Sie waren unter dergleichen Gesprächen durch Spandau gegangen, und hatten sie nur unter- brochen, um beym Hereingehen und Herausgehen die kurzen Fragen der wachthabenden Unterofficiere zu beantworten, die ein Paar so unansehnliche Passa- giere nicht des Aufschreibens oder Meldens werth hiel- ten. Als sie an Charlottenburg kamen, erblickte Se- baldus, mit Vergnügen, jenseit der Spree im königli- chen Garten, die lange Allee dichtbelaubter Kastanieu- bäume, unter denen einige einzelne Spaziergänger auf- und abgiengen. Er blieb auf der Brücke stehen, um noch einmal darnach zurück zu schauen. Vor dem Schlosse hingegen gieng er vorbey, ohne daß es ihm nur einmal eingefallen wäre, zu fragen, was für ein großes Gebäude dieß wäre. So sehr war er ge- wohnt von den Schönheiten der Natur schnell gerührt zu werden, und so wenig aufmerksam war er auf alle Pracht der Kunst.
Sie kamen nunmehr in den berlinischen Thiergar- ten. Je mehr sie fortgiengen, desto mehr ward Se- baldus entzückt. Man muß anmerken, daß in der Nacht ein starker Strichregen gefallen war, welcher den Sand, mit dem die Natur in diesen Gegenden
so
Dritter Abſchnitt.
Sie waren unter dergleichen Geſpraͤchen durch Spandau gegangen, und hatten ſie nur unter- brochen, um beym Hereingehen und Herausgehen die kurzen Fragen der wachthabenden Unterofficiere zu beantworten, die ein Paar ſo unanſehnliche Paſſa- giere nicht des Aufſchreibens oder Meldens werth hiel- ten. Als ſie an Charlottenburg kamen, erblickte Se- baldus, mit Vergnuͤgen, jenſeit der Spree im koͤnigli- chen Garten, die lange Allee dichtbelaubter Kaſtanieu- baͤume, unter denen einige einzelne Spaziergaͤnger auf- und abgiengen. Er blieb auf der Bruͤcke ſtehen, um noch einmal darnach zuruͤck zu ſchauen. Vor dem Schloſſe hingegen gieng er vorbey, ohne daß es ihm nur einmal eingefallen waͤre, zu fragen, was fuͤr ein großes Gebaͤude dieß waͤre. So ſehr war er ge- wohnt von den Schoͤnheiten der Natur ſchnell geruͤhrt zu werden, und ſo wenig aufmerkſam war er auf alle Pracht der Kunſt.
Sie kamen nunmehr in den berliniſchen Thiergar- ten. Je mehr ſie fortgiengen, deſto mehr ward Se- baldus entzuͤckt. Man muß anmerken, daß in der Nacht ein ſtarker Strichregen gefallen war, welcher den Sand, mit dem die Natur in dieſen Gegenden
ſo
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Dritter Abſchnitt.
Sie waren unter dergleichen Geſpraͤchen durch
Spandau gegangen, und hatten ſie nur unter-
brochen, um beym Hereingehen und Herausgehen die
kurzen Fragen der wachthabenden Unterofficiere zu
beantworten, die ein Paar ſo unanſehnliche Paſſa-
giere nicht des Aufſchreibens oder Meldens werth hiel-
ten. Als ſie an Charlottenburg kamen, erblickte Se-
baldus, mit Vergnuͤgen, jenſeit der Spree im koͤnigli-
chen Garten, die lange Allee dichtbelaubter Kaſtanieu-
baͤume, unter denen einige einzelne Spaziergaͤnger
auf- und abgiengen. Er blieb auf der Bruͤcke ſtehen,
um noch einmal darnach zuruͤck zu ſchauen. Vor dem
Schloſſe hingegen gieng er vorbey, ohne daß es ihm
nur einmal eingefallen waͤre, zu fragen, was fuͤr
ein großes Gebaͤude dieß waͤre. So ſehr war er ge-
wohnt von den Schoͤnheiten der Natur ſchnell geruͤhrt
zu werden, und ſo wenig aufmerkſam war er auf
alle Pracht der Kunſt.
Sie kamen nunmehr in den berliniſchen Thiergar-
ten. Je mehr ſie fortgiengen, deſto mehr ward Se-
baldus entzuͤckt. Man muß anmerken, daß in der
Nacht ein ſtarker Strichregen gefallen war, welcher
den Sand, mit dem die Natur in dieſen Gegenden
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/26>, abgerufen am 05.07.2024.
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