[Pahl, Johann Gottfried]: Die Philosophen aus dem Uranus. Konstantinopel, 1796.XVI. Unser Lehnlakai machte uns überhaupt eine traurige Schilderung von dem politischen, religiösen, und literarischen Zustande dieses kleinen geistlichen States; wir tragen um so weniger Bedenken, von seiner Schildrung treuen Bericht zu erstatten, da sie für unsern grosen und guten Kalfa nicht anders als unterhaltend, und vielleicht auch - sit venia verba - lehrreich seyn kann. "Unser Fürst, sagte er, ist ein guter, edler Mann, und hat keinen einzigen Fehler als den - daß er Fürst ist: Denn er hat alle Tugenden, die einen Privatmann liebenswürdig machen, hingegen keine von jenen, die im Gemälde des grosen Fürsten als die Hauptzüge hervorleuchten, - nämlich Kenntniß des Menschen, Selbstständigkeit, Festigkeit, Klugheit, und weise Strenge gegen den Verbrecher. Sein sanftes, gutes, menschenfreundliches Herz traut Niemanden etwas Böses zu, sondern hofft von jedermann das Beste; - seine strenge Gewissenhaftigkeit, drückt seine Hand, so oft er XVI. Unser Lehnlakai machte uns überhaupt eine traurige Schilderung von dem politischen, religiösen, und literarischen Zustande dieses kleinen geistlichen States; wir tragen um so weniger Bedenken, von seiner Schildrung treuen Bericht zu erstatten, da sie für unsern grosen und guten Kalfa nicht anders als unterhaltend, und vielleicht auch – sit venia verba – lehrreich seyn kann. „Unser Fürst, sagte er, ist ein guter, edler Mann, und hat keinen einzigen Fehler als den – daß er Fürst ist: Denn er hat alle Tugenden, die einen Privatmann liebenswürdig machen, hingegen keine von jenen, die im Gemälde des grosen Fürsten als die Hauptzüge hervorleuchten, – nämlich Kenntniß des Menschen, Selbstständigkeit, Festigkeit, Klugheit, und weise Strenge gegen den Verbrecher. Sein sanftes, gutes, menschenfreundliches Herz traut Niemanden etwas Böses zu, sondern hofft von jedermann das Beste; – seine strenge Gewissenhaftigkeit, drückt seine Hand, so oft er <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0148" n="144"/> <div n="1"> <head>XVI.</head><lb/> <p>Unser Lehnlakai machte uns überhaupt eine traurige Schilderung von dem politischen, religiösen, und literarischen Zustande dieses kleinen geistlichen States; wir tragen um so weniger Bedenken, von seiner Schildrung treuen Bericht zu erstatten, da sie für unsern grosen und guten <hi rendition="#g">Kalfa</hi> nicht anders als unterhaltend, und vielleicht auch – <hi rendition="#aq">sit venia verba</hi> – lehrreich seyn kann.</p> <p>„Unser Fürst, sagte er, ist ein guter, edler Mann, und hat keinen einzigen Fehler als <hi rendition="#g">den</hi> – daß er Fürst ist: Denn er hat alle Tugenden, die einen Privatmann liebenswürdig machen, hingegen keine von jenen, die im Gemälde des grosen Fürsten als die Hauptzüge hervorleuchten, – nämlich Kenntniß des Menschen, Selbstständigkeit, Festigkeit, Klugheit, und weise Strenge gegen den Verbrecher. Sein sanftes, gutes, menschenfreundliches Herz traut Niemanden etwas Böses zu, sondern hofft von jedermann das Beste; – seine strenge Gewissenhaftigkeit, drückt seine Hand, so oft er </p> </div> </body> </text> </TEI> [144/0148]
XVI.
Unser Lehnlakai machte uns überhaupt eine traurige Schilderung von dem politischen, religiösen, und literarischen Zustande dieses kleinen geistlichen States; wir tragen um so weniger Bedenken, von seiner Schildrung treuen Bericht zu erstatten, da sie für unsern grosen und guten Kalfa nicht anders als unterhaltend, und vielleicht auch – sit venia verba – lehrreich seyn kann.
„Unser Fürst, sagte er, ist ein guter, edler Mann, und hat keinen einzigen Fehler als den – daß er Fürst ist: Denn er hat alle Tugenden, die einen Privatmann liebenswürdig machen, hingegen keine von jenen, die im Gemälde des grosen Fürsten als die Hauptzüge hervorleuchten, – nämlich Kenntniß des Menschen, Selbstständigkeit, Festigkeit, Klugheit, und weise Strenge gegen den Verbrecher. Sein sanftes, gutes, menschenfreundliches Herz traut Niemanden etwas Böses zu, sondern hofft von jedermann das Beste; – seine strenge Gewissenhaftigkeit, drückt seine Hand, so oft er
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Zitationshilfe: | [Pahl, Johann Gottfried]: Die Philosophen aus dem Uranus. Konstantinopel, 1796, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_philosophen_1796/148>, abgerufen am 04.03.2025. |