Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

von M. 122.- auf M. 40.-). Und seither ist es kläglich zu sehen, wie die Psichologen und Fisiologen, der psicho-fisische Materjalismus, die Vertreter der experimentellen Psichologie auf materjalistischer Grundlage und jener auf hipnotistisch-psichologischer Grundlage, die psicho-fisischen Parallelisten und filosofisch-materjalistischen "Monisten" um die arme Seele sich abmühen, nach ihr haschen und sie wieder loslassen, sie haben möchten, aber doch ihrer eigenen materjalistischen Vergangenheit nicht untreu werden wollen. - "Sie aber werden zerdroschen werden wie Stroh zerdroschen wird und wie Koth." Jesaia 25, 10. - Die Halbheit ist das Schlimste. Das Geschwäz um eine unsichere Sache, statt der Tat, das Erbärmlichste. Psichik und Fisik. "Eat a cake and have a cake", wie der Engländer sagt: den Kuchen essen, und ihn doch noch haben wollen. Erst die Seele fisisch konstruiren, und sich dann sagen müssen, dass man sie doch nicht hat. Das ist die Signatur der gegenwärtigen Psichofisiker. Und ich sehe schon den deutschen Meister kommen, der die Seele wieder an ihre Stelle sezt, und Euch Alle so gründlich in dem Zauberkessel der täuschungsreichen Maya untertauchen wird, dass Euch Hören und Sehen vergeht.

§. 3.

In der Tat, die Behandlung, die man seit der Oberherrschaft des Materjalismus dem Denken hat angedeihen lassen, macht den denkbar komischsten Eindruck. Spencer erklärt das Denken für "gehemte Hirn-Reflexe", ohne uns sagen zu können, wie denn aus einem Reflex, einer sinlich perzipirten Bewegung, ein - Gedanke, aus Materie - Bewusstheit entstehen solle; und ohne sich an Descartes zu erinnern, der uns gelehrt, dass Denken und Ausdehnung Geistiges und Körperliches, unvereinbare Dinge seien, deren Ineinander-Uebergehen für das Denken - und dieses macht doch die Filosofie - eine schlechterdings unmögliche Annahme sei. Spencer hat dies auch bis zu einem gewissen Grad gefühlt, indem er "Bewusstsein eine im Grunde ganz

von M. 122.– auf M. 40.–). Und seither ist es kläglich zu sehen, wie die Psichologen und Fisiologen, der psicho-fisische Materjalismus, die Vertreter der experimentellen Psichologie auf materjalistischer Grundlage und jener auf hipnotistisch-psichologischer Grundlage, die psicho-fisischen Parallelisten und filosofisch-materjalistischen „Monisten“ um die arme Seele sich abmühen, nach ihr haschen und sie wieder loslassen, sie haben möchten, aber doch ihrer eigenen materjalistischen Vergangenheit nicht untreu werden wollen. – „Sie aber werden zerdroschen werden wie Stroh zerdroschen wird und wie Koth.“ Jesaia 25, 10. – Die Halbheit ist das Schlimste. Das Geschwäz um eine unsichere Sache, statt der Tat, das Erbärmlichste. Psichik und Fisik. „Eat a cake and have a cake“, wie der Engländer sagt: den Kuchen essen, und ihn doch noch haben wollen. Erst die Seele fisisch konstruiren, und sich dann sagen müssen, dass man sie doch nicht hat. Das ist die Signatur der gegenwärtigen Psichofisiker. Und ich sehe schon den deutschen Meister kommen, der die Seele wieder an ihre Stelle sezt, und Euch Alle so gründlich in dem Zauberkessel der täuschungsreichen Maya untertauchen wird, dass Euch Hören und Sehen vergeht.

§. 3.

In der Tat, die Behandlung, die man seit der Oberherrschaft des Materjalismus dem Denken hat angedeihen lassen, macht den denkbar komischsten Eindruck. Spencer erklärt das Denken für „gehemte Hirn-Reflexe“, ohne uns sagen zu können, wie denn aus einem Reflex, einer sinlich perzipirten Bewegung, ein – Gedanke, aus Materie – Bewusstheit entstehen solle; und ohne sich an Descartes zu erinnern, der uns gelehrt, dass Denken und Ausdehnung Geistiges und Körperliches, unvereinbare Dinge seien, deren Ineinander-Uebergehen für das Denken – und dieses macht doch die Filosofie – eine schlechterdings unmögliche Annahme sei. Spencer hat dies auch bis zu einem gewissen Grad gefühlt, indem er „Bewusstsein eine im Grunde ganz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0011" n="10"/>
von M. 122.&#x2013; auf M. 40.&#x2013;). Und seither ist es kläglich zu sehen, wie die Psichologen und Fisiologen, der psicho-fisische Materjalismus, die Vertreter der experimentellen Psichologie auf materjalistischer Grundlage und jener auf hipnotistisch-psichologischer Grundlage, die psicho-fisischen Parallelisten und filosofisch-materjalistischen &#x201E;Monisten&#x201C; um die arme Seele sich abmühen, nach ihr haschen und sie wieder loslassen, sie haben möchten, aber doch ihrer eigenen materjalistischen Vergangenheit nicht untreu werden wollen. &#x2013; &#x201E;Sie aber werden zerdroschen werden wie Stroh zerdroschen wird und wie Koth.&#x201C; Jesaia 25, 10. &#x2013; Die Halbheit ist das Schlimste. Das Geschwäz um eine unsichere Sache, statt der Tat, das Erbärmlichste. Psichik und Fisik. &#x201E;Eat a cake and have a cake&#x201C;, wie der Engländer sagt: den Kuchen essen, und ihn doch noch haben wollen. Erst die Seele fisisch konstruiren, und sich dann sagen müssen, dass man sie doch nicht hat. Das ist die Signatur der gegenwärtigen Psichofisiker. Und ich sehe schon den deutschen Meister kommen, der die Seele wieder an ihre Stelle sezt, und Euch Alle so gründlich in dem Zauberkessel der täuschungsreichen Maya untertauchen wird, dass Euch Hören und Sehen vergeht.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>§. 3.</head><lb/>
          <p>In der Tat, die Behandlung, die man seit der Oberherrschaft des Materjalismus dem Denken hat angedeihen lassen, macht den denkbar komischsten Eindruck. <hi rendition="#g">Spencer</hi> erklärt das Denken für &#x201E;gehemte Hirn-Reflexe&#x201C;, ohne uns sagen zu können, wie denn aus einem Reflex, einer sinlich perzipirten Bewegung, ein &#x2013; Gedanke, aus Materie &#x2013; Bewusstheit entstehen solle; und ohne sich an <hi rendition="#g">Descartes</hi> zu erinnern, der uns gelehrt, dass Denken und Ausdehnung Geistiges und Körperliches, unvereinbare Dinge seien, deren Ineinander-Uebergehen für das Denken &#x2013; und dieses macht doch die Filosofie &#x2013; eine schlechterdings unmögliche Annahme sei. <hi rendition="#g">Spencer</hi> hat dies auch bis zu einem gewissen Grad gefühlt, indem er &#x201E;Bewusstsein eine im Grunde ganz
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0011] von M. 122.– auf M. 40.–). Und seither ist es kläglich zu sehen, wie die Psichologen und Fisiologen, der psicho-fisische Materjalismus, die Vertreter der experimentellen Psichologie auf materjalistischer Grundlage und jener auf hipnotistisch-psichologischer Grundlage, die psicho-fisischen Parallelisten und filosofisch-materjalistischen „Monisten“ um die arme Seele sich abmühen, nach ihr haschen und sie wieder loslassen, sie haben möchten, aber doch ihrer eigenen materjalistischen Vergangenheit nicht untreu werden wollen. – „Sie aber werden zerdroschen werden wie Stroh zerdroschen wird und wie Koth.“ Jesaia 25, 10. – Die Halbheit ist das Schlimste. Das Geschwäz um eine unsichere Sache, statt der Tat, das Erbärmlichste. Psichik und Fisik. „Eat a cake and have a cake“, wie der Engländer sagt: den Kuchen essen, und ihn doch noch haben wollen. Erst die Seele fisisch konstruiren, und sich dann sagen müssen, dass man sie doch nicht hat. Das ist die Signatur der gegenwärtigen Psichofisiker. Und ich sehe schon den deutschen Meister kommen, der die Seele wieder an ihre Stelle sezt, und Euch Alle so gründlich in dem Zauberkessel der täuschungsreichen Maya untertauchen wird, dass Euch Hören und Sehen vergeht. §. 3. In der Tat, die Behandlung, die man seit der Oberherrschaft des Materjalismus dem Denken hat angedeihen lassen, macht den denkbar komischsten Eindruck. Spencer erklärt das Denken für „gehemte Hirn-Reflexe“, ohne uns sagen zu können, wie denn aus einem Reflex, einer sinlich perzipirten Bewegung, ein – Gedanke, aus Materie – Bewusstheit entstehen solle; und ohne sich an Descartes zu erinnern, der uns gelehrt, dass Denken und Ausdehnung Geistiges und Körperliches, unvereinbare Dinge seien, deren Ineinander-Uebergehen für das Denken – und dieses macht doch die Filosofie – eine schlechterdings unmögliche Annahme sei. Spencer hat dies auch bis zu einem gewissen Grad gefühlt, indem er „Bewusstsein eine im Grunde ganz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-04-29T10:04:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-04-29T10:04:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-04-29T10:04:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/11
Zitationshilfe: Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/11>, abgerufen am 21.11.2024.