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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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sie mit der Schwäche des ganzen weiblichen Geschlechtes. Amalie war sein nach Recht und Gesetz, nach dem Ausspruch und Segen der Kirche, sein durch jahrelange Gewohnheit des innigsten Miteinanderlebens, und er liebte sie als sein trautes Weib -- aber von jenem Augenblicke an, als sie ihm die ganze Wahrheit ihrer Gefühle gestanden hatte, ward dieses Verhältniß für ihn zu einer ungeheuern Lüge -- er konnte sie nicht mehr vor Gott als die Seine betrachten, und daß er es noch vor den Menschen mußte, war ihm peinlich. Deshalb suchte er eine Stelle, welche ihm Gelegenheit bot, sich von ihr zu trennen, ohne daß deshalb ihre Umgebung ihr ganzes Verhältniß durchschauen konnte.

Auch ihn hatten Sorgen und Arbeit kränklich gemacht, der Arzt rieth zu einer Reise. Thalheim hatte dazu keine Mittel, wenn er nicht diese Reise selbst mit seinem Beruf als Lehrer oder mit irgend einem Amt verbinden konnte -- er ergriff also die Gelegenheit, die jungen vornehmen Leute zu begleiten, und kehrte dann neugestärkt zu seiner Gattin zurück. Von diesem Standpunkt aus konnte seine Umgebung die Veränderung seiner Verhältnisse betrachten, obwohl nebenbei auch nicht gehindert werden konnte, daß andere Gerüchte darüber im Publikum umliefen.

Während er nun noch daheim weilte, und Amalie, welche wieder kräftig genug war, in den Zimmern umherzugehen,

sie mit der Schwäche des ganzen weiblichen Geschlechtes. Amalie war sein nach Recht und Gesetz, nach dem Ausspruch und Segen der Kirche, sein durch jahrelange Gewohnheit des innigsten Miteinanderlebens, und er liebte sie als sein trautes Weib — aber von jenem Augenblicke an, als sie ihm die ganze Wahrheit ihrer Gefühle gestanden hatte, ward dieses Verhältniß für ihn zu einer ungeheuern Lüge — er konnte sie nicht mehr vor Gott als die Seine betrachten, und daß er es noch vor den Menschen mußte, war ihm peinlich. Deshalb suchte er eine Stelle, welche ihm Gelegenheit bot, sich von ihr zu trennen, ohne daß deshalb ihre Umgebung ihr ganzes Verhältniß durchschauen konnte.

Auch ihn hatten Sorgen und Arbeit kränklich gemacht, der Arzt rieth zu einer Reise. Thalheim hatte dazu keine Mittel, wenn er nicht diese Reise selbst mit seinem Beruf als Lehrer oder mit irgend einem Amt verbinden konnte — er ergriff also die Gelegenheit, die jungen vornehmen Leute zu begleiten, und kehrte dann neugestärkt zu seiner Gattin zurück. Von diesem Standpunkt aus konnte seine Umgebung die Veränderung seiner Verhältnisse betrachten, obwohl nebenbei auch nicht gehindert werden konnte, daß andere Gerüchte darüber im Publikum umliefen.

Während er nun noch daheim weilte, und Amalie, welche wieder kräftig genug war, in den Zimmern umherzugehen,

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[83/0093] sie mit der Schwäche des ganzen weiblichen Geschlechtes. Amalie war sein nach Recht und Gesetz, nach dem Ausspruch und Segen der Kirche, sein durch jahrelange Gewohnheit des innigsten Miteinanderlebens, und er liebte sie als sein trautes Weib — aber von jenem Augenblicke an, als sie ihm die ganze Wahrheit ihrer Gefühle gestanden hatte, ward dieses Verhältniß für ihn zu einer ungeheuern Lüge — er konnte sie nicht mehr vor Gott als die Seine betrachten, und daß er es noch vor den Menschen mußte, war ihm peinlich. Deshalb suchte er eine Stelle, welche ihm Gelegenheit bot, sich von ihr zu trennen, ohne daß deshalb ihre Umgebung ihr ganzes Verhältniß durchschauen konnte. Auch ihn hatten Sorgen und Arbeit kränklich gemacht, der Arzt rieth zu einer Reise. Thalheim hatte dazu keine Mittel, wenn er nicht diese Reise selbst mit seinem Beruf als Lehrer oder mit irgend einem Amt verbinden konnte — er ergriff also die Gelegenheit, die jungen vornehmen Leute zu begleiten, und kehrte dann neugestärkt zu seiner Gattin zurück. Von diesem Standpunkt aus konnte seine Umgebung die Veränderung seiner Verhältnisse betrachten, obwohl nebenbei auch nicht gehindert werden konnte, daß andere Gerüchte darüber im Publikum umliefen. Während er nun noch daheim weilte, und Amalie, welche wieder kräftig genug war, in den Zimmern umherzugehen,

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/93>, abgerufen am 26.04.2024.