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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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ben: ich glaube auch mit demselben Recht Anspruch auf
ihre Duldung machen zu können, mit dem alte Geschicht-
schreiber episodische Erzählungen einwebten. Auch der
glücklichste Erfolg ämsiger Forschung giebt sehr oft nur
annähernde Wahrscheinlichkeit, nicht historische Gewiß-
heit: wollte man sie aus der Geschichte absondern, und
für diese nur zusammenhängende Erzählung fordern, so
würde die neue Ansicht sie nicht bestimmen dürfen, die Un-
tersuchung ohne Frucht bleiben; oder der Schriftsteller, ge-
nöthigt sich bey jeder Veranlassung auf sie zu berufen, den-
noch einem allgemeinen Tadel nicht entgehen, daß er seine
Hypothesen für historische Wahrheit ausgebe. Die Ge-
schichte des ältesten Roms kann nur eine Verbindung von
Erzählung und Untersuchung seyn.

Ueber den Säcularcyclus.

Das römische Jahr war bekanntlich vor der Juliani-
schen Reformation des Kalenders ein Mondenjahr, wel-
ches durch Einschaltung eines Intercalarmonats mit dem
Sonnenjahr in Uebereinstimmung gebracht ward, oder
vielmehr gebracht werden sollte. Der große Joseph Sca-
liger hat mit dem hellen Blick, der Zeugnisse welche nicht
wissen wovon sie reden in Quellen der Wahrheit verwan-
delt, das ursprüngliche System dieser Zeitrechnung mit un-
widersprechlicher Gewißheit entdeckt. Er hat gezeigt, daß
es eine trieterische Intercalation in zwey und zwanzigjäh-
rigen Perioden war, in deren jeder zehnmal ein Schalt-
monat, abwechselnd von 22 und 23 Tagen, hinzugethan
ward: die letzte Trieteris ward übergangen. Wie fünf

Jahre

ben: ich glaube auch mit demſelben Recht Anſpruch auf
ihre Duldung machen zu koͤnnen, mit dem alte Geſchicht-
ſchreiber epiſodiſche Erzaͤhlungen einwebten. Auch der
gluͤcklichſte Erfolg aͤmſiger Forſchung giebt ſehr oft nur
annaͤhernde Wahrſcheinlichkeit, nicht hiſtoriſche Gewiß-
heit: wollte man ſie aus der Geſchichte abſondern, und
fuͤr dieſe nur zuſammenhaͤngende Erzaͤhlung fordern, ſo
wuͤrde die neue Anſicht ſie nicht beſtimmen duͤrfen, die Un-
terſuchung ohne Frucht bleiben; oder der Schriftſteller, ge-
noͤthigt ſich bey jeder Veranlaſſung auf ſie zu berufen, den-
noch einem allgemeinen Tadel nicht entgehen, daß er ſeine
Hypotheſen fuͤr hiſtoriſche Wahrheit ausgebe. Die Ge-
ſchichte des aͤlteſten Roms kann nur eine Verbindung von
Erzaͤhlung und Unterſuchung ſeyn.

Ueber den Saͤcularcyclus.

Das roͤmiſche Jahr war bekanntlich vor der Juliani-
ſchen Reformation des Kalenders ein Mondenjahr, wel-
ches durch Einſchaltung eines Intercalarmonats mit dem
Sonnenjahr in Uebereinſtimmung gebracht ward, oder
vielmehr gebracht werden ſollte. Der große Joſeph Sca-
liger hat mit dem hellen Blick, der Zeugniſſe welche nicht
wiſſen wovon ſie reden in Quellen der Wahrheit verwan-
delt, das urſpruͤngliche Syſtem dieſer Zeitrechnung mit un-
widerſprechlicher Gewißheit entdeckt. Er hat gezeigt, daß
es eine trieteriſche Intercalation in zwey und zwanzigjaͤh-
rigen Perioden war, in deren jeder zehnmal ein Schalt-
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[192/0214] ben: ich glaube auch mit demſelben Recht Anſpruch auf ihre Duldung machen zu koͤnnen, mit dem alte Geſchicht- ſchreiber epiſodiſche Erzaͤhlungen einwebten. Auch der gluͤcklichſte Erfolg aͤmſiger Forſchung giebt ſehr oft nur annaͤhernde Wahrſcheinlichkeit, nicht hiſtoriſche Gewiß- heit: wollte man ſie aus der Geſchichte abſondern, und fuͤr dieſe nur zuſammenhaͤngende Erzaͤhlung fordern, ſo wuͤrde die neue Anſicht ſie nicht beſtimmen duͤrfen, die Un- terſuchung ohne Frucht bleiben; oder der Schriftſteller, ge- noͤthigt ſich bey jeder Veranlaſſung auf ſie zu berufen, den- noch einem allgemeinen Tadel nicht entgehen, daß er ſeine Hypotheſen fuͤr hiſtoriſche Wahrheit ausgebe. Die Ge- ſchichte des aͤlteſten Roms kann nur eine Verbindung von Erzaͤhlung und Unterſuchung ſeyn. Ueber den Saͤcularcyclus. Das roͤmiſche Jahr war bekanntlich vor der Juliani- ſchen Reformation des Kalenders ein Mondenjahr, wel- ches durch Einſchaltung eines Intercalarmonats mit dem Sonnenjahr in Uebereinſtimmung gebracht ward, oder vielmehr gebracht werden ſollte. Der große Joſeph Sca- liger hat mit dem hellen Blick, der Zeugniſſe welche nicht wiſſen wovon ſie reden in Quellen der Wahrheit verwan- delt, das urſpruͤngliche Syſtem dieſer Zeitrechnung mit un- widerſprechlicher Gewißheit entdeckt. Er hat gezeigt, daß es eine trieteriſche Intercalation in zwey und zwanzigjaͤh- rigen Perioden war, in deren jeder zehnmal ein Schalt- monat, abwechſelnd von 22 und 23 Tagen, hinzugethan ward: die letzte Trieteris ward uͤbergangen. Wie fuͤnf Jahre

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/214>, abgerufen am 22.12.2024.