Nachtmusik -- Abschiedsbrief -- mein Zanken und Krankseyn.
Ich hatte auf heute vor Spaß zu machen, meine Biographie einen gedruckten Neujahrswunsch an den Leser zu nennen und statt der Wünsche scherz¬ hafte Neuzahrs-Flüche zu thun und dergleichen mehr. Aber ich kann nicht und werd' es überhaupt bald gar nicht mehr können. Welches plumpe aus¬ gebrannte Herz müssen die Menschen haben, die im Angesichte des ersten Tages, der sie unter 364 andre gebückte, ernste, klagende und zerrinnende hinein führet, die tobende schreiende Freude der Thiere dem weichen stillen und aus Weinen grän¬ zenden Vergnügen des Menschen vorzuziehen im Stande sind! Ihr müsset nicht wissen, was die Wörter erster und letzter sagen, wenn ihr nicht darüber, sie mögen einem Tage oder einem Buche oder Jahre gegeben werden, tiefern Athem zieht; ihr müsset noch weniger wissen, was der Mensch vor dem Thiere voraus hat, wenn in euch der Zwi¬ schenraum zwischen Freude und Sehnsucht so groß
Acht und dreiſſigſter oder Neujahrs Sektor.
Nachtmuſik — Abſchiedsbrief — mein Zanken und Krankſeyn.
Ich hatte auf heute vor Spaß zu machen, meine Biographie einen gedruckten Neujahrswunſch an den Leſer zu nennen und ſtatt der Wuͤnſche ſcherz¬ hafte Neuzahrs-Fluͤche zu thun und dergleichen mehr. Aber ich kann nicht und werd' es uͤberhaupt bald gar nicht mehr koͤnnen. Welches plumpe aus¬ gebrannte Herz muͤſſen die Menſchen haben, die im Angeſichte des erſten Tages, der ſie unter 364 andre gebuͤckte, ernſte, klagende und zerrinnende hinein fuͤhret, die tobende ſchreiende Freude der Thiere dem weichen ſtillen und aus Weinen graͤn¬ zenden Vergnuͤgen des Menſchen vorzuziehen im Stande ſind! Ihr muͤſſet nicht wiſſen, was die Woͤrter erſter und letzter ſagen, wenn ihr nicht daruͤber, ſie moͤgen einem Tage oder einem Buche oder Jahre gegeben werden, tiefern Athem zieht; ihr muͤſſet noch weniger wiſſen, was der Menſch vor dem Thiere voraus hat, wenn in euch der Zwi¬ ſchenraum zwiſchen Freude und Sehnſucht ſo groß
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Acht und dreiſſigſter oder Neujahrs Sektor.
Nachtmuſik — Abſchiedsbrief — mein Zanken und Krankſeyn.
Ich hatte auf heute vor Spaß zu machen, meine
Biographie einen gedruckten Neujahrswunſch an
den Leſer zu nennen und ſtatt der Wuͤnſche ſcherz¬
hafte Neuzahrs-Fluͤche zu thun und dergleichen
mehr. Aber ich kann nicht und werd' es uͤberhaupt
bald gar nicht mehr koͤnnen. Welches plumpe aus¬
gebrannte Herz muͤſſen die Menſchen haben, die
im Angeſichte des erſten Tages, der ſie unter 364
andre gebuͤckte, ernſte, klagende und zerrinnende
hinein fuͤhret, die tobende ſchreiende Freude der
Thiere dem weichen ſtillen und aus Weinen graͤn¬
zenden Vergnuͤgen des Menſchen vorzuziehen im
Stande ſind! Ihr muͤſſet nicht wiſſen, was die
Woͤrter erſter und letzter ſagen, wenn ihr nicht
daruͤber, ſie moͤgen einem Tage oder einem Buche
oder Jahre gegeben werden, tiefern Athem
zieht; ihr muͤſſet noch weniger wiſſen, was der Menſch
vor dem Thiere voraus hat, wenn in euch der Zwi¬
ſchenraum zwiſchen Freude und Sehnſucht ſo groß
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/247>, abgerufen am 21.11.2024.
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