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Pachelbel-Gehag, Johann Christoph von: Ausführliche Beschreibung Des Fichtel-Berges, Jn Norgau liegend. Leipzig, 1716.

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Beschreibung des Fichtelbergs.
herab schauet/ Schwindel verursachenden Felßen. Bald auf einer
mäßigen Höhe/ ober dem Apffelbronn rechter Hand/ liegt ein ent-
setzlicher breiter Felß/ welcher viele andere immer in- und auseinan-
der gehende kleinere statt eines Daches bedecket/ diese untere kan
man zwar durchkriechen/ aber nicht durchwandeln/ dann sie ma-
chen eine niedrige von Mittag gegen Mitternacht durchsichtige
Höhle mit vielen Winckeln aus. Auf der Seiten gegen Abend
dieser Höhle ist ein Stein-Felß/ so hoch ein Mann langen kan/ der
ist ausgehöhlet/ daß ein Mensch gar beqvemlich sich darinnen an-
lehnen und auf einem Stein darunter zugleich sitzen kan/ zu dessen
beeden Seiten gehen 2 Felß-Wände schreeg hinaus/ und oben dar-
über strecket sich bemeldter breiter Felß als ein Obdach/ so daß es
im Sommer ein feines Musaeum in der Wildnüß abgiebt/ dann von
allen Seiten ist man bedeckt/ nur von Abend stehet es offen/ hinge-
gen stehen daselbst die anmuthigste junge Tannen und Fichten/
welche das Gewitter von Abend her auch aufhalten. Gehe ich von
hier/ weiter zur Lincken hinauff/ so finde ich breite Felßen/ da nicht 1.
2. oder 3. sondern viele wie Blätter-weise aufeinander liegen/ end-
lich aber werde ich von so entsetzlichen Felß-Wänden umbsetzt/ die
weder zu ersteigen/ noch zu durchkriechen seynd/ da siehet man aus
einer undurchkommlichen Höhle in die andere/ dann weil alles steil-
und gehe abgehet/ kan man unmöglich darinnen hafften. Wendet
man sich von da wieder weiter im Umkehren rechter Hand hinauf/
so hat man etliche übereinander gethürmete Felßen mit dazwischen
fallenden Klüfften ziemlich beschwerlich zu übersteigen/ wann solche
aber gewonnen/ so trifft man einen von Felßen und Bäumen um-
setzten kleinen Platz an/ worauff einige Mannschafft stehen kan/ ge-
gen Mitternacht aber gehet eine enge Oeffnung in Felß-Wänden
hinein/ und von dannen über ein paar Schritte steiget man wieder
in eine weitere Oeffnung/ welche ungefehr von Anfang biß zu Ende
25. biß 30. Schuhen lang seyn mag/ über solche raget gegen Abend
ein entsetzlicher/ dicker/ breiter/ und langer Feiß als ein Dach schrege
herab/ so daß man von Anfang biß fast zum Niedergang der Son-
nen das Licht in dieser Höhle haben kan/ diese ist in der gantzen
Luchsburg die raumlichste/ daß man darunter kan spatzieren gehen.

Denck-

Beſchreibung des Fichtelbergs.
herab ſchauet/ Schwindel verurſachenden Felßen. Bald auf einer
maͤßigen Hoͤhe/ ober dem Apffelbronn rechter Hand/ liegt ein ent-
ſetzlicher breiter Felß/ welcher viele andere immer in- und auseinan-
der gehende kleinere ſtatt eines Daches bedecket/ dieſe untere kan
man zwar durchkriechen/ aber nicht durchwandeln/ dann ſie ma-
chen eine niedrige von Mittag gegen Mitternacht durchſichtige
Hoͤhle mit vielen Winckeln aus. Auf der Seiten gegen Abend
dieſer Hoͤhle iſt ein Stein-Felß/ ſo hoch ein Mann langen kan/ der
iſt ausgehoͤhlet/ daß ein Menſch gar beqvemlich ſich darinnen an-
lehnen und auf einem Stein darunter zugleich ſitzen kan/ zu deſſen
beeden Seiten gehen 2 Felß-Waͤnde ſchreeg hinaus/ und oben dar-
uͤber ſtrecket ſich bemeldter breiter Felß als ein Obdach/ ſo daß es
im Sommer ein feines Muſæum in der Wildnuͤß abgiebt/ dann von
allen Seiten iſt man bedeckt/ nur von Abend ſtehet es offen/ hinge-
gen ſtehen daſelbſt die anmuthigſte junge Tannen und Fichten/
welche das Gewitter von Abend her auch aufhalten. Gehe ich von
hier/ weiter zur Lincken hinauff/ ſo finde ich breite Felßen/ da nicht 1.
2. oder 3. ſondern viele wie Blaͤtter-weiſe aufeinander liegen/ end-
lich aber werde ich von ſo entſetzlichen Felß-Waͤnden umbſetzt/ die
weder zu erſteigen/ noch zu durchkriechen ſeynd/ da ſiehet man aus
einer undurchkommlichen Hoͤhle in die andere/ dann weil alles ſteil-
und gehe abgehet/ kan man unmoͤglich darinnen hafften. Wendet
man ſich von da wieder weiter im Umkehren rechter Hand hinauf/
ſo hat man etliche uͤbereinander gethuͤrmete Felßen mit dazwiſchen
fallenden Kluͤfften ziemlich beſchwerlich zu uͤberſteigen/ wann ſolche
aber gewonnen/ ſo trifft man einen von Felßen und Baͤumen um-
ſetzten kleinen Platz an/ worauff einige Mannſchafft ſtehen kan/ ge-
gen Mitternacht aber gehet eine enge Oeffnung in Felß-Waͤnden
hinein/ und von dannen uͤber ein paar Schritte ſteiget man wieder
in eine weitere Oeffnung/ welche ungefehr von Anfang biß zu Ende
25. biß 30. Schuhen lang ſeyn mag/ uͤber ſolche raget gegen Abend
ein entſetzlicher/ dicker/ breiter/ und langer Feiß als ein Dach ſchrege
herab/ ſo daß man von Anfang biß faſt zum Niedergang der Son-
nen das Licht in dieſer Hoͤhle haben kan/ dieſe iſt in der gantzen
Luchsburg die raumlichſte/ daß man darunter kan ſpatzieren gehen.

Denck-
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[56/0071] Beſchreibung des Fichtelbergs. herab ſchauet/ Schwindel verurſachenden Felßen. Bald auf einer maͤßigen Hoͤhe/ ober dem Apffelbronn rechter Hand/ liegt ein ent- ſetzlicher breiter Felß/ welcher viele andere immer in- und auseinan- der gehende kleinere ſtatt eines Daches bedecket/ dieſe untere kan man zwar durchkriechen/ aber nicht durchwandeln/ dann ſie ma- chen eine niedrige von Mittag gegen Mitternacht durchſichtige Hoͤhle mit vielen Winckeln aus. Auf der Seiten gegen Abend dieſer Hoͤhle iſt ein Stein-Felß/ ſo hoch ein Mann langen kan/ der iſt ausgehoͤhlet/ daß ein Menſch gar beqvemlich ſich darinnen an- lehnen und auf einem Stein darunter zugleich ſitzen kan/ zu deſſen beeden Seiten gehen 2 Felß-Waͤnde ſchreeg hinaus/ und oben dar- uͤber ſtrecket ſich bemeldter breiter Felß als ein Obdach/ ſo daß es im Sommer ein feines Muſæum in der Wildnuͤß abgiebt/ dann von allen Seiten iſt man bedeckt/ nur von Abend ſtehet es offen/ hinge- gen ſtehen daſelbſt die anmuthigſte junge Tannen und Fichten/ welche das Gewitter von Abend her auch aufhalten. Gehe ich von hier/ weiter zur Lincken hinauff/ ſo finde ich breite Felßen/ da nicht 1. 2. oder 3. ſondern viele wie Blaͤtter-weiſe aufeinander liegen/ end- lich aber werde ich von ſo entſetzlichen Felß-Waͤnden umbſetzt/ die weder zu erſteigen/ noch zu durchkriechen ſeynd/ da ſiehet man aus einer undurchkommlichen Hoͤhle in die andere/ dann weil alles ſteil- und gehe abgehet/ kan man unmoͤglich darinnen hafften. Wendet man ſich von da wieder weiter im Umkehren rechter Hand hinauf/ ſo hat man etliche uͤbereinander gethuͤrmete Felßen mit dazwiſchen fallenden Kluͤfften ziemlich beſchwerlich zu uͤberſteigen/ wann ſolche aber gewonnen/ ſo trifft man einen von Felßen und Baͤumen um- ſetzten kleinen Platz an/ worauff einige Mannſchafft ſtehen kan/ ge- gen Mitternacht aber gehet eine enge Oeffnung in Felß-Waͤnden hinein/ und von dannen uͤber ein paar Schritte ſteiget man wieder in eine weitere Oeffnung/ welche ungefehr von Anfang biß zu Ende 25. biß 30. Schuhen lang ſeyn mag/ uͤber ſolche raget gegen Abend ein entſetzlicher/ dicker/ breiter/ und langer Feiß als ein Dach ſchrege herab/ ſo daß man von Anfang biß faſt zum Niedergang der Son- nen das Licht in dieſer Hoͤhle haben kan/ dieſe iſt in der gantzen Luchsburg die raumlichſte/ daß man darunter kan ſpatzieren gehen. Denck-

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Zitationshilfe: Pachelbel-Gehag, Johann Christoph von: Ausführliche Beschreibung Des Fichtel-Berges, Jn Norgau liegend. Leipzig, 1716, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pachelbel_fichtelberg_1716/71>, abgerufen am 05.05.2024.