Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

nur Eine Tagszeit. Das wärmere Klima sammt
der Liebe und dem Mai schienen alle Frühlings¬
winde seiner Kräfte zu wecken, sie wehten un¬
gestüm, ihm selber sogar bewußt; nur vor der
Geliebten war er, noch wund von der Vergan¬
genheit, bloß ein Zephyr, der die stäubende
Blüthe schont.

Am andern Tage wollt' er nun den Vesuv
besteigen und am Morgen darauf seinen Dian
in Portici erwarten, wenn er vorher auf dem
Vulkan die Sonne hatte aufgehen sehen.

114. Zykel.

Seine Reise beschrieb er seiner Geliebten:

In der Hütte des Einsiedlers auf
dem Vesuv.

"Warum liegt nicht der Mensch auf den
Knieen und betet die Welt an, die Berge, das
Meer, das All? Wie erhebt es den Geist, daß
er ist und daß er die ungeheuere Welt denkt
und sich! -- O Linda, ich bin noch voll von
dem Morgen; auch wohne ich noch auf der er¬
habnen Hölle. Gestern reisete ich am Morgen
mit meinem Bartolomeo durch den reichen vol¬

nur Eine Tagszeit. Das wärmere Klima ſammt
der Liebe und dem Mai ſchienen alle Frühlings¬
winde ſeiner Kräfte zu wecken, ſie wehten un¬
geſtüm, ihm ſelber ſogar bewußt; nur vor der
Geliebten war er, noch wund von der Vergan¬
genheit, bloß ein Zephyr, der die ſtäubende
Blüthe ſchont.

Am andern Tage wollt' er nun den Veſuv
beſteigen und am Morgen darauf ſeinen Dian
in Portici erwarten, wenn er vorher auf dem
Vulkan die Sonne hatte aufgehen ſehen.

114. Zykel.

Seine Reiſe beſchrieb er ſeiner Geliebten:

In der Hütte des Einſiedlers auf
dem Veſuv.

„Warum liegt nicht der Menſch auf den
Knieen und betet die Welt an, die Berge, das
Meer, das All? Wie erhebt es den Geiſt, daß
er iſt und daß er die ungeheuere Welt denkt
und ſich! — O Linda, ich bin noch voll von
dem Morgen; auch wohne ich noch auf der er¬
habnen Hölle. Geſtern reiſete ich am Morgen
mit meinem Bartolomeo durch den reichen vol¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0192" n="180"/>
nur Eine Tagszeit. Das wärmere Klima &#x017F;ammt<lb/>
der Liebe und dem Mai &#x017F;chienen alle Frühlings¬<lb/>
winde &#x017F;einer Kräfte zu wecken, &#x017F;ie wehten un¬<lb/>
ge&#x017F;tüm, ihm &#x017F;elber &#x017F;ogar bewußt; nur vor der<lb/>
Geliebten war er, noch wund von der Vergan¬<lb/>
genheit, bloß ein Zephyr, der die &#x017F;täubende<lb/>
Blüthe &#x017F;chont.</p><lb/>
          <p>Am andern Tage wollt' er nun den Ve&#x017F;uv<lb/>
be&#x017F;teigen und am Morgen darauf &#x017F;einen Dian<lb/>
in Portici erwarten, wenn er vorher auf dem<lb/>
Vulkan die Sonne hatte aufgehen &#x017F;ehen.</p><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>114. <hi rendition="#g">Zykel.</hi><lb/></head>
          <p>Seine Rei&#x017F;e be&#x017F;chrieb er &#x017F;einer Geliebten:</p><lb/>
          <p rendition="#right">In der Hütte des Ein&#x017F;iedlers auf<lb/>
dem Ve&#x017F;uv.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Warum liegt nicht der Men&#x017F;ch auf den<lb/>
Knieen und betet die Welt an, die Berge, das<lb/>
Meer, das All? Wie erhebt es den Gei&#x017F;t, daß<lb/>
er i&#x017F;t und daß er die ungeheuere Welt denkt<lb/>
und &#x017F;ich! &#x2014; O Linda, ich bin noch voll von<lb/>
dem Morgen; auch wohne ich noch auf der er¬<lb/>
habnen Hölle. Ge&#x017F;tern rei&#x017F;ete ich am Morgen<lb/>
mit meinem <hi rendition="#aq">Bartolomeo</hi> durch den reichen vol¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0192] nur Eine Tagszeit. Das wärmere Klima ſammt der Liebe und dem Mai ſchienen alle Frühlings¬ winde ſeiner Kräfte zu wecken, ſie wehten un¬ geſtüm, ihm ſelber ſogar bewußt; nur vor der Geliebten war er, noch wund von der Vergan¬ genheit, bloß ein Zephyr, der die ſtäubende Blüthe ſchont. Am andern Tage wollt' er nun den Veſuv beſteigen und am Morgen darauf ſeinen Dian in Portici erwarten, wenn er vorher auf dem Vulkan die Sonne hatte aufgehen ſehen. 114. Zykel. Seine Reiſe beſchrieb er ſeiner Geliebten: In der Hütte des Einſiedlers auf dem Veſuv. „Warum liegt nicht der Menſch auf den Knieen und betet die Welt an, die Berge, das Meer, das All? Wie erhebt es den Geiſt, daß er iſt und daß er die ungeheuere Welt denkt und ſich! — O Linda, ich bin noch voll von dem Morgen; auch wohne ich noch auf der er¬ habnen Hölle. Geſtern reiſete ich am Morgen mit meinem Bartolomeo durch den reichen vol¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/192
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/192>, abgerufen am 22.12.2024.