Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Graues Kloster. Nicolais Bibliothek. Im Jahre 1812 verließ ich die Hartungsche Schule und bezog das Gymnasium zum Grauen Kloster in der Klosterstraße. Man hatte eben die Klassen neu getüncht und geweißt. Grostertia, wohin ich versetzt wurde, war ein großes helles Zimmer, in dem man sich recht wohl fühlte. Der Hof, den wir in den Zwischenminuten zum Auf- und Abgehn benutzten, war von ein paar alten Bäumen beschattet, und stieß auf der einen Seite an die Klosterkirche, das älteste kirchliche Gebäude Berlins, früher den Franziskanermönchen gehörig. Aus den Fenstern der Klasse konnte man gerade nach dem alterthümlichen, starkgeschwärzten und zerfressenen Gemäuer hinübersehn. Ich ertappte mich anfangs oft darauf, daß ich während des Unterrichtes den Gegenstand des Vortrages verlassend, mit der Phantasie nach dem schönen gothischen Baue, der leider durch allerlei spätere Zusätze verunstaltet war, hinüberstreifte, und dort mit Wohlgefallen verweilte. Ungeachtet dieser äußeren Annehmlichkeiten wurde die innere Angst und Qual des Knaben auf dem Gymnasium noch grösser als sie in der Schule gewesen. Sonst hatten wir nur 6 Lehrstunden täglich gehabt, jetzt saßen wir 7 Stunden, von 8-12 und von 2 - 6 auf den engen unbequemen Schulbänken. Die häuslichen Arbeiten wurden Graues Kloster. Nicolais Bibliothek. Im Jahre 1812 verließ ich die Hartungsche Schule und bezog das Gymnasium zum Grauen Kloster in der Klosterstraße. Man hatte eben die Klassen neu getüncht und geweißt. Grostertia, wohin ich versetzt wurde, war ein großes helles Zimmer, in dem man sich recht wohl fühlte. Der Hof, den wir in den Zwischenminuten zum Auf- und Abgehn benutzten, war von ein paar alten Bäumen beschattet, und stieß auf der einen Seite an die Klosterkirche, das älteste kirchliche Gebäude Berlins, früher den Franziskanermönchen gehörig. Aus den Fenstern der Klasse konnte man gerade nach dem alterthümlichen, starkgeschwärzten und zerfressenen Gemäuer hinübersehn. Ich ertappte mich anfangs oft darauf, daß ich während des Unterrichtes den Gegenstand des Vortrages verlassend, mit der Phantasie nach dem schönen gothischen Baue, der leider durch allerlei spätere Zusätze verunstaltet war, hinüberstreifte, und dort mit Wohlgefallen verweilte. Ungeachtet dieser äußeren Annehmlichkeiten wurde die innere Angst und Qual des Knaben auf dem Gymnasium noch grösser als sie in der Schule gewesen. Sonst hatten wir nur 6 Lehrstunden täglich gehabt, jetzt saßen wir 7 Stunden, von 8–12 und von 2 – 6 auf den engen unbequemen Schulbänken. Die häuslichen Arbeiten wurden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0178" n="166"/> <div n="1"> <head rendition="#c">Graues Kloster. Nicolais Bibliothek.</head><lb/> <p>Im Jahre 1812 verließ ich die Hartungsche Schule und bezog das Gymnasium zum Grauen Kloster in der Klosterstraße. Man hatte eben die Klassen neu getüncht und geweißt. Grostertia, wohin ich versetzt wurde, war ein großes helles Zimmer, in dem man sich recht wohl fühlte. Der Hof, den wir in den Zwischenminuten zum Auf- und Abgehn benutzten, war von ein paar alten Bäumen beschattet, und stieß auf der einen Seite an die Klosterkirche, das älteste kirchliche Gebäude Berlins, früher den Franziskanermönchen gehörig. Aus den Fenstern der Klasse konnte man gerade nach dem alterthümlichen, starkgeschwärzten und zerfressenen Gemäuer hinübersehn. Ich ertappte mich anfangs oft darauf, daß ich während des Unterrichtes den Gegenstand des Vortrages verlassend, mit der Phantasie nach dem schönen gothischen Baue, der leider durch allerlei spätere Zusätze verunstaltet war, hinüberstreifte, und dort mit Wohlgefallen verweilte. </p><lb/> <p>Ungeachtet dieser äußeren Annehmlichkeiten wurde die innere Angst und Qual des Knaben auf dem Gymnasium noch grösser als sie in der Schule gewesen. Sonst hatten wir nur 6 Lehrstunden täglich gehabt, jetzt saßen wir 7 Stunden, von 8–12 und von 2 – 6 auf den engen unbequemen Schulbänken. Die häuslichen Arbeiten wurden </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166/0178]
Graues Kloster. Nicolais Bibliothek.
Im Jahre 1812 verließ ich die Hartungsche Schule und bezog das Gymnasium zum Grauen Kloster in der Klosterstraße. Man hatte eben die Klassen neu getüncht und geweißt. Grostertia, wohin ich versetzt wurde, war ein großes helles Zimmer, in dem man sich recht wohl fühlte. Der Hof, den wir in den Zwischenminuten zum Auf- und Abgehn benutzten, war von ein paar alten Bäumen beschattet, und stieß auf der einen Seite an die Klosterkirche, das älteste kirchliche Gebäude Berlins, früher den Franziskanermönchen gehörig. Aus den Fenstern der Klasse konnte man gerade nach dem alterthümlichen, starkgeschwärzten und zerfressenen Gemäuer hinübersehn. Ich ertappte mich anfangs oft darauf, daß ich während des Unterrichtes den Gegenstand des Vortrages verlassend, mit der Phantasie nach dem schönen gothischen Baue, der leider durch allerlei spätere Zusätze verunstaltet war, hinüberstreifte, und dort mit Wohlgefallen verweilte.
Ungeachtet dieser äußeren Annehmlichkeiten wurde die innere Angst und Qual des Knaben auf dem Gymnasium noch grösser als sie in der Schule gewesen. Sonst hatten wir nur 6 Lehrstunden täglich gehabt, jetzt saßen wir 7 Stunden, von 8–12 und von 2 – 6 auf den engen unbequemen Schulbänken. Die häuslichen Arbeiten wurden
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