Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

die er selber sterblich verliebt wäre -- er lechzete
nach dem Bruder, nicht um ihn darüber zu be¬
lehren oder zu vernehmen, sondern um eine liebe
Menschenbrust zum Druk an seine zu haben --
ein grosser Regenbogen Abends in Osten spannt'
ihn noch höher. Der leichte schwebende Bogen
schien ihm ein ofnes Farben-Thor für ein unbe¬
kanntes Paradies -- es war der alte glänzende
Siegesbogen der Sonne, durch welchen schon oft
so viele schöne, tapfere Tage gegangen, so viele
sehnsüchtige Augen gesehen. Auf einmal fiel ihm
ein gutes Mittel ein, drei Wünsche zu befriedigen,
zwei laute und einen stillen.


Nro. 20. Zeder von Libanon.
Das Klavierstimmen.

Es ist bekannt, daß nach der sechsten Klau¬
sel des Testamentes der Notar auch einen Tag
lang stimmen muß, um zu erben. Längst hatt'
ihn ausser Vult noch sein Vater, der nicht erwar¬
ten konnte, wie der sogenannte Regulier-Tarif

die er ſelber ſterblich verliebt waͤre — er lechzete
nach dem Bruder, nicht um ihn daruͤber zu be¬
lehren oder zu vernehmen, ſondern um eine liebe
Menſchenbruſt zum Druk an ſeine zu haben —
ein groſſer Regenbogen Abends in Oſten ſpannt'
ihn noch hoͤher. Der leichte ſchwebende Bogen
ſchien ihm ein ofnes Farben-Thor fuͤr ein unbe¬
kanntes Paradies — es war der alte glaͤnzende
Siegesbogen der Sonne, durch welchen ſchon oft
ſo viele ſchoͤne, tapfere Tage gegangen, ſo viele
ſehnſuͤchtige Augen geſehen. Auf einmal fiel ihm
ein gutes Mittel ein, drei Wuͤnſche zu befriedigen,
zwei laute und einen ſtillen.


Nro. 20. Zeder von Libanon.
Das Klavierſtimmen.

Es iſt bekannt, daß nach der ſechsten Klau¬
ſel des Teſtamentes der Notar auch einen Tag
lang ſtimmen muß, um zu erben. Laͤngſt hatt'
ihn auſſer Vult noch ſein Vater, der nicht erwar¬
ten konnte, wie der ſogenannte Regulier-Tarif

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="37"/>
die er &#x017F;elber &#x017F;terblich verliebt wa&#x0364;re &#x2014; er lechzete<lb/>
nach dem Bruder, nicht um ihn daru&#x0364;ber zu be¬<lb/>
lehren oder zu vernehmen, &#x017F;ondern um eine liebe<lb/>
Men&#x017F;chenbru&#x017F;t zum Druk an &#x017F;eine zu haben &#x2014;<lb/>
ein gro&#x017F;&#x017F;er Regenbogen Abends in O&#x017F;ten &#x017F;pannt'<lb/>
ihn noch ho&#x0364;her. Der leichte &#x017F;chwebende Bogen<lb/>
&#x017F;chien ihm ein ofnes Farben-Thor fu&#x0364;r ein unbe¬<lb/>
kanntes Paradies &#x2014; es war der alte gla&#x0364;nzende<lb/>
Siegesbogen der Sonne, durch welchen &#x017F;chon oft<lb/>
&#x017F;o viele &#x017F;cho&#x0364;ne, tapfere Tage gegangen, &#x017F;o viele<lb/>
&#x017F;ehn&#x017F;u&#x0364;chtige Augen ge&#x017F;ehen. Auf einmal fiel ihm<lb/>
ein gutes Mittel ein, drei Wu&#x0364;n&#x017F;che zu befriedigen,<lb/>
zwei laute und einen &#x017F;tillen.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq">N</hi><hi rendition="#aq #sup">ro</hi><hi rendition="#b">. 20. Zeder von Libanon.</hi><lb/><hi rendition="#g">Das Klavier&#x017F;timmen</hi>. </head><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t bekannt, daß nach der &#x017F;echsten Klau¬<lb/>
&#x017F;el des Te&#x017F;tamentes der Notar auch einen Tag<lb/>
lang &#x017F;timmen muß, um zu erben. La&#x0364;ng&#x017F;t hatt'<lb/>
ihn au&#x017F;&#x017F;er Vult noch &#x017F;ein Vater, der nicht erwar¬<lb/>
ten konnte, wie der &#x017F;ogenannte Regulier-Tarif<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0045] die er ſelber ſterblich verliebt waͤre — er lechzete nach dem Bruder, nicht um ihn daruͤber zu be¬ lehren oder zu vernehmen, ſondern um eine liebe Menſchenbruſt zum Druk an ſeine zu haben — ein groſſer Regenbogen Abends in Oſten ſpannt' ihn noch hoͤher. Der leichte ſchwebende Bogen ſchien ihm ein ofnes Farben-Thor fuͤr ein unbe¬ kanntes Paradies — es war der alte glaͤnzende Siegesbogen der Sonne, durch welchen ſchon oft ſo viele ſchoͤne, tapfere Tage gegangen, ſo viele ſehnſuͤchtige Augen geſehen. Auf einmal fiel ihm ein gutes Mittel ein, drei Wuͤnſche zu befriedigen, zwei laute und einen ſtillen. Nro. 20. Zeder von Libanon. Das Klavierſtimmen. Es iſt bekannt, daß nach der ſechsten Klau¬ ſel des Teſtamentes der Notar auch einen Tag lang ſtimmen muß, um zu erben. Laͤngſt hatt' ihn auſſer Vult noch ſein Vater, der nicht erwar¬ ten konnte, wie der ſogenannte Regulier-Tarif

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/45
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/45>, abgerufen am 22.12.2024.