Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Heimkehr.

Oh Einsamkeit! Du meine Heimat Einsamkeit!
Zu lange lebte ich wild in wilder Fremde, als dass
ich nicht mit Thränen zu dir heimkehrte!

Nun drohe mir nur mit dem Finger, wie Mütter
drohn, nun lächle mir zu, wie Mütter lächeln, nun
sprich nur: "Und wer war das, der wie ein Sturmwind
einst von mir davonstürmte? --

"-- der scheidend rief: zu lange sass ich bei der
Einsamkeit, da verlernte ich das Schweigen! Das
-- lerntest du nun wohl?

"Oh Zarathustra, Alles weiss ich: und dass du
unter den Vielen verlassener warst, du Einer, als
je bei mir!

"Ein Anderes ist Verlassenheit, ein Anderes Ein¬
samkeit: Das -- lerntest du nun! Und dass du unter
Menschen immer wild und fremd sein wirst:

"-- wild und fremd auch noch, wenn sie dich lieben:
denn zuerst von Allem wollen sie geschont sein!

"Hier aber bist du bei dir zu Heim und Hause;
hier kannst du Alles hinausreden und alle Gründe
ausschütten, Nichts schämt sich hier versteckter, ver¬
stockter Gefühle.

"Hier kommen alle Dinge liebkosend zu deiner
Rede und schmeicheln dir: denn sie wollen auf deinem

Die Heimkehr.

Oh Einsamkeit! Du meine Heimat Einsamkeit!
Zu lange lebte ich wild in wilder Fremde, als dass
ich nicht mit Thränen zu dir heimkehrte!

Nun drohe mir nur mit dem Finger, wie Mütter
drohn, nun lächle mir zu, wie Mütter lächeln, nun
sprich nur: „Und wer war das, der wie ein Sturmwind
einst von mir davonstürmte? —

„— der scheidend rief: zu lange sass ich bei der
Einsamkeit, da verlernte ich das Schweigen! Das
— lerntest du nun wohl?

„Oh Zarathustra, Alles weiss ich: und dass du
unter den Vielen verlassener warst, du Einer, als
je bei mir!

„Ein Anderes ist Verlassenheit, ein Anderes Ein¬
samkeit: Das — lerntest du nun! Und dass du unter
Menschen immer wild und fremd sein wirst:

„— wild und fremd auch noch, wenn sie dich lieben:
denn zuerst von Allem wollen sie geschont sein!

„Hier aber bist du bei dir zu Heim und Hause;
hier kannst du Alles hinausreden und alle Gründe
ausschütten, Nichts schämt sich hier versteckter, ver¬
stockter Gefühle.

„Hier kommen alle Dinge liebkosend zu deiner
Rede und schmeicheln dir: denn sie wollen auf deinem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0057" n="47"/>
      <div n="1">
        <head>Die Heimkehr.<lb/></head>
        <p>Oh Einsamkeit! Du meine <hi rendition="#g">Heimat</hi> Einsamkeit!<lb/>
Zu lange lebte ich wild in wilder Fremde, als dass<lb/>
ich nicht mit Thränen zu dir heimkehrte!</p><lb/>
        <p>Nun drohe mir nur mit dem Finger, wie Mütter<lb/>
drohn, nun lächle mir zu, wie Mütter lächeln, nun<lb/>
sprich nur: &#x201E;Und wer war das, der wie ein Sturmwind<lb/>
einst von mir davonstürmte? &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x2014; der scheidend rief: zu lange sass ich bei der<lb/>
Einsamkeit, da verlernte ich das Schweigen! <hi rendition="#g">Das</hi><lb/>
&#x2014; lerntest du nun wohl?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Oh Zarathustra, Alles weiss ich: und dass du<lb/>
unter den Vielen <hi rendition="#g">verlassener</hi> warst, du Einer, als<lb/>
je bei mir!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ein Anderes ist Verlassenheit, ein Anderes Ein¬<lb/>
samkeit: <hi rendition="#g">Das</hi> &#x2014; lerntest du nun! Und dass du unter<lb/>
Menschen immer wild und fremd sein wirst:</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x2014; wild und fremd auch noch, wenn sie dich lieben:<lb/>
denn zuerst von Allem wollen sie <hi rendition="#g">geschont</hi> sein!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hier aber bist du bei dir zu Heim und Hause;<lb/>
hier kannst du Alles hinausreden und alle Gründe<lb/>
ausschütten, Nichts schämt sich hier versteckter, ver¬<lb/>
stockter Gefühle.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hier kommen alle Dinge liebkosend zu deiner<lb/>
Rede und schmeicheln dir: denn sie wollen auf deinem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0057] Die Heimkehr. Oh Einsamkeit! Du meine Heimat Einsamkeit! Zu lange lebte ich wild in wilder Fremde, als dass ich nicht mit Thränen zu dir heimkehrte! Nun drohe mir nur mit dem Finger, wie Mütter drohn, nun lächle mir zu, wie Mütter lächeln, nun sprich nur: „Und wer war das, der wie ein Sturmwind einst von mir davonstürmte? — „— der scheidend rief: zu lange sass ich bei der Einsamkeit, da verlernte ich das Schweigen! Das — lerntest du nun wohl? „Oh Zarathustra, Alles weiss ich: und dass du unter den Vielen verlassener warst, du Einer, als je bei mir! „Ein Anderes ist Verlassenheit, ein Anderes Ein¬ samkeit: Das — lerntest du nun! Und dass du unter Menschen immer wild und fremd sein wirst: „— wild und fremd auch noch, wenn sie dich lieben: denn zuerst von Allem wollen sie geschont sein! „Hier aber bist du bei dir zu Heim und Hause; hier kannst du Alles hinausreden und alle Gründe ausschütten, Nichts schämt sich hier versteckter, ver¬ stockter Gefühle. „Hier kommen alle Dinge liebkosend zu deiner Rede und schmeicheln dir: denn sie wollen auf deinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/57
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/57>, abgerufen am 18.12.2024.