Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stühle,
und wenige Ceremonien b). Unsere Georäuche aber sind
zum öfftern also beschaffen/ daß sie mit der Lehre der alten
Apostolischen Kirche nicht übereinstimmen. Die Theologi
sagen aber doch zum öfftern selbst/ daß man die heutigen
Kirchen nach dem Muster der Apostolischen zu reguliren hät-
te. Auf diese Weise aber würde man viele Sachen/ und
sonderlich auch die Beicht-Stühle abschaffen müssen.

Beschrei-
bung der
Beicht-Stühle.
§. XXIV.

Aus demjenigen/ so wir bißher gesaget/ er sie-
het man/ daß die "Beicht-Stühle besondere Oerter in der
"Kirche sind a)/ so erst im XIII. Seculo aufgekommen/

welche
b) Anmerckung
von denen Ce-
remonien.
Nachmahls suchte man in dem äusserlichen Gottesdienst fast
die gantze Gottseeligkeit. Man hielte dafür, durch genaue Beob-
achtung der Ceremonien thäte man denen Pflichten eines Chri-
sten ein Genügen. Selbst die Gebräuche, so noch unter denen
Protestirenden übrig sind, legen zum öfftern ein sattsames Zeug-
niß der alten superstition dar. Der Zwist, so zwischen Luthero
und Carlstadio entstanden, hat die reformation der Liturgie in
vielen, ja meistentheils verhindert. Luther führte dem Carlstad
zu Verdruß vieles wieder ein, was dieser nicht ohne Grund ver-
worffen und abgeschafft. Man musterte zwar einige papistische
Ceremonien aus, doch wurden verschiedene beybehalten, und
von denen Theologis vertheydiget. Sie bildeten sich und an-
dern ein, man könnte auch mit solchen die Gottesfurcht in denen
Hertzen der Zuhörer feste setzen. conf. Boehmeri disp. de jure Li-
turg. cap. 1.
Mit Beybehaltung der Beicht-Stühle haben sie
sonder Zweiffel gleiche Meinung geführet; allein der Ausgang hat
das Gegentheil zu erkennen gegeben.
a) Erinnerung
wegen der de-
sinition.
Jch rede von demjenigen, was ordentlicher Weise geschiehet.
Es ist bekannt, daß man zuweilen in seinem eignen Hausse, ja auf
dem Bette, oder wenn es auch in der Kirche ist, in der Sacristey
die Beichte ableget, und absoluiret wird. Gemeiniglich aber sind
in der Kirche gewisse Stühle dazu geordnet, daß sich die Beicht-
Väter in solche setzen, und daselbst die Beicht-Kinder absoluiren.
b) Dal-

I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,
und wenige Ceremonien b). Unſere Georaͤuche aber ſind
zum oͤfftern alſo beſchaffen/ daß ſie mit der Lehre der alten
Apoſtoliſchen Kirche nicht uͤbereinſtimmen. Die Theologi
ſagen aber doch zum oͤfftern ſelbſt/ daß man die heutigen
Kirchen nach dem Muſter der Apoſtoliſchen zu reguliren haͤt-
te. Auf dieſe Weiſe aber wuͤrde man viele Sachen/ und
ſonderlich auch die Beicht-Stuͤhle abſchaffen muͤſſen.

Beſchrei-
bung der
Beicht-Stuͤhle.
§. XXIV.

Aus demjenigen/ ſo wir bißher geſaget/ er ſie-
het man/ daß die “Beicht-Stuͤhle beſondere Oerter in der
„Kirche ſind a)/ ſo erſt im XIII. Seculo aufgekommen/

welche
b) Anmerckung
von denen Ce-
remonien.
Nachmahls ſuchte man in dem aͤuſſerlichen Gottesdienſt faſt
die gantze Gottſeeligkeit. Man hielte dafuͤr, durch genaue Beob-
achtung der Ceremonien thaͤte man denen Pflichten eines Chri-
ſten ein Genuͤgen. Selbſt die Gebraͤuche, ſo noch unter denen
Proteſtirenden uͤbrig ſind, legen zum oͤfftern ein ſattſames Zeug-
niß der alten ſuperſtition dar. Der Zwiſt, ſo zwiſchen Luthero
und Carlſtadio entſtanden, hat die reformation der Liturgie in
vielen, ja meiſtentheils verhindert. Luther fuͤhrte dem Carlſtad
zu Verdruß vieles wieder ein, was dieſer nicht ohne Grund ver-
worffen und abgeſchafft. Man muſterte zwar einige papiſtiſche
Ceremonien aus, doch wurden verſchiedene beybehalten, und
von denen Theologis vertheydiget. Sie bildeten ſich und an-
dern ein, man koͤnnte auch mit ſolchen die Gottesfurcht in denen
Hertzen der Zuhoͤrer feſte ſetzen. conf. Bœhmeri diſp. de jure Li-
turg. cap. 1.
Mit Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle haben ſie
ſonder Zweiffel gleiche Meinung gefuͤhret; allein der Ausgang hat
das Gegentheil zu erkennen gegeben.
a) Erinnerung
wegen der de-
ſinition.
Jch rede von demjenigen, was ordentlicher Weiſe geſchiehet.
Es iſt bekannt, daß man zuweilen in ſeinem eignen Hauſſe, ja auf
dem Bette, oder wenn es auch in der Kirche iſt, in der Sacriſtey
die Beichte ableget, und abſoluiret wird. Gemeiniglich aber ſind
in der Kirche gewiſſe Stuͤhle dazu geordnet, daß ſich die Beicht-
Vaͤter in ſolche ſetzen, und daſelbſt die Beicht-Kinder abſoluiren.
b) Dal-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0197" n="178"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stu&#x0364;hle,</hi></fw><lb/>
und wenige Ceremonien <note place="foot" n="b)"><note place="left">Anmerckung<lb/>
von denen Ce-<lb/>
remonien.</note>Nachmahls &#x017F;uchte man in dem a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Gottesdien&#x017F;t fa&#x017F;t<lb/>
die gantze Gott&#x017F;eeligkeit. Man hielte dafu&#x0364;r, durch genaue Beob-<lb/>
achtung der Ceremonien tha&#x0364;te man denen Pflichten eines Chri-<lb/>
&#x017F;ten ein Genu&#x0364;gen. Selb&#x017F;t die Gebra&#x0364;uche, &#x017F;o noch unter denen<lb/><hi rendition="#aq">Prote&#x017F;ti</hi>renden u&#x0364;brig &#x017F;ind, legen zum o&#x0364;fftern ein &#x017F;att&#x017F;ames Zeug-<lb/>
niß der alten <hi rendition="#aq">&#x017F;uper&#x017F;tition</hi> dar. Der Zwi&#x017F;t, &#x017F;o zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Luthero</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">Carl&#x017F;tadio</hi> ent&#x017F;tanden, hat die <hi rendition="#aq">reformation</hi> der <hi rendition="#aq">Liturgie</hi> in<lb/>
vielen, ja mei&#x017F;tentheils verhindert. Luther fu&#x0364;hrte dem Carl&#x017F;tad<lb/>
zu Verdruß vieles wieder ein, was die&#x017F;er nicht ohne Grund ver-<lb/>
worffen und abge&#x017F;chafft. Man mu&#x017F;terte zwar einige papi&#x017F;ti&#x017F;che<lb/>
Ceremonien aus, doch wurden ver&#x017F;chiedene beybehalten, und<lb/>
von denen <hi rendition="#aq">Theologis</hi> vertheydiget. Sie bildeten &#x017F;ich und an-<lb/>
dern ein, man ko&#x0364;nnte auch mit &#x017F;olchen die Gottesfurcht in denen<lb/>
Hertzen der Zuho&#x0364;rer fe&#x017F;te &#x017F;etzen. <hi rendition="#aq">conf. B&#x0153;hmeri <hi rendition="#i">di&#x017F;p. de jure Li-<lb/>
turg. cap. 1.</hi></hi> Mit Beybehaltung der Beicht-Stu&#x0364;hle haben &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;onder Zweiffel gleiche Meinung gefu&#x0364;hret; allein der Ausgang hat<lb/>
das Gegentheil zu erkennen gegeben.</note>. Un&#x017F;ere Geora&#x0364;uche aber &#x017F;ind<lb/>
zum o&#x0364;fftern al&#x017F;o be&#x017F;chaffen/ daß &#x017F;ie mit der Lehre der alten<lb/>
Apo&#x017F;toli&#x017F;chen Kirche nicht u&#x0364;berein&#x017F;timmen. Die <hi rendition="#aq">Theologi</hi><lb/>
&#x017F;agen aber doch zum o&#x0364;fftern &#x017F;elb&#x017F;t/ daß man die heutigen<lb/>
Kirchen nach dem Mu&#x017F;ter der Apo&#x017F;toli&#x017F;chen zu <hi rendition="#aq">reguli</hi>ren ha&#x0364;t-<lb/>
te. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e aber wu&#x0364;rde man viele Sachen/ und<lb/>
&#x017F;onderlich auch die Beicht-Stu&#x0364;hle ab&#x017F;chaffen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <note place="left">Be&#x017F;chrei-<lb/>
bung der<lb/><hi rendition="#g">Beicht-</hi>Stu&#x0364;hle.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. <hi rendition="#aq">XXIV.</hi></head>
            <p>Aus demjenigen/ &#x017F;o wir bißher ge&#x017F;aget/ er &#x017F;ie-<lb/>
het man/ daß die &#x201C;Beicht-Stu&#x0364;hle be&#x017F;ondere Oerter in der<lb/>
&#x201E;Kirche &#x017F;ind <note place="foot" n="a)"><note place="left">Erinnerung<lb/>
wegen der <hi rendition="#aq">de-<lb/>
&#x017F;inition.</hi></note>Jch rede von demjenigen, was <hi rendition="#fr">ordentlicher</hi> Wei&#x017F;e ge&#x017F;chiehet.<lb/>
Es i&#x017F;t bekannt, daß man zuweilen in &#x017F;einem eignen Hau&#x017F;&#x017F;e, ja auf<lb/>
dem Bette, oder wenn es auch in der Kirche i&#x017F;t, in der Sacri&#x017F;tey<lb/>
die Beichte ableget, und <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olui</hi>ret wird. Gemeiniglich aber &#x017F;ind<lb/>
in der Kirche gewi&#x017F;&#x017F;e Stu&#x0364;hle dazu geordnet, daß &#x017F;ich die Beicht-<lb/>
Va&#x0364;ter in &#x017F;olche &#x017F;etzen, und da&#x017F;elb&#x017F;t die Beicht-Kinder <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olui</hi>ren.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">b) Dal-</hi></fw></note>/ &#x017F;o er&#x017F;t im <hi rendition="#aq">XIII. Seculo</hi> aufgekommen/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">welche</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0197] I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle, und wenige Ceremonien b). Unſere Georaͤuche aber ſind zum oͤfftern alſo beſchaffen/ daß ſie mit der Lehre der alten Apoſtoliſchen Kirche nicht uͤbereinſtimmen. Die Theologi ſagen aber doch zum oͤfftern ſelbſt/ daß man die heutigen Kirchen nach dem Muſter der Apoſtoliſchen zu reguliren haͤt- te. Auf dieſe Weiſe aber wuͤrde man viele Sachen/ und ſonderlich auch die Beicht-Stuͤhle abſchaffen muͤſſen. §. XXIV. Aus demjenigen/ ſo wir bißher geſaget/ er ſie- het man/ daß die “Beicht-Stuͤhle beſondere Oerter in der „Kirche ſind a)/ ſo erſt im XIII. Seculo aufgekommen/ welche b) Nachmahls ſuchte man in dem aͤuſſerlichen Gottesdienſt faſt die gantze Gottſeeligkeit. Man hielte dafuͤr, durch genaue Beob- achtung der Ceremonien thaͤte man denen Pflichten eines Chri- ſten ein Genuͤgen. Selbſt die Gebraͤuche, ſo noch unter denen Proteſtirenden uͤbrig ſind, legen zum oͤfftern ein ſattſames Zeug- niß der alten ſuperſtition dar. Der Zwiſt, ſo zwiſchen Luthero und Carlſtadio entſtanden, hat die reformation der Liturgie in vielen, ja meiſtentheils verhindert. Luther fuͤhrte dem Carlſtad zu Verdruß vieles wieder ein, was dieſer nicht ohne Grund ver- worffen und abgeſchafft. Man muſterte zwar einige papiſtiſche Ceremonien aus, doch wurden verſchiedene beybehalten, und von denen Theologis vertheydiget. Sie bildeten ſich und an- dern ein, man koͤnnte auch mit ſolchen die Gottesfurcht in denen Hertzen der Zuhoͤrer feſte ſetzen. conf. Bœhmeri diſp. de jure Li- turg. cap. 1. Mit Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle haben ſie ſonder Zweiffel gleiche Meinung gefuͤhret; allein der Ausgang hat das Gegentheil zu erkennen gegeben. a) Jch rede von demjenigen, was ordentlicher Weiſe geſchiehet. Es iſt bekannt, daß man zuweilen in ſeinem eignen Hauſſe, ja auf dem Bette, oder wenn es auch in der Kirche iſt, in der Sacriſtey die Beichte ableget, und abſoluiret wird. Gemeiniglich aber ſind in der Kirche gewiſſe Stuͤhle dazu geordnet, daß ſich die Beicht- Vaͤter in ſolche ſetzen, und daſelbſt die Beicht-Kinder abſoluiren. b) Dal-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/197
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/197>, abgerufen am 21.12.2024.