Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Eure Schultern drückt manche Last, manche Er¬
innerung; manch schlimmer Zwerg hockt in euren
Winkeln. Es giebt verborgenen Pöbel auch in euch.

Und seid ihr auch hoch und höherer Art: Vieles
an euch ist krumm und missgestalt. Da ist kein Schmied
in der Welt, der euch mir zurecht und gerade schlüge.

Ihr seid nur Brücken: mögen Höhere auf euch
hinüber schreiten! Ihr bedeutet Stufen: so zürnt Dem
nicht, der über euch hinweg in seine Höhe steigt!

Aus eurem Samen mag auch mir einst ein ächter
Sohn und vollkommener Erbe wachsen: aber das ist
ferne. Ihr selber seid Die nicht, welchen mein Erbgut
und Name zugehört.

Nicht auf euch warte ich hier in diesen Bergen,
nicht mit euch darf ich zum letzten Male niedersteigen.
Als Vorzeichen kamt ihr mir nur, dass schon Höhere
zu mir unterwegs sind, --

-- nicht die Menschen der grossen Sehnsucht, des
grossen Ekels, des grossen Überdrusses und Das, was
ihr den Überrest Gottes nanntet.

-- Nein! Nein! Drei Mal Nein! Auf Andere
warte ich hier in diesen Bergen und will meinen Fuss
nicht ohne sie von dannen heben,

-- auf Höhere, Stärkere, Sieghaftere, Wohlge¬
muthere, Solche, die rechtwinklig gebaut sind an Leib
und Seele: lachende Löwen müssen kommen!

Oh, meine Gastfreunde, ihr Wunderlichen, -- hörtet
ihr noch Nichts von meinen Kindern? Und dass sie
zu mir unterwegs sind?

Sprecht mir doch von meinen Gärten, von meinen

Eure Schultern drückt manche Last, manche Er¬
innerung; manch schlimmer Zwerg hockt in euren
Winkeln. Es giebt verborgenen Pöbel auch in euch.

Und seid ihr auch hoch und höherer Art: Vieles
an euch ist krumm und missgestalt. Da ist kein Schmied
in der Welt, der euch mir zurecht und gerade schlüge.

Ihr seid nur Brücken: mögen Höhere auf euch
hinüber schreiten! Ihr bedeutet Stufen: so zürnt Dem
nicht, der über euch hinweg in seine Höhe steigt!

Aus eurem Samen mag auch mir einst ein ächter
Sohn und vollkommener Erbe wachsen: aber das ist
ferne. Ihr selber seid Die nicht, welchen mein Erbgut
und Name zugehört.

Nicht auf euch warte ich hier in diesen Bergen,
nicht mit euch darf ich zum letzten Male niedersteigen.
Als Vorzeichen kamt ihr mir nur, dass schon Höhere
zu mir unterwegs sind, —

nicht die Menschen der grossen Sehnsucht, des
grossen Ekels, des grossen Überdrusses und Das, was
ihr den Überrest Gottes nanntet.

— Nein! Nein! Drei Mal Nein! Auf Andere
warte ich hier in diesen Bergen und will meinen Fuss
nicht ohne sie von dannen heben,

— auf Höhere, Stärkere, Sieghaftere, Wohlge¬
muthere, Solche, die rechtwinklig gebaut sind an Leib
und Seele: lachende Löwen müssen kommen!

Oh, meine Gastfreunde, ihr Wunderlichen, — hörtet
ihr noch Nichts von meinen Kindern? Und dass sie
zu mir unterwegs sind?

Sprecht mir doch von meinen Gärten, von meinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0078" n="71"/>
        <p>Eure Schultern drückt manche Last, manche Er¬<lb/>
innerung; manch schlimmer Zwerg hockt in euren<lb/>
Winkeln. Es giebt verborgenen Pöbel auch in euch.</p><lb/>
        <p>Und seid ihr auch hoch und höherer Art: Vieles<lb/>
an euch ist krumm und missgestalt. Da ist kein Schmied<lb/>
in der Welt, der euch mir zurecht und gerade schlüge.</p><lb/>
        <p>Ihr seid nur Brücken: mögen Höhere auf euch<lb/>
hinüber schreiten! Ihr bedeutet Stufen: so zürnt Dem<lb/>
nicht, der über euch hinweg in <hi rendition="#g">seine</hi> Höhe steigt!</p><lb/>
        <p>Aus eurem Samen mag auch mir einst ein ächter<lb/>
Sohn und vollkommener Erbe wachsen: aber das ist<lb/>
ferne. Ihr selber seid Die nicht, welchen mein Erbgut<lb/>
und Name zugehört.</p><lb/>
        <p>Nicht auf euch warte ich hier in diesen Bergen,<lb/>
nicht mit euch darf ich zum letzten Male niedersteigen.<lb/>
Als Vorzeichen kamt ihr mir nur, dass schon Höhere<lb/>
zu mir unterwegs sind, &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x2014; <hi rendition="#g">nicht</hi> die Menschen der grossen Sehnsucht, des<lb/>
grossen Ekels, des grossen Überdrusses und Das, was<lb/>
ihr den Überrest Gottes nanntet.</p><lb/>
        <p>&#x2014; Nein! Nein! Drei Mal Nein! Auf <hi rendition="#g">Andere</hi><lb/>
warte ich hier in diesen Bergen und will meinen Fuss<lb/>
nicht ohne sie von dannen heben,</p><lb/>
        <p>&#x2014; auf Höhere, Stärkere, Sieghaftere, Wohlge¬<lb/>
muthere, Solche, die rechtwinklig gebaut sind an Leib<lb/>
und Seele: <hi rendition="#g">lachende Löwen</hi> müssen kommen!</p><lb/>
        <p>Oh, meine Gastfreunde, ihr Wunderlichen, &#x2014; hörtet<lb/>
ihr noch Nichts von meinen Kindern? Und dass sie<lb/>
zu mir unterwegs sind?</p><lb/>
        <p>Sprecht mir doch von meinen Gärten, von meinen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0078] Eure Schultern drückt manche Last, manche Er¬ innerung; manch schlimmer Zwerg hockt in euren Winkeln. Es giebt verborgenen Pöbel auch in euch. Und seid ihr auch hoch und höherer Art: Vieles an euch ist krumm und missgestalt. Da ist kein Schmied in der Welt, der euch mir zurecht und gerade schlüge. Ihr seid nur Brücken: mögen Höhere auf euch hinüber schreiten! Ihr bedeutet Stufen: so zürnt Dem nicht, der über euch hinweg in seine Höhe steigt! Aus eurem Samen mag auch mir einst ein ächter Sohn und vollkommener Erbe wachsen: aber das ist ferne. Ihr selber seid Die nicht, welchen mein Erbgut und Name zugehört. Nicht auf euch warte ich hier in diesen Bergen, nicht mit euch darf ich zum letzten Male niedersteigen. Als Vorzeichen kamt ihr mir nur, dass schon Höhere zu mir unterwegs sind, — — nicht die Menschen der grossen Sehnsucht, des grossen Ekels, des grossen Überdrusses und Das, was ihr den Überrest Gottes nanntet. — Nein! Nein! Drei Mal Nein! Auf Andere warte ich hier in diesen Bergen und will meinen Fuss nicht ohne sie von dannen heben, — auf Höhere, Stärkere, Sieghaftere, Wohlge¬ muthere, Solche, die rechtwinklig gebaut sind an Leib und Seele: lachende Löwen müssen kommen! Oh, meine Gastfreunde, ihr Wunderlichen, — hörtet ihr noch Nichts von meinen Kindern? Und dass sie zu mir unterwegs sind? Sprecht mir doch von meinen Gärten, von meinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/78
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/78>, abgerufen am 26.04.2024.