Allgemeine Zeitung, Nr. 95, 5. April 1849.[Spaltenumbruch]
# Straßburg, 1 April. Das Kriegsministerium hat durch neuere Italien. ^ Rom, 26 März. Aus politischen Sympathien oder Antipathien h Mailand, 1 April. Noch immer wird es den Mailändern -- Turin, 28 März. Nachdem ich den Brief an Sie gestern zur Die Turiner Deputirten kammer am 27 März. Der Prä- "Sire! Mitten im Kampf *) Victor Emanuel II ist aeboren am 17 Mär 1820.
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# Straßburg, 1 April. Das Kriegsminiſterium hat durch neuere Italien. △ Rom, 26 März. Aus politiſchen Sympathien oder Antipathien h Mailand, 1 April. Noch immer wird es den Mailändern — Turin, 28 März. Nachdem ich den Brief an Sie geſtern zur Die Turiner Deputirten kammer am 27 März. Der Prä- „Sire! Mitten im Kampf *) Victor Emanuel II iſt aeboren am 17 Mär 1820.
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Die in<lb/> Dienſt genommenen Beamten, worunter viele welche bisher an der elfäſ-<lb/> ſiſchen Eiſenbahn angeſtellt waren, haben die Weiſung erhalten ſich bis zum<lb/> 10 d. in Paris einzufinden, um alsbald ihre Stellen anzutreten. Mit der<lb/> Straßburg-Baſeler Geſellſchaft find neuerdings Unterhandlungen einge-<lb/> leitet daß dieſelbe den proviſoriſchen Betrieb der Linie von hier bis Saar-<lb/> burg übernehme. — Die Thätigkeit in ſämmtlichen oberrheiniſchen Fabri-<lb/> ken hat auch in den letzten Wochen in einem gedeihlichen Maße zuge-<lb/> nommen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>△ <hi rendition="#b">Rom,</hi> 26 März.</dateline><lb/> <p>Aus politiſchen Sympathien oder Antipathien<lb/> eine ſich darbietende gute Gelegenheit zu verſäumen wäre Thorheit. Alle<lb/> Freunde des geſchichtlichen Alterthums werden ſich daher freuen zu erfah-<lb/> ren daß der Plan Canina’s, des um die Topographie Roms vielverdienten<lb/> Architecten, das ganze Forum offen zu legen, von der Aſſemblea geneh-<lb/> migt, und daß bereits an die Allee Hand angelegt worden iſt welche bis-<lb/> her für die Fortſetzung der Ausgrabungen bedeutende Hinderniſſe in den<lb/> Weg legte. Sechzehntauſend Scudi ſind zu dieſem Zweck bewilligt, und,<lb/> da man die Arbeiten in Accord gibt, ſo ſteht zu hoffen daß ſie raſch werden<lb/> gefördert werden. Von der Baſilica Julia ſind bereits mehrere Pfeiler,<lb/> welche die großen Bögen trugen, zum Vorſchein gekommen, ja Canina’s<lb/> kundiger Blick hat in den Mauern eines an die abgeriſſenen Fenili anſto-<lb/> ßenden Hauſes die Bögen des zweiten Stockwerks dieſes prachtvollen Ge-<lb/> bäudes entdeckt. Auch dazu iſt Hoffnung vorhanden, dieſes Gebäude nie-<lb/> dergeriſſen und das ganze Skelett eines ſo merkwürdigen Denkmals klar<lb/> vor Augen gelegt zu ſehen. — In dem großen Saal des Senatorenpala-<lb/> ſtes wird ein mächtiges Amphitheater zur Aufnahme der Coſtituente<lb/> italiana hergerichtet. Ueberhaupt verfährt man in allem und mit allem<lb/> ſo als wenn das gegenwärtige Regiment ewig dauern könne, woran in-<lb/> deſſen die Theilhaber der Regierungs- und Verwaltungsgeſchäfte ſelbſt<lb/> nicht glauben, obwohl der Wiederausbruch der Feindſeligkeiten im Nor-<lb/> den und Süden ihnen längere. Friſt geſtattet als anfangs zu erwarten<lb/> ſtand. 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Abercrombie — Frankreich<lb/> und England — hier ein, find aber glücklicherweiſe und wie es auch nicht<lb/> anders zu erwarten war, von dem alten Herrn ebenſo wie in Novara nur<lb/> als Privatperſonen empfangen worden, wonach es ſcheint daß ſich der<lb/> Feldmarſchall keine auswärtigen Einmiſchungen gefallen läßt. Eine Aen-<lb/> derung in den Bedingungen wäre auch unmöglich; die Verhandlungen<lb/> über den Frieden gehen für jetzt von Olmütz aus — „Cardinal, ich habe<lb/> das meinige gethan, thut ihr das Eurige“ — und hier hofft alles daß man<lb/> nicht wieder großmüthig und nachſichtig verfahren werde. Die Geſandten<lb/> wurden zur Tafel eingeladen, erſchienen aber mit ziemlich langen Geſich-<lb/> tern. Von Como und Bergamo ſind gute Nachrichten eingetroffen: dieſe<lb/> Städte ſind von unſern Truppen beſetzt. Brescia wird vom Caſtell ſeit<lb/> zwei Tagen beſchoffen, und ſoll ſtark gelitten haben. 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In wenigen Ta-<lb/> gen gehen von hier zwei Cavallerieregimenter nach Ungarn ab, Liechten-<lb/> ſtein-Chevaulegers und Kalſer-Uhlanen; Officiere und Mannſchaft bren-<lb/> nen vor Begierde in den Kampf zu kommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>— <hi rendition="#b">Turin,</hi> 28 März.</dateline><lb/> <p>Nachdem ich den Brief an Sie geſtern zur<lb/> Poſt gegeben hatte, begab ich mich nach der Pizza Caſtello, wo die Na-<lb/><cb/> tionalgarde bereits rings um den Platz aufgeſtellt war. Um 3 Uhr nahm<lb/> der Commandeur desſelben, General Maffei, den Huldigungseid ab, wor-<lb/> auf ein dreimaliges Viva dem neuen König ertönte. Dieſer erſchien in<lb/> Begleitung des Prinzen von Savopen-Carignan und eines nicht allzu gro-<lb/> ßen Gefolges. Hinterher folgte in einem Wagen die junge Königin Marie<lb/> Adelaide mit ihren drei älteſten Kindern. Zu jeder andern Zeit würde<lb/> die Thronbeſteigung eines jugendlichen <note place="foot" n="*)">Victor Emanuel <hi rendition="#aq">II</hi> iſt aeboren am 17 Mär 1820.</note>, tapfern und talentvollen Königs<lb/> mit Jubel und Feſtlichkeiten begrüßt worden ſeyn, doch in dieſen ernſten<lb/> Augenblicken konnte keine freudige Begeiſterung aufflammen. Die kurze<lb/> Heerſchau des Königs machte einen düſtern, melancholiſchen Eindruck, den<lb/> die Vivas der Nationalgarde und der Zuſchauer nicht zu vermindern vermoch-<lb/> ten. Fenſter und Balcons waren zwar mit Zuſchauern beſetzt, aber keine<lb/> Teppiche, keine Kränze, mit denen ſich wohl ſonſt das eitle Turin geſchmückt<lb/> hätte, gaben der Scenerie einen heiterern, freudigeren Anſtrich. Voriges<lb/> Jahr, als Karl Albert die Conſtitution gegeben hatte, und zum erſtenmal<lb/> die neugeſchaffene Bürgerwehr muſterte, welch anderer Jubel, welch<lb/> anderer Freudenſchrei erfüllte die Luft, und gegen damals wo in der un-<lb/> geheuren Menſchenmaſſe viele Perſonen bedeutend beſchädigt wurden,<lb/> war geſtern der Platz faſt leer zu nennen. Ich war neben einen Lombar-<lb/> den zu ſtehen gekommen, und als die Königin, eine liebenswürdige Per-<lb/> ſönlichkeit, vorbeifuhr, murmelte er mit unterdrücktem Fluche: „eine öſter-<lb/> reichiſche Königin!“ Auch in der Proclamation des Königs an die Bür-<lb/> ger herrſcht ein gedrückter, faſt kalter Ton. Ich theile ſie Ihnen nicht mit,<lb/> da unſre Blätter ſie Ihnen heute bringen werden. Heute wird der König<lb/> in den Kammern den Eid auf die Verfaſſung leiſten. Die Vertagung der<lb/> Kammern, die wegen des gefürchteten Einmarſches der Oeſterreicher war<lb/> beſchloſſen worden, iſt von dem Miniſterium widerrufen. Von dieſem<lb/> müſſen wir jetzt Abſchied nehmen, und wir thun es mit Freuden, denn<lb/> dem neuen König iſt ein neues Miniſterium gefolgt. Unſre Wühler ſchö-<lb/> pfen wieder friſchen Athem. Radetzky bleibt an der Seſia, und ſie können<lb/> furchtlos von neuem ihre Rodomontaden loslaſſen. Zum Glück iſt ihnen<lb/> ein Hinterpförtchen geblieben, wodurch ſie entwiſchen können, wenn man<lb/> ſie auf den unglücklichen Ausgang des Kriegs, zu dem ſie das Land auf-<lb/> geſtachelt haben, hinweist. Radetzky hat ja an der Gränze unterhandelt,<lb/> er iſt nicht nach Turin marſchirt. Nicht auf Rechnung der Großmuth des<lb/> feindlichen Generals und ſeiner Rückſichten für das neue Königspaar das<lb/> mit ſeinem Herrſcherhauſe verwandt iſt, ſchreiben ſie dieſe Mäßigung —<lb/> ſondern auf Rechnung ſeiner Furcht vor dem Aufſtand der geſammten Be-<lb/> völkerung, die ihn, wenn er weiter vorgeſchritten wäre, erdrückt und ver-<lb/> nichtet hätte. Man hat ſich durch den ſchlauen General täuſchen laſſen,<lb/> man hat in ſeine Unterhandlungen eingewilligt ehe kaum der Krieg be-<lb/> gonnen, man hat die tapfere und zum Kampf entflammte Nationalgarde,<lb/> die wie zu Caſale den Feind würde ſiegreich zurückgeworfen haben, unbe-<lb/> rückfichtigt gelaſſen, genug, man hat die heldenmüthigen Lombarden, man<lb/> hat Italien verrathen! Leſen Sie die Concordia, oder ein anderes unſrer<lb/> radicalen Blätter, und Sie werden dieſe Sprache finden. Doch Sie haben<lb/> ſie ja ſchon in den Kammerverhandlungen gefunden, in der Rede des De-<lb/> putirten Joſti, welcher die Verwerfung des Waffenſtillſtandes und Fortſetzung<lb/> des Krieges verlangt. Zum Glück fehlt es auch nicht an einem Namen, auf<lb/> den das Geſchrei über Verrath ſich zuerſt ſtützen kann. Dieß iſt der Ge-<lb/> neral Ramorino, ein ſchon längſt anrüchiger Charakter, der, als er am 20<lb/> mit ſeiner Diviſion nach Pavia vorrücken ſollte, ſich an den Po zurückzog,<lb/> und ſo den Uebergang der öſterreichiſchen Truppen über den Teſſin nicht<lb/> hinderte. Ins Hauptquartier citirt um ſein Benehmen zu rechtfertigen,<lb/> entfloh Ramorino über Arona, wo er erkannt, gefangen genommen, und<lb/> geſtern nach Turin gebracht worden ſeyn ſoll.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#g">Die Turiner Deputirten kammer am 27 März</hi>.</dateline><lb/> <p>Der Prä-<lb/> ſident ertheilt dem Berichterſtatter der Commiſſion für den Adreßentwurf<lb/> an Karl Albert das Wort. <hi rendition="#g">Mauri</hi> (liest): <floatingText><body><div n="1"><p>„Sire! 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Bravo!) Deßhalb wird Ihr Name, geweiht durch Ruhm und Un-<lb/></p></div></body></floatingText></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1455/0007]
# Straßburg, 1 April.
Das Kriegsminiſterium hat durch neuere
Weiſungen eine abermalige Verſtärkung der Reſervemannſchaften des Al-
penheers anbefohlen. Die Truppenanhäufung zwiſchen Dijon und Franche-
Comté erlangt dadurch einen neuen Zuwachs. Die Einberufung der zu-
letzt pflichtig gewordenen Militärclaſſe wird wahrſcheinlich unmittelbar
nach der Abſtimmung über das Kriegsbudget erfolgen. — Die Eröffnung
der erſten Abtheilungen der Eiſenbahn von Paris nach Straßburg — einſt-
weilen bis Epernay — findet im Laufe des nächſten Monats ſtatt. Die in
Dienſt genommenen Beamten, worunter viele welche bisher an der elfäſ-
ſiſchen Eiſenbahn angeſtellt waren, haben die Weiſung erhalten ſich bis zum
10 d. in Paris einzufinden, um alsbald ihre Stellen anzutreten. Mit der
Straßburg-Baſeler Geſellſchaft find neuerdings Unterhandlungen einge-
leitet daß dieſelbe den proviſoriſchen Betrieb der Linie von hier bis Saar-
burg übernehme. — Die Thätigkeit in ſämmtlichen oberrheiniſchen Fabri-
ken hat auch in den letzten Wochen in einem gedeihlichen Maße zuge-
nommen.
Italien.
△ Rom, 26 März.
Aus politiſchen Sympathien oder Antipathien
eine ſich darbietende gute Gelegenheit zu verſäumen wäre Thorheit. Alle
Freunde des geſchichtlichen Alterthums werden ſich daher freuen zu erfah-
ren daß der Plan Canina’s, des um die Topographie Roms vielverdienten
Architecten, das ganze Forum offen zu legen, von der Aſſemblea geneh-
migt, und daß bereits an die Allee Hand angelegt worden iſt welche bis-
her für die Fortſetzung der Ausgrabungen bedeutende Hinderniſſe in den
Weg legte. Sechzehntauſend Scudi ſind zu dieſem Zweck bewilligt, und,
da man die Arbeiten in Accord gibt, ſo ſteht zu hoffen daß ſie raſch werden
gefördert werden. Von der Baſilica Julia ſind bereits mehrere Pfeiler,
welche die großen Bögen trugen, zum Vorſchein gekommen, ja Canina’s
kundiger Blick hat in den Mauern eines an die abgeriſſenen Fenili anſto-
ßenden Hauſes die Bögen des zweiten Stockwerks dieſes prachtvollen Ge-
bäudes entdeckt. Auch dazu iſt Hoffnung vorhanden, dieſes Gebäude nie-
dergeriſſen und das ganze Skelett eines ſo merkwürdigen Denkmals klar
vor Augen gelegt zu ſehen. — In dem großen Saal des Senatorenpala-
ſtes wird ein mächtiges Amphitheater zur Aufnahme der Coſtituente
italiana hergerichtet. Ueberhaupt verfährt man in allem und mit allem
ſo als wenn das gegenwärtige Regiment ewig dauern könne, woran in-
deſſen die Theilhaber der Regierungs- und Verwaltungsgeſchäfte ſelbſt
nicht glauben, obwohl der Wiederausbruch der Feindſeligkeiten im Nor-
den und Süden ihnen längere. Friſt geſtattet als anfangs zu erwarten
ſtand. Alle Hoffnungen auf ein baldiges Erſcheinen der Intervention
ſcheinen aufgegeben.
h Mailand, 1 April.
Noch immer wird es den Mailändern
ſchwer die bittere Wahrheit zu glauben, und ſich zu geſtehen daß die Pie-
monteſen wirklich bei Novara aufs Haupt geſchlagen, die Armee gänzlich
zerſprengt wurde, und daß Victor Emanuel einen Frieden unter allen Be-
dingungen annehmen mußte. Wahrlich, nach allem was bis hieher vorge-
fallen, ſind dieſe Bedingungen nicht zu hart; um ſo unbegreiflicher iſt es
aber deßhalb auch daß der König von Sardinien täglich Parlamentäre
aller Art ſchickt um etwas von dem Bedingenen herunterzumarkten; ſo tra-
fen geſtern wieder Hr. Bois le Comte und Hr. Abercrombie — Frankreich
und England — hier ein, find aber glücklicherweiſe und wie es auch nicht
anders zu erwarten war, von dem alten Herrn ebenſo wie in Novara nur
als Privatperſonen empfangen worden, wonach es ſcheint daß ſich der
Feldmarſchall keine auswärtigen Einmiſchungen gefallen läßt. Eine Aen-
derung in den Bedingungen wäre auch unmöglich; die Verhandlungen
über den Frieden gehen für jetzt von Olmütz aus — „Cardinal, ich habe
das meinige gethan, thut ihr das Eurige“ — und hier hofft alles daß man
nicht wieder großmüthig und nachſichtig verfahren werde. Die Geſandten
wurden zur Tafel eingeladen, erſchienen aber mit ziemlich langen Geſich-
tern. Von Como und Bergamo ſind gute Nachrichten eingetroffen: dieſe
Städte ſind von unſern Truppen beſetzt. Brescia wird vom Caſtell ſeit
zwei Tagen beſchoffen, und ſoll ſtark gelitten haben. Feldmarſchallieute-
nant Appel iſt mit 10,000 Mann und 50 Kanonen dort angelangt, und ſo
eben trifft hier die Nachricht ein daß ſich Brescia auf Gnade und Ungnade
ergeben. Die Inſurgenten hatten den Stadtcommandanten, der ſich zu einer
Unterredung herbeigelaſſen, ſchmählich ermordet! St. Euphemia, ein kleines
Dorf bei Brescia, wurde ſchon vorgeſtern von Nugent genommen, und 37
gefangene Inſurgenten augenblicklich abgeurtheilt und erſchoſſen, ebenſo
ein paar Conti, welche den Aufſtand mit organiſirt. In Brescia befehligte
der berüchtigte Camuzzi, in St. Euphemia ein Prieſter. In wenigen Ta-
gen gehen von hier zwei Cavallerieregimenter nach Ungarn ab, Liechten-
ſtein-Chevaulegers und Kalſer-Uhlanen; Officiere und Mannſchaft bren-
nen vor Begierde in den Kampf zu kommen.
— Turin, 28 März.
Nachdem ich den Brief an Sie geſtern zur
Poſt gegeben hatte, begab ich mich nach der Pizza Caſtello, wo die Na-
tionalgarde bereits rings um den Platz aufgeſtellt war. Um 3 Uhr nahm
der Commandeur desſelben, General Maffei, den Huldigungseid ab, wor-
auf ein dreimaliges Viva dem neuen König ertönte. Dieſer erſchien in
Begleitung des Prinzen von Savopen-Carignan und eines nicht allzu gro-
ßen Gefolges. Hinterher folgte in einem Wagen die junge Königin Marie
Adelaide mit ihren drei älteſten Kindern. Zu jeder andern Zeit würde
die Thronbeſteigung eines jugendlichen *), tapfern und talentvollen Königs
mit Jubel und Feſtlichkeiten begrüßt worden ſeyn, doch in dieſen ernſten
Augenblicken konnte keine freudige Begeiſterung aufflammen. Die kurze
Heerſchau des Königs machte einen düſtern, melancholiſchen Eindruck, den
die Vivas der Nationalgarde und der Zuſchauer nicht zu vermindern vermoch-
ten. Fenſter und Balcons waren zwar mit Zuſchauern beſetzt, aber keine
Teppiche, keine Kränze, mit denen ſich wohl ſonſt das eitle Turin geſchmückt
hätte, gaben der Scenerie einen heiterern, freudigeren Anſtrich. Voriges
Jahr, als Karl Albert die Conſtitution gegeben hatte, und zum erſtenmal
die neugeſchaffene Bürgerwehr muſterte, welch anderer Jubel, welch
anderer Freudenſchrei erfüllte die Luft, und gegen damals wo in der un-
geheuren Menſchenmaſſe viele Perſonen bedeutend beſchädigt wurden,
war geſtern der Platz faſt leer zu nennen. Ich war neben einen Lombar-
den zu ſtehen gekommen, und als die Königin, eine liebenswürdige Per-
ſönlichkeit, vorbeifuhr, murmelte er mit unterdrücktem Fluche: „eine öſter-
reichiſche Königin!“ Auch in der Proclamation des Königs an die Bür-
ger herrſcht ein gedrückter, faſt kalter Ton. Ich theile ſie Ihnen nicht mit,
da unſre Blätter ſie Ihnen heute bringen werden. Heute wird der König
in den Kammern den Eid auf die Verfaſſung leiſten. Die Vertagung der
Kammern, die wegen des gefürchteten Einmarſches der Oeſterreicher war
beſchloſſen worden, iſt von dem Miniſterium widerrufen. Von dieſem
müſſen wir jetzt Abſchied nehmen, und wir thun es mit Freuden, denn
dem neuen König iſt ein neues Miniſterium gefolgt. Unſre Wühler ſchö-
pfen wieder friſchen Athem. Radetzky bleibt an der Seſia, und ſie können
furchtlos von neuem ihre Rodomontaden loslaſſen. Zum Glück iſt ihnen
ein Hinterpförtchen geblieben, wodurch ſie entwiſchen können, wenn man
ſie auf den unglücklichen Ausgang des Kriegs, zu dem ſie das Land auf-
geſtachelt haben, hinweist. Radetzky hat ja an der Gränze unterhandelt,
er iſt nicht nach Turin marſchirt. Nicht auf Rechnung der Großmuth des
feindlichen Generals und ſeiner Rückſichten für das neue Königspaar das
mit ſeinem Herrſcherhauſe verwandt iſt, ſchreiben ſie dieſe Mäßigung —
ſondern auf Rechnung ſeiner Furcht vor dem Aufſtand der geſammten Be-
völkerung, die ihn, wenn er weiter vorgeſchritten wäre, erdrückt und ver-
nichtet hätte. Man hat ſich durch den ſchlauen General täuſchen laſſen,
man hat in ſeine Unterhandlungen eingewilligt ehe kaum der Krieg be-
gonnen, man hat die tapfere und zum Kampf entflammte Nationalgarde,
die wie zu Caſale den Feind würde ſiegreich zurückgeworfen haben, unbe-
rückfichtigt gelaſſen, genug, man hat die heldenmüthigen Lombarden, man
hat Italien verrathen! Leſen Sie die Concordia, oder ein anderes unſrer
radicalen Blätter, und Sie werden dieſe Sprache finden. Doch Sie haben
ſie ja ſchon in den Kammerverhandlungen gefunden, in der Rede des De-
putirten Joſti, welcher die Verwerfung des Waffenſtillſtandes und Fortſetzung
des Krieges verlangt. Zum Glück fehlt es auch nicht an einem Namen, auf
den das Geſchrei über Verrath ſich zuerſt ſtützen kann. Dieß iſt der Ge-
neral Ramorino, ein ſchon längſt anrüchiger Charakter, der, als er am 20
mit ſeiner Diviſion nach Pavia vorrücken ſollte, ſich an den Po zurückzog,
und ſo den Uebergang der öſterreichiſchen Truppen über den Teſſin nicht
hinderte. Ins Hauptquartier citirt um ſein Benehmen zu rechtfertigen,
entfloh Ramorino über Arona, wo er erkannt, gefangen genommen, und
geſtern nach Turin gebracht worden ſeyn ſoll.
Die Turiner Deputirten kammer am 27 März.
Der Prä-
ſident ertheilt dem Berichterſtatter der Commiſſion für den Adreßentwurf
an Karl Albert das Wort. Mauri (liest): „Sire! Mitten im Kampf
des Vaterlandes, inmitten im Grollen eines geheimnißvollen Schickſals
mußten die Vertreter des ſubalpiniſchen Volkes in Ihnen die Majeſtät im
Unglück bewundern, müſſen ſie eine heilige Pflicht im Namen von ganz
Italien erfüllen. Sire! wir erfaſſen die Tiefe Ihrer Trauer, fühlen mit
Ihnen des Herzens ganzes Schmerzerſticken, des Königs, des Soldaten,
des Bürgers, und müſſen den Entſchluß achten den Sie gefaßt. Aber
wenn auch der Trug des Glückes und der Menſchen Sie wie alle großen
und edlen Seelen mit Ueberdruß gegen die Welt erfüllt, gewiß erſchüttert
er nicht Ihre Anhänglichkeit an die Sache, für die Sie als Soldat ge-
kämpft und jetzt ein verehrenswürdiger Märtyrer dulden. (Anhaltender
Beifall.) Dieſes Dulden macht ſie nur erhabener und geweihter, gibt ihr
neue Beweiſe gegen blinden Parteiargwohn, neue Gründe für jetzt und
alle Zukunft daß ihr endlicher Sieg die größten Opfer erfordere. (Sehr
gut! Bravo!) Deßhalb wird Ihr Name, geweiht durch Ruhm und Un-
*) Victor Emanuel II iſt aeboren am 17 Mär 1820.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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