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Pachelbel-Gehag, Johann Christoph von: Ausführliche Beschreibung Des Fichtel-Berges, Jn Norgau liegend. Leipzig, 1716.

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Beschreibung des Fichtelbergs.
hungrig wie ein Wolff/ sie solle ihm zu Essen bringen. It. Wei
geih asse/ un huäl ma a Wossa/ as duscht mi/ i mögt vaschmoch-
te; das ist: Weib gehe hinaus/ und hole mir ein Wasser/ es dur-
stet mich/ ich möchte verschmachten. Moah dau hauß/ saffta
gnaug; d. i. Mann/ da hastu es/ sauffe dir genug. It. Wea is
dea Hea? das ist: wer ist der Herr?etc.

Die Sitten betreffend/ so ziehet heute zu Tage ein groberJhre Sitten.
Fichtelberger Bauer vor einem Herrn oder erbarn Bürger den
Huth ab/ neiget auch zuweiln den Kopff ein wenig; aber noch bey
Manns Gedencken/ muste auch eine vornehme Standts-Person öff-
ters vergnügt seyn/ wann ein dergleichen Waldmann nur nach dem
Hut mit der Hand gegriffen/ und ihn doch auf dem Kopff sitzen las-
sen/ wann es hoch kam/ so rückte er denselben ein wenig auf die halbe
Seite bey einem Ohr herab/ und hielte ihn mit der Hand/ daß
es nicht gar herab fallen konte. Die Tischzucht ist sich auch leicht-
lich einzubilden/ daß solche ohne einigen Ceremonien-Meister ge-
schehe.etc. So einfältig aber und grob dieses Volck an der SprachSeynd von
gutem Ver-
stand.

und Sitten zu seyn scheinet/ so klug/ nachdenckend und listig ist
es doch in der That/ daß man sich verwundern muß/ was sie vor
Judicia fällen/ wann sie treuhertzig werden. Sie sehen gewißlich
so gut als ein erfahrner Staats-Mann/ ubi lateat angvis in her-
ba,
und gleichwohl wissen sie sich bey aller ihrer Redlichkeit so zu
verstellen/ daß man vermeinen solte/ sie könten nicht 2. geschwei-
ge 4. zehlen. Woraus dann sattsam erhellet/ daß das Fichtelber-
ger Landvolck von gutem Verstand und zu nützlichen Wissenschaff-
ten und Künsten nicht ungeschickt sey. Wie dann der seelige Brusch
schon zu seiner Zeit geschrieben/ daß/ ob wohl das gantze Land fast
ungeheuer sey von denen Bergen und vielfältigen Wälder wegen/
dasselbe auch gemeiniglich grobe und wüste Leute gebähre/ die
zum Krieg oder harter Bauern-Arbeit tauglicher seyn/ dann ho-Seynd dau-
erhafftig/
arbeitsam u.
zum Krieg
geschickt.

he theure Künste zu lernen/ so sey es doch gelehrter und geschick-
ter Leute nicht gar beraubt/ deren es auch bey andern und weit-
gelegenen Landen Ehr und Ruhm habe. Wann aber (wie er
selbst schreibet/) erst zu seinen Zeiten das Ländlein mit Schulen und
Künsten erbauet und begabet worden/ so konte er freylich nicht viel

alte
N 3

Beſchreibung des Fichtelbergs.
hungrig wie ein Wolff/ ſie ſolle ihm zu Eſſen bringen. It. Wei
geih aſſe/ un huaͤl ma a Woſſa/ as duſcht mi/ i moͤgt vaſchmoch-
te; das iſt: Weib gehe hinaus/ und hole mir ein Waſſer/ es dur-
ſtet mich/ ich moͤchte verſchmachten. Moah dau hauß/ ſaffta
gnaug; d. i. Mann/ da haſtu es/ ſauffe dir genug. It. Wea is
dea Hea? das iſt: wer iſt der Herr?ꝛc.

Die Sitten betreffend/ ſo ziehet heute zu Tage ein groberJhꝛe Sitten.
Fichtelberger Bauer vor einem Herrn oder erbarn Buͤrger den
Huth ab/ neiget auch zuweiln den Kopff ein wenig; aber noch bey
Manns Gedencken/ muſte auch eine vornehme Standts-Perſon oͤff-
ters vergnuͤgt ſeyn/ wann ein dergleichen Waldmann nur nach dem
Hut mit der Hand gegriffen/ und ihn doch auf dem Kopff ſitzen laſ-
ſen/ wann es hoch kam/ ſo ruͤckte er denſelben ein wenig auf die halbe
Seite bey einem Ohr herab/ und hielte ihn mit der Hand/ daß
es nicht gar herab fallen konte. Die Tiſchzucht iſt ſich auch leicht-
lich einzubilden/ daß ſolche ohne einigen Ceremonien-Meiſter ge-
ſchehe.ꝛc. So einfaͤltig aber und grob dieſes Volck an der SprachSeynd von
gutem Ver-
ſtand.

und Sitten zu ſeyn ſcheinet/ ſo klug/ nachdenckend und liſtig iſt
es doch in der That/ daß man ſich verwundern muß/ was ſie vor
Judicia faͤllen/ wann ſie treuhertzig werden. Sie ſehen gewißlich
ſo gut als ein erfahrner Staats-Mann/ ubi lateat angvis in her-
ba,
und gleichwohl wiſſen ſie ſich bey aller ihrer Redlichkeit ſo zu
verſtellen/ daß man vermeinen ſolte/ ſie koͤnten nicht 2. geſchwei-
ge 4. zehlen. Woraus dann ſattſam erhellet/ daß das Fichtelber-
ger Landvolck von gutem Verſtand und zu nuͤtzlichen Wiſſenſchaff-
ten und Kuͤnſten nicht ungeſchickt ſey. Wie dann der ſeelige Bruſch
ſchon zu ſeiner Zeit geſchrieben/ daß/ ob wohl das gantze Land faſt
ungeheuer ſey von denen Bergen und vielfaͤltigen Waͤlder wegen/
daſſelbe auch gemeiniglich grobe und wuͤſte Leute gebaͤhre/ die
zum Krieg oder harter Bauern-Arbeit tauglicher ſeyn/ dann ho-Seynd dau-
erhafftig/
arbeitſam u.
zum Krieg
geſchickt.

he theure Kuͤnſte zu lernen/ ſo ſey es doch gelehrter und geſchick-
ter Leute nicht gar beraubt/ deren es auch bey andern und weit-
gelegenen Landen Ehr und Ruhm habe. Wann aber (wie er
ſelbſt ſchreibet/) erſt zu ſeinen Zeiten das Laͤndlein mit Schulen und
Kuͤnſten erbauet und begabet worden/ ſo konte er freylich nicht viel

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[101/0136] Beſchreibung des Fichtelbergs. hungrig wie ein Wolff/ ſie ſolle ihm zu Eſſen bringen. It. Wei geih aſſe/ un huaͤl ma a Woſſa/ as duſcht mi/ i moͤgt vaſchmoch- te; das iſt: Weib gehe hinaus/ und hole mir ein Waſſer/ es dur- ſtet mich/ ich moͤchte verſchmachten. Moah dau hauß/ ſaffta gnaug; d. i. Mann/ da haſtu es/ ſauffe dir genug. It. Wea is dea Hea? das iſt: wer iſt der Herr?ꝛc. Die Sitten betreffend/ ſo ziehet heute zu Tage ein grober Fichtelberger Bauer vor einem Herrn oder erbarn Buͤrger den Huth ab/ neiget auch zuweiln den Kopff ein wenig; aber noch bey Manns Gedencken/ muſte auch eine vornehme Standts-Perſon oͤff- ters vergnuͤgt ſeyn/ wann ein dergleichen Waldmann nur nach dem Hut mit der Hand gegriffen/ und ihn doch auf dem Kopff ſitzen laſ- ſen/ wann es hoch kam/ ſo ruͤckte er denſelben ein wenig auf die halbe Seite bey einem Ohr herab/ und hielte ihn mit der Hand/ daß es nicht gar herab fallen konte. Die Tiſchzucht iſt ſich auch leicht- lich einzubilden/ daß ſolche ohne einigen Ceremonien-Meiſter ge- ſchehe.ꝛc. So einfaͤltig aber und grob dieſes Volck an der Sprach und Sitten zu ſeyn ſcheinet/ ſo klug/ nachdenckend und liſtig iſt es doch in der That/ daß man ſich verwundern muß/ was ſie vor Judicia faͤllen/ wann ſie treuhertzig werden. Sie ſehen gewißlich ſo gut als ein erfahrner Staats-Mann/ ubi lateat angvis in her- ba, und gleichwohl wiſſen ſie ſich bey aller ihrer Redlichkeit ſo zu verſtellen/ daß man vermeinen ſolte/ ſie koͤnten nicht 2. geſchwei- ge 4. zehlen. Woraus dann ſattſam erhellet/ daß das Fichtelber- ger Landvolck von gutem Verſtand und zu nuͤtzlichen Wiſſenſchaff- ten und Kuͤnſten nicht ungeſchickt ſey. Wie dann der ſeelige Bruſch ſchon zu ſeiner Zeit geſchrieben/ daß/ ob wohl das gantze Land faſt ungeheuer ſey von denen Bergen und vielfaͤltigen Waͤlder wegen/ daſſelbe auch gemeiniglich grobe und wuͤſte Leute gebaͤhre/ die zum Krieg oder harter Bauern-Arbeit tauglicher ſeyn/ dann ho- he theure Kuͤnſte zu lernen/ ſo ſey es doch gelehrter und geſchick- ter Leute nicht gar beraubt/ deren es auch bey andern und weit- gelegenen Landen Ehr und Ruhm habe. Wann aber (wie er ſelbſt ſchreibet/) erſt zu ſeinen Zeiten das Laͤndlein mit Schulen und Kuͤnſten erbauet und begabet worden/ ſo konte er freylich nicht viel alte Jhꝛe Sitten. Seynd von gutem Ver- ſtand. Seynd dau- erhafftig/ arbeitſam u. zum Krieg geſchickt. N 3

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Zitationshilfe: Pachelbel-Gehag, Johann Christoph von: Ausführliche Beschreibung Des Fichtel-Berges, Jn Norgau liegend. Leipzig, 1716, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pachelbel_fichtelberg_1716/136>, abgerufen am 26.04.2024.