seine Diebskameraden verpaßten die rechte Zeit, kamen angezogen, da der Kauz eben seinen Engelsaugenblik hatt', -- ia, da kamen sie freylich unrecht. Meine Aus- deutung des Markusgesichts ist deßhalb' unwiderruflich; der Kerl taugt in der Wur- zel nicht und wenn er sich noch so ehrlich hielt; ia wenn ihm ein Heiligenschein ums Haupt flöß, so spräch ich doch, der Gal- gen sey ihm vor die Stirn geschrieben. Denn daß mir sein Gesicht bey der Wider- kehr von der Kneipschenk so gut und bieder vorkam, beweißt nichts für ihn, sondern bestätigt nur die Wahrheit des goldnen Spruchs vom Tripus des Meisters, daß grade vor oder nach einer edlen That, gra- de nach oder unmittelbar vor einer schänd- lichen That, derselbe Mensch eine ganz andre Physiognomie habe. Dulden will ich ihn wohl, bis er einen seiner bösen Schwänk ausgehen läßt; ob ich ihm gleich nie vertrauen werd.
Um 8 Uhr.
O weh! Wie versteh ich das? Die So- phie mit ihrer Engelsphysiognomie, die Heva aus einer Unschuldswelt hat sich --
unsicht-
ſeine Diebskameraden verpaßten die rechte Zeit, kamen angezogen, da der Kauz eben ſeinen Engelsaugenblik hatt’, — ia, da kamen ſie freylich unrecht. Meine Aus- deutung des Markusgeſichts iſt deßhalb’ unwiderruflich; der Kerl taugt in der Wur- zel nicht und wenn er ſich noch ſo ehrlich hielt; ia wenn ihm ein Heiligenſchein ums Haupt floͤß, ſo ſpraͤch ich doch, der Gal- gen ſey ihm vor die Stirn geſchrieben. Denn daß mir ſein Geſicht bey der Wider- kehr von der Kneipſchenk ſo gut und bieder vorkam, beweißt nichts fuͤr ihn, ſondern beſtaͤtigt nur die Wahrheit des goldnen Spruchs vom Tripus des Meiſters, daß grade vor oder nach einer edlen That, gra- de nach oder unmittelbar vor einer ſchaͤnd- lichen That, derſelbe Menſch eine ganz andre Phyſiognomie habe. Dulden will ich ihn wohl, bis er einen ſeiner boͤſen Schwaͤnk ausgehen laͤßt; ob ich ihm gleich nie vertrauen werd.
Um 8 Uhr.
O weh! Wie verſteh ich das? Die So- phie mit ihrer Engelsphyſiognomie, die Heva aus einer Unſchuldswelt hat ſich —
unſicht-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbn="190"facs="#f0196"/>ſeine Diebskameraden verpaßten die rechte<lb/>
Zeit, kamen angezogen, da der Kauz eben<lb/>ſeinen Engelsaugenblik hatt’, — ia, da<lb/>
kamen ſie freylich unrecht. Meine Aus-<lb/>
deutung des Markusgeſichts iſt deßhalb’<lb/>
unwiderruflich; der Kerl taugt in der Wur-<lb/>
zel nicht und wenn er ſich noch ſo ehrlich<lb/>
hielt; ia wenn ihm ein Heiligenſchein ums<lb/>
Haupt floͤß, ſo ſpraͤch ich doch, der Gal-<lb/>
gen ſey ihm vor die Stirn geſchrieben.<lb/>
Denn daß mir ſein Geſicht bey der Wider-<lb/>
kehr von der Kneipſchenk ſo gut und bieder<lb/>
vorkam, beweißt nichts fuͤr ihn, ſondern<lb/>
beſtaͤtigt nur die Wahrheit des goldnen<lb/>
Spruchs vom Tripus des Meiſters, daß<lb/>
grade vor oder nach einer edlen That, gra-<lb/>
de nach oder unmittelbar vor einer ſchaͤnd-<lb/>
lichen That, derſelbe Menſch eine ganz<lb/>
andre Phyſiognomie habe. Dulden will<lb/>
ich ihn wohl, bis er einen ſeiner boͤſen<lb/>
Schwaͤnk ausgehen laͤßt; ob ich ihm gleich<lb/>
nie vertrauen werd.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Um 8 Uhr.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">O</hi> weh! Wie verſteh ich das? Die So-<lb/>
phie mit ihrer Engelsphyſiognomie, die<lb/>
Heva aus einer Unſchuldswelt hat ſich —<lb/><fwtype="catch"place="bottom">unſicht-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[190/0196]
ſeine Diebskameraden verpaßten die rechte
Zeit, kamen angezogen, da der Kauz eben
ſeinen Engelsaugenblik hatt’, — ia, da
kamen ſie freylich unrecht. Meine Aus-
deutung des Markusgeſichts iſt deßhalb’
unwiderruflich; der Kerl taugt in der Wur-
zel nicht und wenn er ſich noch ſo ehrlich
hielt; ia wenn ihm ein Heiligenſchein ums
Haupt floͤß, ſo ſpraͤch ich doch, der Gal-
gen ſey ihm vor die Stirn geſchrieben.
Denn daß mir ſein Geſicht bey der Wider-
kehr von der Kneipſchenk ſo gut und bieder
vorkam, beweißt nichts fuͤr ihn, ſondern
beſtaͤtigt nur die Wahrheit des goldnen
Spruchs vom Tripus des Meiſters, daß
grade vor oder nach einer edlen That, gra-
de nach oder unmittelbar vor einer ſchaͤnd-
lichen That, derſelbe Menſch eine ganz
andre Phyſiognomie habe. Dulden will
ich ihn wohl, bis er einen ſeiner boͤſen
Schwaͤnk ausgehen laͤßt; ob ich ihm gleich
nie vertrauen werd.
Um 8 Uhr.
O weh! Wie verſteh ich das? Die So-
phie mit ihrer Engelsphyſiognomie, die
Heva aus einer Unſchuldswelt hat ſich —
unſicht-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/196>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.