schauet in den Verstand, erforschet die Macht und Ei-
genschafft der Seelen und der Vernunfft: Es kommt alles
darauff an, daß solche menschlichem Gutdüncken nicht unter-
worffen. Es kan weiter nichts vertragen, als daß man es
durch Lehre leitet, und durch Rath regieret; wenn es über-
wiesen, fället es dem nothwendigen Beweißthum bey. Selbst
die gantze Werckstat der Leichtgläubigkeit lässet sich nicht
zwingen.

§. III.

Beliebt dir aber diese Meinung/ daß man dieOb die
Beichte eine
Vorberei-
tung zum A-
bendmahl.

Leute darum zur Beichte zwingen könte/ weil solche eine
Vorbereitung zum Heil. Abendmahl/ so kan ich doch wie-
der nichts anders thun/ als dir hierinn zu wiedersprechen.
Du sprichst/ solche Leute die verachteten die Sacramenta.
Sie wären also Feinde GOttes. Ob nun schon die Beich-
te bey uns vor kein Sacrament gehalten würde/ so könte
man doch nicht zum Sacrament des Nachtmahls gelangen/
wenn man nicht gebeichtet. Hieraus wäre zu erkennen/

daß
e e 2

man zur Beichte gehen ſoll.
les recht, wahrhafftig und gottſeelig iſt, man es mit Ernſt
und auff alle Weiſe vertheidigen muͤſſe; und daß der-
jenige GOTT gleich zu achten, durch welchen die goͤttliche
Majeſtaͤt zum guten Beyſpiel geraͤchet wird. Wir ſuchen a-
ber nur die Art der Vertheydigung: Hier entſtehen ſo viel
Zweiffel, als bey der Religion. Denn derjenige Vertheidiger
des Gottes-Dienſtes, der dir anſtehet, nehmlich der Soldat
oder Hencker, ſcheinet mir ungeſchickt, ungerecht, ſchaͤndlich.
Und wenn die Wahrheit zu ſagen erlaubt: die Religion hat
allen Glauben verlohren, wenn ſie aus Furcht der Straffe
vor wahr gehalten werden muß. So entfernet euch dem-
nach ihr Waffen, hoͤret auf ihr Raubereyen, ruhet ihr Schlaͤ-
ge, Foltern, Stricke, Feuer. Man muß eine andere Beſchuͤ-
tzung bereiten. Wir brauchen keine Grauſamkeit, noch
Muthwillen; durch Vernunfft, Weißheit, Verſtand muß
diejenige Religion, ſo wahr iſt, feſte geſetzet werden. Es muͤ-
ſte denn ſeyn, daß jemand daßjenige glauben koͤnte, was man
ihm befiehlet, wenn er gleich nicht davon uͤberzeuget iſt. Al-
lein ſchauet in den Verſtand, erforſchet die Macht und Ei-
genſchafft der Seelen und der Vernunfft: Es kommt alles
darauff an, daß ſolche menſchlichem Gutduͤncken nicht unter-
worffen. Es kan weiter nichts vertragen, als daß man es
durch Lehre leitet, und durch Rath regieret; wenn es uͤber-
wieſen, faͤllet es dem nothwendigen Beweißthum bey. Selbſt
die gantze Werckſtat der Leichtglaͤubigkeit laͤſſet ſich nicht
zwingen.

§. III.

Beliebt dir aber dieſe Meinung/ daß man dieOb die
Beichte eine
Vorberei-
tung zum A-
bendmahl.

Leute darum zur Beichte zwingen koͤnte/ weil ſolche eine
Vorbereitung zum Heil. Abendmahl/ ſo kan ich doch wie-
der nichts anders thun/ als dir hierinn zu wiederſprechen.
Du ſprichſt/ ſolche Leute die verachteten die Sacramenta.
Sie waͤren alſo Feinde GOttes. Ob nun ſchon die Beich-
te bey uns vor kein Sacrament gehalten wuͤrde/ ſo koͤnte
man doch nicht zum Sacrament des Nachtmahls gelangen/
wenn man nicht gebeichtet. Hieraus waͤre zu erkennen/

daß
e e 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0238" n="219"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">man zur Beichte gehen &#x017F;oll.</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">les recht, wahrhafftig und gott&#x017F;eelig i&#x017F;t, man es mit Ern&#x017F;t<lb/>
und auff alle Wei&#x017F;e vertheidigen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; und daß der-<lb/>
jenige GOTT gleich zu achten, durch welchen die go&#x0364;ttliche<lb/>
Maje&#x017F;ta&#x0364;t zum guten Bey&#x017F;piel gera&#x0364;chet wird. Wir &#x017F;uchen a-<lb/>
ber nur die Art der Vertheydigung: Hier ent&#x017F;tehen &#x017F;o viel<lb/>
Zweiffel, als bey der Religion. Denn derjenige Vertheidiger<lb/>
des Gottes-Dien&#x017F;tes, der dir an&#x017F;tehet, nehmlich der Soldat<lb/>
oder Hencker, &#x017F;cheinet mir unge&#x017F;chickt, ungerecht, &#x017F;cha&#x0364;ndlich.<lb/>
Und wenn die Wahrheit zu &#x017F;agen erlaubt: die Religion hat<lb/>
allen Glauben verlohren, wenn &#x017F;ie aus Furcht der Straffe<lb/>
vor wahr gehalten werden muß. So entfernet euch dem-<lb/>
nach ihr Waffen, ho&#x0364;ret auf ihr Raubereyen, ruhet ihr Schla&#x0364;-<lb/>
ge, Foltern, Stricke, Feuer. Man muß eine andere Be&#x017F;chu&#x0364;-<lb/>
tzung bereiten. Wir brauchen keine Grau&#x017F;amkeit, noch<lb/>
Muthwillen; durch Vernunfft, Weißheit, Ver&#x017F;tand muß<lb/>
diejenige Religion, &#x017F;o wahr i&#x017F;t, fe&#x017F;te ge&#x017F;etzet werden. Es mu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;te denn &#x017F;eyn, daß jemand daßjenige glauben ko&#x0364;nte, was man<lb/>
ihm befiehlet, wenn er gleich nicht davon u&#x0364;berzeuget i&#x017F;t. Al-<lb/>
lein &#x017F;chauet in den Ver&#x017F;tand, erfor&#x017F;chet die Macht und Ei-<lb/>
gen&#x017F;chafft der Seelen und der Vernunfft: Es kommt alles<lb/>
darauff an, daß &#x017F;olche men&#x017F;chlichem Gutdu&#x0364;ncken nicht unter-<lb/>
worffen. Es kan weiter nichts vertragen, als daß man es<lb/>
durch Lehre leitet, und durch Rath regieret; wenn es u&#x0364;ber-<lb/>
wie&#x017F;en, fa&#x0364;llet es dem nothwendigen Beweißthum bey. Selb&#x017F;t<lb/>
die gantze Werck&#x017F;tat der Leichtgla&#x0364;ubigkeit la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich nicht<lb/>
zwingen.</hi> </p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. <hi rendition="#aq">III.</hi></head>
            <p>Beliebt dir aber die&#x017F;e Meinung/ daß man die<note place="right"><hi rendition="#g">Ob die</hi><lb/>
Beichte eine<lb/>
Vorberei-<lb/>
tung zum A-<lb/>
bendmahl.</note><lb/>
Leute darum zur Beichte zwingen ko&#x0364;nte/ weil &#x017F;olche eine<lb/><hi rendition="#fr">Vorbereitung</hi> zum Heil. Abendmahl/ &#x017F;o kan ich doch wie-<lb/>
der nichts anders thun/ als dir hierinn zu wieder&#x017F;prechen.<lb/>
Du &#x017F;prich&#x017F;t/ &#x017F;olche Leute die <hi rendition="#fr">verachteten die Sacramenta.</hi><lb/>
Sie wa&#x0364;ren al&#x017F;o <hi rendition="#fr">Feinde GOttes.</hi> Ob nun &#x017F;chon die Beich-<lb/>
te bey uns vor kein Sacrament gehalten wu&#x0364;rde/ &#x017F;o ko&#x0364;nte<lb/>
man doch nicht zum Sacrament des Nachtmahls gelangen/<lb/>
wenn man nicht gebeichtet. Hieraus wa&#x0364;re zu erkennen/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">e e 2</fw><fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0238] man zur Beichte gehen ſoll. les recht, wahrhafftig und gottſeelig iſt, man es mit Ernſt und auff alle Weiſe vertheidigen muͤſſe; und daß der- jenige GOTT gleich zu achten, durch welchen die goͤttliche Majeſtaͤt zum guten Beyſpiel geraͤchet wird. Wir ſuchen a- ber nur die Art der Vertheydigung: Hier entſtehen ſo viel Zweiffel, als bey der Religion. Denn derjenige Vertheidiger des Gottes-Dienſtes, der dir anſtehet, nehmlich der Soldat oder Hencker, ſcheinet mir ungeſchickt, ungerecht, ſchaͤndlich. Und wenn die Wahrheit zu ſagen erlaubt: die Religion hat allen Glauben verlohren, wenn ſie aus Furcht der Straffe vor wahr gehalten werden muß. So entfernet euch dem- nach ihr Waffen, hoͤret auf ihr Raubereyen, ruhet ihr Schlaͤ- ge, Foltern, Stricke, Feuer. Man muß eine andere Beſchuͤ- tzung bereiten. Wir brauchen keine Grauſamkeit, noch Muthwillen; durch Vernunfft, Weißheit, Verſtand muß diejenige Religion, ſo wahr iſt, feſte geſetzet werden. Es muͤ- ſte denn ſeyn, daß jemand daßjenige glauben koͤnte, was man ihm befiehlet, wenn er gleich nicht davon uͤberzeuget iſt. Al- lein ſchauet in den Verſtand, erforſchet die Macht und Ei- genſchafft der Seelen und der Vernunfft: Es kommt alles darauff an, daß ſolche menſchlichem Gutduͤncken nicht unter- worffen. Es kan weiter nichts vertragen, als daß man es durch Lehre leitet, und durch Rath regieret; wenn es uͤber- wieſen, faͤllet es dem nothwendigen Beweißthum bey. Selbſt die gantze Werckſtat der Leichtglaͤubigkeit laͤſſet ſich nicht zwingen. §. III. Beliebt dir aber dieſe Meinung/ daß man die Leute darum zur Beichte zwingen koͤnte/ weil ſolche eine Vorbereitung zum Heil. Abendmahl/ ſo kan ich doch wie- der nichts anders thun/ als dir hierinn zu wiederſprechen. Du ſprichſt/ ſolche Leute die verachteten die Sacramenta. Sie waͤren alſo Feinde GOttes. Ob nun ſchon die Beich- te bey uns vor kein Sacrament gehalten wuͤrde/ ſo koͤnte man doch nicht zum Sacrament des Nachtmahls gelangen/ wenn man nicht gebeichtet. Hieraus waͤre zu erkennen/ daß Ob die Beichte eine Vorberei- tung zum A- bendmahl. e e 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/238
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/238>, abgerufen am 21.11.2024.