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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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ten Kontrakt zur Unterschrifft vor. Dieser weigerte
sich aber, weil ihm die Art, wie er zu dieser Reise ge-
zwungen werden sollte, eine schreckliche Aussicht gab,
und verlangte endlich, nach verschiedenem Hin- und
Wiederreden, wenigstons Bedenkzeit, wolche ihm
endlich auch, bis den morgenden Tag, aber länger
nicht, verstattet ward, worauf ihn der Seelenverkäufer
entließ, und wieder ruhig auf sein Erbauungsbuch fiel.

Als Sebaldus in den Keller zurück kam, sah er
ihn von Stroh aufgeräumt, und seine Unglücksge-
fährten, theils in stummem Kummer, theils in
fühlloser Sorglosigkeit, theils in tobender Ver-
zweiflung. Nur sein vorheriger Nachbar lag
in einem Winkel, in großer Schwachheit. Da
des Sebaldus geistlicher Stand schon bekannt wor-
den war, so verlangte der Kranke seinen Zuspruch,
den ihm Sebaldus, so trostlos er selbst auch war,
von ganzem Herzen gewährte. Der Kranke wurde
dadurch in etwas erquickt, und konnte nun des Se-
baldus
Erzehlung und Klagen anhören, dem noch
alles, was ihm diesen Morgen begegnet war, als ein
Traum vorkam, und der sich besonders noch nicht zu
überreden wuste, daß Menschen so tief sinken könn-
ten, ihre Nebenmenschen vorsetzlich ins Elend zu
stürzen.

,Was



ten Kontrakt zur Unterſchrifft vor. Dieſer weigerte
ſich aber, weil ihm die Art, wie er zu dieſer Reiſe ge-
zwungen werden ſollte, eine ſchreckliche Ausſicht gab,
und verlangte endlich, nach verſchiedenem Hin- und
Wiederreden, wenigſtons Bedenkzeit, wolche ihm
endlich auch, bis den morgenden Tag, aber laͤnger
nicht, verſtattet ward, worauf ihn der Seelenverkaͤufer
entließ, und wieder ruhig auf ſein Erbauungsbuch fiel.

Als Sebaldus in den Keller zuruͤck kam, ſah er
ihn von Stroh aufgeraͤumt, und ſeine Ungluͤcksge-
faͤhrten, theils in ſtummem Kummer, theils in
fuͤhlloſer Sorgloſigkeit, theils in tobender Ver-
zweiflung. Nur ſein vorheriger Nachbar lag
in einem Winkel, in großer Schwachheit. Da
des Sebaldus geiſtlicher Stand ſchon bekannt wor-
den war, ſo verlangte der Kranke ſeinen Zuſpruch,
den ihm Sebaldus, ſo troſtlos er ſelbſt auch war,
von ganzem Herzen gewaͤhrte. Der Kranke wurde
dadurch in etwas erquickt, und konnte nun des Se-
baldus
Erzehlung und Klagen anhoͤren, dem noch
alles, was ihm dieſen Morgen begegnet war, als ein
Traum vorkam, und der ſich beſonders noch nicht zu
uͤberreden wuſte, daß Menſchen ſo tief ſinken koͤnn-
ten, ihre Nebenmenſchen vorſetzlich ins Elend zu
ſtuͤrzen.

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[42[41]/0050] ten Kontrakt zur Unterſchrifft vor. Dieſer weigerte ſich aber, weil ihm die Art, wie er zu dieſer Reiſe ge- zwungen werden ſollte, eine ſchreckliche Ausſicht gab, und verlangte endlich, nach verſchiedenem Hin- und Wiederreden, wenigſtons Bedenkzeit, wolche ihm endlich auch, bis den morgenden Tag, aber laͤnger nicht, verſtattet ward, worauf ihn der Seelenverkaͤufer entließ, und wieder ruhig auf ſein Erbauungsbuch fiel. Als Sebaldus in den Keller zuruͤck kam, ſah er ihn von Stroh aufgeraͤumt, und ſeine Ungluͤcksge- faͤhrten, theils in ſtummem Kummer, theils in fuͤhlloſer Sorgloſigkeit, theils in tobender Ver- zweiflung. Nur ſein vorheriger Nachbar lag in einem Winkel, in großer Schwachheit. Da des Sebaldus geiſtlicher Stand ſchon bekannt wor- den war, ſo verlangte der Kranke ſeinen Zuſpruch, den ihm Sebaldus, ſo troſtlos er ſelbſt auch war, von ganzem Herzen gewaͤhrte. Der Kranke wurde dadurch in etwas erquickt, und konnte nun des Se- baldus Erzehlung und Klagen anhoͤren, dem noch alles, was ihm dieſen Morgen begegnet war, als ein Traum vorkam, und der ſich beſonders noch nicht zu uͤberreden wuſte, daß Menſchen ſo tief ſinken koͤnn- ten, ihre Nebenmenſchen vorſetzlich ins Elend zu ſtuͤrzen. ‚Was

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 42[41]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/50>, abgerufen am 26.04.2024.