Allgemeine Zeitung, Nr. 159, 7. Juni 1860.welcher die Möglichkeit einer fremden Allianz durchblicken ließ. All dieses Bis jetzt wurden alle Militärsträflinge nach Ablauf ihrer Strafzeit der ^ Paris, 5 Juni. Die Kaiserin-Wittwe von Rußland, welche zum Italien. Rom, 29 Mai. Nach einer Correspondenz des Monde konnte Ge- "Uffi- "Beweisstück" zugestellt werden. = Rom, 29 Mai. Die in voriger Woche von hier nach der tosca- = Siena, 28 Mai. Läßt sich noch über anderes schreiben als über welcher die Möglichkeit einer fremden Allianz durchblicken ließ. All dieſes Bis jetzt wurden alle Militärſträflinge nach Ablauf ihrer Strafzeit der △ Paris, 5 Juni. Die Kaiſerin-Wittwe von Rußland, welche zum Italien. Rom, 29 Mai. Nach einer Correſpondenz des Monde konnte Ge- „Uffi- „Beweisſtück“ zugeſtellt werden. = Rom, 29 Mai. Die in voriger Woche von hier nach der tosca- = Siena, 28 Mai. Läßt ſich noch über anderes ſchreiben als über <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0006" n="2650"/> welcher die Möglichkeit einer fremden Allianz durchblicken ließ. All dieſes<lb/> Mißtrauen und dieſer Verdacht richten ſich gegen eine leicht zu benennende<lb/> Macht. <hi rendition="#g">Genau daraus entſtehen auch die Conflicte welche die<lb/> Weisheit der Regierungen ſelbſt nicht mehr aufhalten kann.</hi>“ —<lb/> Eine wunderbare Logik! Frankreich iſt bedroht weil Deutſchland ſich gegen<lb/> franzöſiſche Drohungen energiſch zuſammenrafft. Uebrigens iſt dieſer Kunſt-<lb/> griff nicht mehr neu, nachdem im vorigen Jahr Piemont als der ungerecht<lb/> angegriffene Theil auspoſaunt wurde, zu deſſen Vertheidigung Frankreich<lb/> das Schwert ziehen mußte. Man weiß nicht wen man mehr bewundern ſoll,<lb/> den welcher ſolche Gründe zur Hülfe herbeizieht um einen Eroberungskrieg<lb/> zu legaliſiren, oder den welchem man ſolche Gründe zumuthet um die Noth-<lb/> wendigkeit eines Krieges zu begreifen. — Ueber die orientaliſche Frage äußert<lb/> ſich die Revue ebenfalls in ſehr bezeichnender Weiſe. Sie bezweifelt nicht die<lb/> Legalität der Intervention Rußlands, aber hält den dazu gewählten Zeitpunkt<lb/> nicht für günſtig, das Vorgehen Gortſchakoffs für verfrüht. Was werde bei<lb/> einer Unterſuchung herauskommen bei der niemand unparteiiſch ſeyn könne?<lb/> „Die Mächte des Occidents ſelbſt haben ſolche Intereſſen im Orient daß ihre Mei-<lb/> nung beinahe zum voraus feſtgeſtellt iſt, und nicht von mehr oder weniger tadelns-<lb/> werthen Vorgängen abhängt welche eine Unterſuchung zu Ungunſten der Türken<lb/> oder der Chriſten ans Licht ziehen könnte. Iſt die Unterſuchung vollendet,<lb/> was wird daraus hervoorgehen? Eine große Menge neuer Documente über<lb/> eine ſchon bekannte Frage, viel Aufregung in den Provinzen welche die Com-<lb/> miſſäre durchreiſen, und vielleicht die Keime von Feindſeligkeiten unter den<lb/> Großmächten. Um alles nicht möchten wir die Augen verſchließen über die<lb/> Lage der Völker, deren Unglück ein Recht darauf hat unſer Intereſſe zu er-<lb/> wecken. Alle Freunde der Humanität werden ſich freuen wenn man ihre<lb/> Lage ernſthaft verbeſſern kann. Aber ſie werden unendlich weniger erfreut ſeyn<lb/> wenn man nur eine neue Frage denen welche die Regierungen bereits tren-<lb/> nen beifügen, und im Orient einen Vorwand zu Einvekleibungen ſuchen will<lb/> welche die in Italien vor ſich gegangenen vergeſſen machen könnten, und um die-<lb/> ſes hübſchen Plans willen Europa den Uebeln eines allgemeinen Kriegs aus-<lb/> ſetzen wollte.“ Das klingt allerdings nicht als ob Rußland und Frankreich<lb/> miteinander einverſtanden geweſen die orientaliſche Frage wieder aufs Tapet<lb/> zu bringen, aber auch nicht als ob die franzöſiſche Politik nicht auf alle Even-<lb/> tualitäten in der Türkei gefaßt wäre.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Bis jetzt wurden alle Militärſträflinge nach Ablauf ihrer Strafzeit der<lb/> leichten Infanterie in Afrika einverleibt. Da eine faſt 30jährige Erfahrung<lb/> die Nachtheile dieſer Maßregel herausſtellte, ſo veröffentlicht der <hi rendition="#g">Moniteur</hi><lb/> ein Deeret, womit auf Antrag des Kriegsminiſters künftig der leichten afri-<lb/> kaniſchen Infanterie nur jene Militärs einverleibt werden ſollen die ſich nur<lb/> gegen die Militärgeſetze vergiengen. Die übrigen ſollen, inſofern ſie wenig-<lb/> ſtens noch 18 Monate zu dienen haben, vier Strafcompagnien, in Neu-Cale-<lb/> donien, auf Guadeloupe, am Senegal und auf der Reunions-Inſel, bilden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>△ <hi rendition="#b">Paris,</hi> 5 Juni.</dateline><lb/> <p>Die Kaiſerin-Wittwe von Rußland, welche zum<lb/> erſtenmal in ihrem Leben, und zwar auf den ausdrücklichen Wunſch ihres kai-<lb/> ſerlichen Sohnes, bei Gelegenheit ihrer Rückreiſe von Nizza nach Deutſchland<lb/> franzöſiſchen Boden betreten hat, ſoll Ihre franzöſiſchen Majeſtäten äußerſt<lb/> kalt empfangen haben. Die perſönliche Antipathie der Wittwe des Kaiſers<lb/> Nikolaus trat in Lyon um ſo greller hervor, als man, nach den Freundſchafts-<lb/> bezeugungen der ruſſiſchen Regierung, auf deren Wunſch hin die Kaiſerin-<lb/> Mutter bekanntlich länger in Nizza blieb als ſie beabſichtigte, hier ſchon der<lb/> Hoffnung Raum gab dieſelbe nach Fontainebleau kommen zu ſehen. Die<lb/> preußiſche Königstochter ſchlug aber nicht nur dieſe Einladung, ſondern auch<lb/> jede in Lyon ſelbſt ihr angebotene Gaſtfreundſchaft aus. — Heute begab ſich<lb/> der Kaiſer, begleitet von ſeiner Familie und der erſten Serie von Beſuchern,<lb/> worunter Lord Cowley, Magne, Fould und die Prinzeſſin Mathilde, ohne<lb/> die Kaiſerin-Mutter, nach Fontainebleau. — Man ſagt Koſſuth ſey hier<lb/> angekommen. — Eomond About wird nächſtens wieder eine Broſchüre<lb/> herausgeben, dießmal über Preußen. — Heute fand in der Magdalenen-<lb/> kirche die Trauung des Fräuleins Mir<hi rendition="#aq">è</hi>s mit dem Fürſten Polignac durch den<lb/> Erzbiſchof von Marſeille ſtatt. Man hat übrigens fälſchlich die Nachricht<lb/> verbreitet: der alte Mir<hi rendition="#aq">è</hi>s ſey zur katholiſchen Kirche übergetreten. Er<lb/> ſchrieb dem hieſigen Oberrabiner daß er zwar mit einer Katholikin verhei-<lb/> rathet ſey und auch ſeine Tochter in der katholiſchen Kirche erziehen ließ,<lb/> ſelbſt aber in der Religion ſeiner Väter leben und ſterben wolle. — Die<lb/> Börſe iſt heute, vermuthlich auf die Nachricht hin daß die Stadt Paris eine<lb/> Anleihe von 150 Millionen und der Staat eine von 400 Millionen contra-<lb/> hiren wird, wieder zurückgegangen. — Privatbriefe aus Genua melden daß<lb/> dort eine zweite, weit beträchtlichere Expedition, die ſchon in wenigen Tagen<lb/> abgehen ſoll, für die neapolitaniſche Inſurrection im Werke ſey. Beſtätigend<lb/> erfährt man aus Marſeille daß dort mehrere Segel- und Dampfſchiffe zu<lb/> unbekanntem Zweck angekauft worden. Uebrigens hat auch die neapoli-<lb/> taniſche Regierung in Marſeille drei große Dampfer gemiethet (nicht gekauft),<lb/> ohne Zweifel um die in Palermo liegenden Truppen abzuholen. Der Waffen-<lb/> ſtillſtand zwiſchen den Inſurgenten und den königlichen Truppen auf Sicilien<lb/> iſt auf unbeſtimmte Zeit verlängert worden.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Rom,</hi> 29 Mai.</dateline><lb/> <p>Nach einer Correſpondenz des <hi rendition="#g">Monde</hi> konnte Ge-<lb/> neral Lamorici<hi rendition="#aq">è</hi>re ſich auf ſeiner Inſpectionsreiſe nach Le Grotte, von den<lb/> Höhen von Orvieto bis an die See überzeugen daß überall unter dem Volk<lb/> große Anhänglichkeit für den Papſt beſteht. Der General empfieng die<lb/> Menge, welche nichts inniger wünſche als bewaffnet zu ſeyn um ihr Gebiet<lb/> zu vertheidigen, wohlwollend, und nun iſt die bewaffnete und mit Munition<lb/> verſehene Bevölkerung bereit die Gränzen zu ſchützen. In Ancona iſt der<lb/> Geiſt beſſer, in den Provinzen Peſaro und Urbino iſt er vortrefflich. — Fol-<lb/> gendes iſt die Ueberſetzung des bei dem gefallenen Hauptmann Orſini gefun-<lb/> denen Schreibens des Maire von Manciano an den Oberſten Zambianchi:<lb/> Oben das königlich ſardiniſche Wappen, darunter die Worte: <floatingText><body><div n="1"><p><hi rendition="#aq">„Uffi-<lb/> zio del gonfaloniere di Manciano“</hi> Hochgeehrter Herr! Nach dem was mit<lb/> Eurer Hochwohlgeboren, mit dem Hrn. Adjutanten Orſini und dem Major<lb/> Siccoli vereinbart wurde, erhalten Sie die Rechnungen über die von der<lb/> Gemeinde beſtrittenen Auslagen für die zwei Compagnien Alpenjäger, mit<lb/> der Bitte die Gefälligkeit zu haben ſie zu unterzeichnen und mir dieſelbe durch<lb/> den Boten zurückzuſchicken, damit die Gemeinde durch die Regierung die<lb/> ſchuldige Rückerſtattung erhalten könne. Außerdem empfangen Sie eire<lb/> Rechnung über die genannten Jägern von der Gemeinde Montemeramo ge-<lb/> machten Lieferungen. Belieben Sie ſelbe gleichfalls zurückzuſchicken mit dem<lb/> Viſa des Hrn. Orſini verſehen, einzige Unterſchriften, die, zufolge Verein-<lb/> barung mit Hrn. Siccoli, nöthig ſind. Glauben Sie an meine Hochachtung,<lb/> der ich bin Eurer Hochwohlgeboren ganz ergebenſter Diener. Emidio Nardicci.</p></div></body></floatingText><lb/> Wie man ſagt, ſoll dieſer Brief photographirt und den reſp. Geſandten als<lb/> „Beweisſtück“ zugeſtellt werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>= <hi rendition="#b">Rom,</hi> 29 Mai.</dateline><lb/> <p>Die in voriger Woche von hier nach der tosca-<lb/> niſchen Gränze berufenen Truppen kehren in kleinern Abtheilungen zurück,<lb/> die meiſten ohne den Feind geſehen zu haben. Auch General Lamorici<hi rendition="#aq">è</hi>re<lb/> iſt ſeit geſtern wieder hier. Das Eindringen der Freiſchaaren aus dem Flo-<lb/> rentiniſchen in den Kirchenſtaat, die ſich nach Eintreibung von einigen Kriegs-<lb/> contributionen und nach einem kleinen Scharmützel zurückziehen, wird nun<lb/> in Florenz für eine auf eigene Hand unternommene Streiferei ausgegeben.<lb/> Das iſt auch, wie wir hören, die amtliche Erklärung des Abenteuers. Damit<lb/> ſtellt man freilich der eigenen Ueberwachung der militäriſchen Disciplin und<lb/> Ordnung ein ſchlimmes Zeugniß aus. Es ſcheint doch aber der Zweck des<lb/> jedenfalls nicht wohl berechneten Unternehmens beſonders der geweſen zu<lb/> ſeyn der Gränzbevölkerung des Kirchenſtaats an den Puls zu fühlen, und da<lb/> fand man zur Ueberraſchung und Entmuthigung daß er geſünder war als<lb/> man erwartete. Jetzt iſt General Schmidt mit ſeinem Corps von Perugia<lb/> aus der Gränzhut halber weiter vorgegangen. Die von hier nach Corneto<lb/> auf die Bewachung der Küſte verwendeten Truppen ſind noch dort. Bei der<lb/> Expedition nach Etrurien machte ſich das Bedürfniß der Erweiterung der vor-<lb/> handenen Telegraphenfäden ſehr fühlbar. Man hat ſofort an eine von hier<lb/> direct nach Biterbo und in jener Richtung weiter führende Linie Hand gelegt.<lb/> Der Finanzminiſter gab eine Bekanntmachung aus, wodurch der Schluß-<lb/> termin für die öffentliche Subſcription auf die römiſche Anleihe von zehn<lb/> Millionen Scudi modificirt wird. Jetzt iſt der Termin bis zum 15 Juli<lb/> verlängert. — In Folge der in vorletzter Woche erwähnten Entdeckung einer<lb/> Falſchmünzergeſellſchaft ſind noch andere Perſonen eingezogen worden. Die Unter-<lb/> ſuchung hat herausgeſtellt daß von dem nachgemachten Papiergeld der römi-<lb/> ſchen Bank, außer dem vorgefundenen <hi rendition="#aq">corpus delieti</hi> von 25,000 Scudi, noch<lb/> andere nicht unbeträchtliche Summen bei Hehlern niedergelegt waren um in<lb/> Circulation geſetzt zu werden, daß dieſelbe aber vor der Entdeckung des Be-<lb/> trugs noch von keiner Station aus vor ſich gegangen war.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>= <hi rendition="#b">Siena,</hi> 28 Mai.</dateline><lb/> <p>Läßt ſich noch über anderes ſchreiben als über<lb/> die Löwen des Tages, Garibaldi und Sicilien? Ich will’s verſuchen, wenn<lb/> anders Triumphgeſchrei und Hymnen der geſammten Revolution mich dazu<lb/> kommen laſſen — Triumphgeſchrei, das, ungeachtet der obligaten Verwah-<lb/> rungen des Grafen Cavour, welche jetzt im vollen Glanz ihrer Wahrheit<lb/> und Aufrichtigkeit ſtehen, etwas von officiellen Fanfaren an ſich trägt, ob-<lb/> gleich man keine Cardinäle und Erzbiſchöfe zum Tedeum aufgefordert hat,<lb/> welchem der Canonicus Bianchi in Florenz bei ſeiner Freundſchaft für Hrn.<lb/> Salvagnoli vielleicht ungebeten abhilft. Ich habe Piſa verlaſſen, wo es an<lb/> warmen Tagen drückend, an windig kalten ſehr ſtürmiſch war, und finde<lb/> in Siena mehr Bewegung und Leben als in der Arnoſtadt. Das Leben<lb/> concentrirt ſich freilich ſo ziemlich in einer Straße, welche, die Stadt der Länge<lb/> nach durchſchneidend, vom Florentiniſchen zum römiſchen Thor geht; da die<lb/> Straßen eng ſind, fällt die Menge mehr ins Auge. Das Volk iſt lebendig,<lb/> weit mehr als das piſaniſche; die untere Claſſe geht aber den allgemeinen<lb/> Weg der toscaniſchen Städter, piemonteſirt wacker drauf los, läßt im gegen-<lb/> wärtigen Fall Garibaldi und Victor Emmanuel leben, nimmt von dem Proteſt<lb/> des Miniſteriums des <hi rendition="#aq">Rè galantuomo</hi> keine Notiz, und erklärt beide einver-<lb/> ſtanden und herzenseinig zur Befreiung Italiens. So das Volk, von wel-<lb/> chem ein Florentiniſcher Correſpondent eines engliſchen Blattes erzählt: es habe<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2650/0006]
welcher die Möglichkeit einer fremden Allianz durchblicken ließ. All dieſes
Mißtrauen und dieſer Verdacht richten ſich gegen eine leicht zu benennende
Macht. Genau daraus entſtehen auch die Conflicte welche die
Weisheit der Regierungen ſelbſt nicht mehr aufhalten kann.“ —
Eine wunderbare Logik! Frankreich iſt bedroht weil Deutſchland ſich gegen
franzöſiſche Drohungen energiſch zuſammenrafft. Uebrigens iſt dieſer Kunſt-
griff nicht mehr neu, nachdem im vorigen Jahr Piemont als der ungerecht
angegriffene Theil auspoſaunt wurde, zu deſſen Vertheidigung Frankreich
das Schwert ziehen mußte. Man weiß nicht wen man mehr bewundern ſoll,
den welcher ſolche Gründe zur Hülfe herbeizieht um einen Eroberungskrieg
zu legaliſiren, oder den welchem man ſolche Gründe zumuthet um die Noth-
wendigkeit eines Krieges zu begreifen. — Ueber die orientaliſche Frage äußert
ſich die Revue ebenfalls in ſehr bezeichnender Weiſe. Sie bezweifelt nicht die
Legalität der Intervention Rußlands, aber hält den dazu gewählten Zeitpunkt
nicht für günſtig, das Vorgehen Gortſchakoffs für verfrüht. Was werde bei
einer Unterſuchung herauskommen bei der niemand unparteiiſch ſeyn könne?
„Die Mächte des Occidents ſelbſt haben ſolche Intereſſen im Orient daß ihre Mei-
nung beinahe zum voraus feſtgeſtellt iſt, und nicht von mehr oder weniger tadelns-
werthen Vorgängen abhängt welche eine Unterſuchung zu Ungunſten der Türken
oder der Chriſten ans Licht ziehen könnte. Iſt die Unterſuchung vollendet,
was wird daraus hervoorgehen? Eine große Menge neuer Documente über
eine ſchon bekannte Frage, viel Aufregung in den Provinzen welche die Com-
miſſäre durchreiſen, und vielleicht die Keime von Feindſeligkeiten unter den
Großmächten. Um alles nicht möchten wir die Augen verſchließen über die
Lage der Völker, deren Unglück ein Recht darauf hat unſer Intereſſe zu er-
wecken. Alle Freunde der Humanität werden ſich freuen wenn man ihre
Lage ernſthaft verbeſſern kann. Aber ſie werden unendlich weniger erfreut ſeyn
wenn man nur eine neue Frage denen welche die Regierungen bereits tren-
nen beifügen, und im Orient einen Vorwand zu Einvekleibungen ſuchen will
welche die in Italien vor ſich gegangenen vergeſſen machen könnten, und um die-
ſes hübſchen Plans willen Europa den Uebeln eines allgemeinen Kriegs aus-
ſetzen wollte.“ Das klingt allerdings nicht als ob Rußland und Frankreich
miteinander einverſtanden geweſen die orientaliſche Frage wieder aufs Tapet
zu bringen, aber auch nicht als ob die franzöſiſche Politik nicht auf alle Even-
tualitäten in der Türkei gefaßt wäre.
Bis jetzt wurden alle Militärſträflinge nach Ablauf ihrer Strafzeit der
leichten Infanterie in Afrika einverleibt. Da eine faſt 30jährige Erfahrung
die Nachtheile dieſer Maßregel herausſtellte, ſo veröffentlicht der Moniteur
ein Deeret, womit auf Antrag des Kriegsminiſters künftig der leichten afri-
kaniſchen Infanterie nur jene Militärs einverleibt werden ſollen die ſich nur
gegen die Militärgeſetze vergiengen. Die übrigen ſollen, inſofern ſie wenig-
ſtens noch 18 Monate zu dienen haben, vier Strafcompagnien, in Neu-Cale-
donien, auf Guadeloupe, am Senegal und auf der Reunions-Inſel, bilden.
△ Paris, 5 Juni.
Die Kaiſerin-Wittwe von Rußland, welche zum
erſtenmal in ihrem Leben, und zwar auf den ausdrücklichen Wunſch ihres kai-
ſerlichen Sohnes, bei Gelegenheit ihrer Rückreiſe von Nizza nach Deutſchland
franzöſiſchen Boden betreten hat, ſoll Ihre franzöſiſchen Majeſtäten äußerſt
kalt empfangen haben. Die perſönliche Antipathie der Wittwe des Kaiſers
Nikolaus trat in Lyon um ſo greller hervor, als man, nach den Freundſchafts-
bezeugungen der ruſſiſchen Regierung, auf deren Wunſch hin die Kaiſerin-
Mutter bekanntlich länger in Nizza blieb als ſie beabſichtigte, hier ſchon der
Hoffnung Raum gab dieſelbe nach Fontainebleau kommen zu ſehen. Die
preußiſche Königstochter ſchlug aber nicht nur dieſe Einladung, ſondern auch
jede in Lyon ſelbſt ihr angebotene Gaſtfreundſchaft aus. — Heute begab ſich
der Kaiſer, begleitet von ſeiner Familie und der erſten Serie von Beſuchern,
worunter Lord Cowley, Magne, Fould und die Prinzeſſin Mathilde, ohne
die Kaiſerin-Mutter, nach Fontainebleau. — Man ſagt Koſſuth ſey hier
angekommen. — Eomond About wird nächſtens wieder eine Broſchüre
herausgeben, dießmal über Preußen. — Heute fand in der Magdalenen-
kirche die Trauung des Fräuleins Mirès mit dem Fürſten Polignac durch den
Erzbiſchof von Marſeille ſtatt. Man hat übrigens fälſchlich die Nachricht
verbreitet: der alte Mirès ſey zur katholiſchen Kirche übergetreten. Er
ſchrieb dem hieſigen Oberrabiner daß er zwar mit einer Katholikin verhei-
rathet ſey und auch ſeine Tochter in der katholiſchen Kirche erziehen ließ,
ſelbſt aber in der Religion ſeiner Väter leben und ſterben wolle. — Die
Börſe iſt heute, vermuthlich auf die Nachricht hin daß die Stadt Paris eine
Anleihe von 150 Millionen und der Staat eine von 400 Millionen contra-
hiren wird, wieder zurückgegangen. — Privatbriefe aus Genua melden daß
dort eine zweite, weit beträchtlichere Expedition, die ſchon in wenigen Tagen
abgehen ſoll, für die neapolitaniſche Inſurrection im Werke ſey. Beſtätigend
erfährt man aus Marſeille daß dort mehrere Segel- und Dampfſchiffe zu
unbekanntem Zweck angekauft worden. Uebrigens hat auch die neapoli-
taniſche Regierung in Marſeille drei große Dampfer gemiethet (nicht gekauft),
ohne Zweifel um die in Palermo liegenden Truppen abzuholen. Der Waffen-
ſtillſtand zwiſchen den Inſurgenten und den königlichen Truppen auf Sicilien
iſt auf unbeſtimmte Zeit verlängert worden.
Italien.
Rom, 29 Mai.
Nach einer Correſpondenz des Monde konnte Ge-
neral Lamoricière ſich auf ſeiner Inſpectionsreiſe nach Le Grotte, von den
Höhen von Orvieto bis an die See überzeugen daß überall unter dem Volk
große Anhänglichkeit für den Papſt beſteht. Der General empfieng die
Menge, welche nichts inniger wünſche als bewaffnet zu ſeyn um ihr Gebiet
zu vertheidigen, wohlwollend, und nun iſt die bewaffnete und mit Munition
verſehene Bevölkerung bereit die Gränzen zu ſchützen. In Ancona iſt der
Geiſt beſſer, in den Provinzen Peſaro und Urbino iſt er vortrefflich. — Fol-
gendes iſt die Ueberſetzung des bei dem gefallenen Hauptmann Orſini gefun-
denen Schreibens des Maire von Manciano an den Oberſten Zambianchi:
Oben das königlich ſardiniſche Wappen, darunter die Worte: „Uffi-
zio del gonfaloniere di Manciano“ Hochgeehrter Herr! Nach dem was mit
Eurer Hochwohlgeboren, mit dem Hrn. Adjutanten Orſini und dem Major
Siccoli vereinbart wurde, erhalten Sie die Rechnungen über die von der
Gemeinde beſtrittenen Auslagen für die zwei Compagnien Alpenjäger, mit
der Bitte die Gefälligkeit zu haben ſie zu unterzeichnen und mir dieſelbe durch
den Boten zurückzuſchicken, damit die Gemeinde durch die Regierung die
ſchuldige Rückerſtattung erhalten könne. Außerdem empfangen Sie eire
Rechnung über die genannten Jägern von der Gemeinde Montemeramo ge-
machten Lieferungen. Belieben Sie ſelbe gleichfalls zurückzuſchicken mit dem
Viſa des Hrn. Orſini verſehen, einzige Unterſchriften, die, zufolge Verein-
barung mit Hrn. Siccoli, nöthig ſind. Glauben Sie an meine Hochachtung,
der ich bin Eurer Hochwohlgeboren ganz ergebenſter Diener. Emidio Nardicci.
Wie man ſagt, ſoll dieſer Brief photographirt und den reſp. Geſandten als
„Beweisſtück“ zugeſtellt werden.
= Rom, 29 Mai.
Die in voriger Woche von hier nach der tosca-
niſchen Gränze berufenen Truppen kehren in kleinern Abtheilungen zurück,
die meiſten ohne den Feind geſehen zu haben. Auch General Lamoricière
iſt ſeit geſtern wieder hier. Das Eindringen der Freiſchaaren aus dem Flo-
rentiniſchen in den Kirchenſtaat, die ſich nach Eintreibung von einigen Kriegs-
contributionen und nach einem kleinen Scharmützel zurückziehen, wird nun
in Florenz für eine auf eigene Hand unternommene Streiferei ausgegeben.
Das iſt auch, wie wir hören, die amtliche Erklärung des Abenteuers. Damit
ſtellt man freilich der eigenen Ueberwachung der militäriſchen Disciplin und
Ordnung ein ſchlimmes Zeugniß aus. Es ſcheint doch aber der Zweck des
jedenfalls nicht wohl berechneten Unternehmens beſonders der geweſen zu
ſeyn der Gränzbevölkerung des Kirchenſtaats an den Puls zu fühlen, und da
fand man zur Ueberraſchung und Entmuthigung daß er geſünder war als
man erwartete. Jetzt iſt General Schmidt mit ſeinem Corps von Perugia
aus der Gränzhut halber weiter vorgegangen. Die von hier nach Corneto
auf die Bewachung der Küſte verwendeten Truppen ſind noch dort. Bei der
Expedition nach Etrurien machte ſich das Bedürfniß der Erweiterung der vor-
handenen Telegraphenfäden ſehr fühlbar. Man hat ſofort an eine von hier
direct nach Biterbo und in jener Richtung weiter führende Linie Hand gelegt.
Der Finanzminiſter gab eine Bekanntmachung aus, wodurch der Schluß-
termin für die öffentliche Subſcription auf die römiſche Anleihe von zehn
Millionen Scudi modificirt wird. Jetzt iſt der Termin bis zum 15 Juli
verlängert. — In Folge der in vorletzter Woche erwähnten Entdeckung einer
Falſchmünzergeſellſchaft ſind noch andere Perſonen eingezogen worden. Die Unter-
ſuchung hat herausgeſtellt daß von dem nachgemachten Papiergeld der römi-
ſchen Bank, außer dem vorgefundenen corpus delieti von 25,000 Scudi, noch
andere nicht unbeträchtliche Summen bei Hehlern niedergelegt waren um in
Circulation geſetzt zu werden, daß dieſelbe aber vor der Entdeckung des Be-
trugs noch von keiner Station aus vor ſich gegangen war.
= Siena, 28 Mai.
Läßt ſich noch über anderes ſchreiben als über
die Löwen des Tages, Garibaldi und Sicilien? Ich will’s verſuchen, wenn
anders Triumphgeſchrei und Hymnen der geſammten Revolution mich dazu
kommen laſſen — Triumphgeſchrei, das, ungeachtet der obligaten Verwah-
rungen des Grafen Cavour, welche jetzt im vollen Glanz ihrer Wahrheit
und Aufrichtigkeit ſtehen, etwas von officiellen Fanfaren an ſich trägt, ob-
gleich man keine Cardinäle und Erzbiſchöfe zum Tedeum aufgefordert hat,
welchem der Canonicus Bianchi in Florenz bei ſeiner Freundſchaft für Hrn.
Salvagnoli vielleicht ungebeten abhilft. Ich habe Piſa verlaſſen, wo es an
warmen Tagen drückend, an windig kalten ſehr ſtürmiſch war, und finde
in Siena mehr Bewegung und Leben als in der Arnoſtadt. Das Leben
concentrirt ſich freilich ſo ziemlich in einer Straße, welche, die Stadt der Länge
nach durchſchneidend, vom Florentiniſchen zum römiſchen Thor geht; da die
Straßen eng ſind, fällt die Menge mehr ins Auge. Das Volk iſt lebendig,
weit mehr als das piſaniſche; die untere Claſſe geht aber den allgemeinen
Weg der toscaniſchen Städter, piemonteſirt wacker drauf los, läßt im gegen-
wärtigen Fall Garibaldi und Victor Emmanuel leben, nimmt von dem Proteſt
des Miniſteriums des Rè galantuomo keine Notiz, und erklärt beide einver-
ſtanden und herzenseinig zur Befreiung Italiens. So das Volk, von wel-
chem ein Florentiniſcher Correſpondent eines engliſchen Blattes erzählt: es habe
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(2021-01-12T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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