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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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vergessen, daß in verschiedenen Leipziger und
Frankfurter Messen, Juden gestanden, welche
ein feines Reibeisen im Unterfutter eingenäht
getragen, womit sie unter dem Vorwande der
Reinigung von den besten Fürsten d'or Goldstaub
abgekratzt, und dann mitgenommen."

"Fremder Herr! Mordieu! Ihr Geld (sagte
der Mann) wird ja immer leichter, je länger ich
wiege. -- Ein Aß um's andre fehlt."

"Wir wollen beyde nichts daraus machen,
Hr. Amtsbruder -- sagte der Doktor, und klopfte
auf dessen spitze Achsel -- sondern als ächte Freunde
scheiden, zumal da man hinter uns Bilsensamen
stampft; Sie kennen dessen Einfluß auf Schlä-
gereien, in denen ohnehin jeder Karakter, wie
eine Sommerkrankheit, leicht einen gewissen
biliösen oder gallichten Karakter annimmt. Wir
beide nicht also!"

"Sacker, zehnmal zu leicht! (rief der Apo-
theker die Goldwage hoch über den Kopf haltend)
An keinen Hasen zu denken!"

Aber der Doktor hatte schon daran gedacht;
denn er hatte den aufs Gespräch horchenden

vergeſſen, daß in verſchiedenen Leipziger und
Frankfurter Meſſen, Juden geſtanden, welche
ein feines Reibeiſen im Unterfutter eingenaͤht
getragen, womit ſie unter dem Vorwande der
Reinigung von den beſten Fuͤrſten d’or Goldſtaub
abgekratzt, und dann mitgenommen.“

„Fremder Herr! Mordieu! Ihr Geld (ſagte
der Mann) wird ja immer leichter, je laͤnger ich
wiege. — Ein Aß um’s andre fehlt.“

„Wir wollen beyde nichts daraus machen,
Hr. Amtsbruder — ſagte der Doktor, und klopfte
auf deſſen ſpitze Achſel — ſondern als aͤchte Freunde
ſcheiden, zumal da man hinter uns Bilſenſamen
ſtampft; Sie kennen deſſen Einfluß auf Schlaͤ-
gereien, in denen ohnehin jeder Karakter, wie
eine Sommerkrankheit, leicht einen gewiſſen
bilioͤſen oder gallichten Karakter annimmt. Wir
beide nicht alſo!“

„Sacker, zehnmal zu leicht! (rief der Apo-
theker die Goldwage hoch uͤber den Kopf haltend)
An keinen Haſen zu denken!“

Aber der Doktor hatte ſchon daran gedacht;
denn er hatte den aufs Geſpraͤch horchenden

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[93/0111] vergeſſen, daß in verſchiedenen Leipziger und Frankfurter Meſſen, Juden geſtanden, welche ein feines Reibeiſen im Unterfutter eingenaͤht getragen, womit ſie unter dem Vorwande der Reinigung von den beſten Fuͤrſten d’or Goldſtaub abgekratzt, und dann mitgenommen.“ „Fremder Herr! Mordieu! Ihr Geld (ſagte der Mann) wird ja immer leichter, je laͤnger ich wiege. — Ein Aß um’s andre fehlt.“ „Wir wollen beyde nichts daraus machen, Hr. Amtsbruder — ſagte der Doktor, und klopfte auf deſſen ſpitze Achſel — ſondern als aͤchte Freunde ſcheiden, zumal da man hinter uns Bilſenſamen ſtampft; Sie kennen deſſen Einfluß auf Schlaͤ- gereien, in denen ohnehin jeder Karakter, wie eine Sommerkrankheit, leicht einen gewiſſen bilioͤſen oder gallichten Karakter annimmt. Wir beide nicht alſo!“ „Sacker, zehnmal zu leicht! (rief der Apo- theker die Goldwage hoch uͤber den Kopf haltend) An keinen Haſen zu denken!“ Aber der Doktor hatte ſchon daran gedacht; denn er hatte den aufs Geſpraͤch horchenden

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/111>, abgerufen am 27.04.2024.