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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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Vorrede.

Obgleich die leidigen Poeten, Komö-
dien- und Romanenschreiber zu glau-
ben pflegen, sie hätten das Leben ihres Hel-
den weit genug beschrieben, wenn sie ihn bis
zur Heurath bringen: so sind doch gründliche
Gelehrten der Meinung, daß die Begeben-
heiten nach der Heurath oft viel merkwürdiger
sind, als die Liebesbegebenheiten vor derselben.
Die Liebesbegebenheiten sind zwar für junge
Herren und für junge Jungfern anmuthiger
zu lesen; aber gemeiniglich wird diese Anmuth
auf Kosten der Wahrheit verschafft: denn die
verliebten Scenen werden nicht so wie sie in
der Welt vorgehen erzählet; sondern so wie es
das Bedürfniß des Dichters, seine Geistes-
gaben zu zeigen, oder die Leidenschaften seiner

Leser
)( 2


Vorrede.

Obgleich die leidigen Poeten, Komoͤ-
dien- und Romanenſchreiber zu glau-
ben pflegen, ſie haͤtten das Leben ihres Hel-
den weit genug beſchrieben, wenn ſie ihn bis
zur Heurath bringen: ſo ſind doch gruͤndliche
Gelehrten der Meinung, daß die Begeben-
heiten nach der Heurath oft viel merkwuͤrdiger
ſind, als die Liebesbegebenheiten vor derſelben.
Die Liebesbegebenheiten ſind zwar fuͤr junge
Herren und fuͤr junge Jungfern anmuthiger
zu leſen; aber gemeiniglich wird dieſe Anmuth
auf Koſten der Wahrheit verſchafft: denn die
verliebten Scenen werden nicht ſo wie ſie in
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[0009] Vorrede. Obgleich die leidigen Poeten, Komoͤ- dien- und Romanenſchreiber zu glau- ben pflegen, ſie haͤtten das Leben ihres Hel- den weit genug beſchrieben, wenn ſie ihn bis zur Heurath bringen: ſo ſind doch gruͤndliche Gelehrten der Meinung, daß die Begeben- heiten nach der Heurath oft viel merkwuͤrdiger ſind, als die Liebesbegebenheiten vor derſelben. Die Liebesbegebenheiten ſind zwar fuͤr junge Herren und fuͤr junge Jungfern anmuthiger zu leſen; aber gemeiniglich wird dieſe Anmuth auf Koſten der Wahrheit verſchafft: denn die verliebten Scenen werden nicht ſo wie ſie in der Welt vorgehen erzaͤhlet; ſondern ſo wie es das Beduͤrfniß des Dichters, ſeine Geiſtes- gaben zu zeigen, oder die Leidenſchaften ſeiner Leſer )( 2

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/9>, abgerufen am 21.12.2024.