Jnzwischen konnte Sebaldus die Gespräche, die er mit dem Magister und mit dem Hieronymus gehalten halte, gar nicht vergessen. Er sollte die ganze Jdee, die er sich von dem Zwecke des gelehrten Lebens, und von dem Zustande der deutschen Schriftstellerey gemacht hatte, ändern. Er solte glauben, daß der gröste Theil der Schriftsteller von Profession, nicht so uneigennützig als er selbst, bloß um die Ausbreitung der Wahrheit besorgt wären. Dies war ihm uner- träglich. Er redete also mit jedem von dieser Sache, der ihm vorkam. Besonders war er an einen seiner Nebencorrectoren gerathen, der es als eine Versorgung ansahe, wenn er bis zu dem Posten eines Uebersetzers fortschreiten könte. Er war auch so glücklich gewesen, wir wissen nicht, ob von einer Paraphrase übers neue Testament in einigen Foliobänden, oder von einer Antideistischen Bibel in einigen Quartbän- den, die einem Uebersetzungsunternehmer in Pausch und Bogen war verdungen worden, durch die vierte Hand, ein halbes Alphabet zum Uebersetzen zu erhal- ten. Er hatte das Vergnügen seine Handschrift ge- druckt zu sehen, und fand sich um einen Zoll größer als ein gemeiner Corrector. Er konnte nicht umhin,
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Dritter Abſchnitt.
Jnzwiſchen konnte Sebaldus die Geſpraͤche, die er mit dem Magiſter und mit dem Hieronymus gehalten halte, gar nicht vergeſſen. Er ſollte die ganze Jdee, die er ſich von dem Zwecke des gelehrten Lebens, und von dem Zuſtande der deutſchen Schriftſtellerey gemacht hatte, aͤndern. Er ſolte glauben, daß der groͤſte Theil der Schriftſteller von Profeſſion, nicht ſo uneigennuͤtzig als er ſelbſt, bloß um die Ausbreitung der Wahrheit beſorgt waͤren. Dies war ihm uner- traͤglich. Er redete alſo mit jedem von dieſer Sache, der ihm vorkam. Beſonders war er an einen ſeiner Nebencorrectoren gerathen, der es als eine Verſorgung anſahe, wenn er bis zu dem Poſten eines Ueberſetzers fortſchreiten koͤnte. Er war auch ſo gluͤcklich geweſen, wir wiſſen nicht, ob von einer Paraphraſe uͤbers neue Teſtament in einigen Foliobaͤnden, oder von einer Antideiſtiſchen Bibel in einigen Quartbaͤn- den, die einem Ueberſetzungsunternehmer in Pauſch und Bogen war verdungen worden, durch die vierte Hand, ein halbes Alphabet zum Ueberſetzen zu erhal- ten. Er hatte das Vergnuͤgen ſeine Handſchrift ge- druckt zu ſehen, und fand ſich um einen Zoll groͤßer als ein gemeiner Corrector. Er konnte nicht umhin,
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Dritter Abſchnitt.
Jnzwiſchen konnte Sebaldus die Geſpraͤche, die er
mit dem Magiſter und mit dem Hieronymus
gehalten halte, gar nicht vergeſſen. Er ſollte die ganze
Jdee, die er ſich von dem Zwecke des gelehrten Lebens,
und von dem Zuſtande der deutſchen Schriftſtellerey
gemacht hatte, aͤndern. Er ſolte glauben, daß der
groͤſte Theil der Schriftſteller von Profeſſion, nicht
ſo uneigennuͤtzig als er ſelbſt, bloß um die Ausbreitung
der Wahrheit beſorgt waͤren. Dies war ihm uner-
traͤglich. Er redete alſo mit jedem von dieſer Sache,
der ihm vorkam. Beſonders war er an einen ſeiner
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anſahe, wenn er bis zu dem Poſten eines Ueberſetzers
fortſchreiten koͤnte. Er war auch ſo gluͤcklich geweſen,
wir wiſſen nicht, ob von einer Paraphraſe uͤbers
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den, die einem Ueberſetzungsunternehmer in Pauſch
und Bogen war verdungen worden, durch die vierte
Hand, ein halbes Alphabet zum Ueberſetzen zu erhal-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/159>, abgerufen am 23.02.2025.
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