Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821.Pause. Meine Laute hab' ich gehängt an die Wand, Hab' sie umschlungen mit einem grünen Band -- Ich kann nicht mehr singen, mein Herz ist zu voll, Weiß nicht, wie ich's in Reime zwingen soll. Meiner Sehnsucht allerheißesten Schmerz Durft' ich aushauchen in Liederscherz, Und wie ich klagte so süß und fein, Meint' ich doch, mein Leiden wär' nicht klein: Ei, wie groß ist wohl meines Glückes Last, Daß kein Klang auf Erden es in sich faßt? Nun, liebe Laute, ruh' an dem Nagel hier! Und weht ein Lüftchen über die Saiten dir, Und streift eine Biene mit ihren Flügeln dich, Da wird mir bange und es durchschauert mich. Warum ließ ich das Band auch hängen so lang? Oft fliegt's um die Saiten mit seufzendem Klang. Ist es der Nachklang meiner Liebespein? Soll es das Vorspiel neuer Lieder sein? Pauſe. Meine Laute hab' ich gehaͤngt an die Wand, Hab' ſie umſchlungen mit einem gruͤnen Band — Ich kann nicht mehr ſingen, mein Herz iſt zu voll, Weiß nicht, wie ich's in Reime zwingen ſoll. Meiner Sehnſucht allerheißeſten Schmerz Durft' ich aushauchen in Liederſcherz, Und wie ich klagte ſo ſuͤß und fein, Meint' ich doch, mein Leiden waͤr' nicht klein: Ei, wie groß iſt wohl meines Gluͤckes Laſt, Daß kein Klang auf Erden es in ſich faßt? Nun, liebe Laute, ruh' an dem Nagel hier! Und weht ein Luͤftchen uͤber die Saiten dir, Und ſtreift eine Biene mit ihren Fluͤgeln dich, Da wird mir bange und es durchſchauert mich. Warum ließ ich das Band auch haͤngen ſo lang? Oft fliegt's um die Saiten mit ſeufzendem Klang. Iſt es der Nachklang meiner Liebespein? Soll es das Vorſpiel neuer Lieder ſein? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0041" n="29"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Pauſe.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">M</hi>eine Laute hab' ich gehaͤngt an die Wand,</l><lb/> <l>Hab' ſie umſchlungen mit einem gruͤnen Band —</l><lb/> <l>Ich kann nicht mehr ſingen, mein Herz iſt zu voll,</l><lb/> <l>Weiß nicht, wie ich's in Reime zwingen ſoll.</l><lb/> <l>Meiner Sehnſucht allerheißeſten Schmerz</l><lb/> <l>Durft' ich aushauchen in Liederſcherz,</l><lb/> <l>Und wie ich klagte ſo ſuͤß und fein,</l><lb/> <l>Meint' ich doch, mein Leiden waͤr' nicht klein:</l><lb/> <l>Ei, wie groß iſt wohl meines Gluͤckes Laſt,</l><lb/> <l>Daß kein Klang auf Erden es in ſich faßt?</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Nun, liebe Laute, ruh' an dem Nagel hier!</l><lb/> <l>Und weht ein Luͤftchen uͤber die Saiten dir,</l><lb/> <l>Und ſtreift eine Biene mit ihren Fluͤgeln dich,</l><lb/> <l>Da wird mir bange und es durchſchauert mich.</l><lb/> <l>Warum ließ ich das Band auch haͤngen ſo lang?</l><lb/> <l>Oft fliegt's um die Saiten mit ſeufzendem Klang.</l><lb/> <l>Iſt es der Nachklang meiner Liebespein?</l><lb/> <l>Soll es das Vorſpiel neuer Lieder ſein?</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0041]
Pauſe.
Meine Laute hab' ich gehaͤngt an die Wand,
Hab' ſie umſchlungen mit einem gruͤnen Band —
Ich kann nicht mehr ſingen, mein Herz iſt zu voll,
Weiß nicht, wie ich's in Reime zwingen ſoll.
Meiner Sehnſucht allerheißeſten Schmerz
Durft' ich aushauchen in Liederſcherz,
Und wie ich klagte ſo ſuͤß und fein,
Meint' ich doch, mein Leiden waͤr' nicht klein:
Ei, wie groß iſt wohl meines Gluͤckes Laſt,
Daß kein Klang auf Erden es in ſich faßt?
Nun, liebe Laute, ruh' an dem Nagel hier!
Und weht ein Luͤftchen uͤber die Saiten dir,
Und ſtreift eine Biene mit ihren Fluͤgeln dich,
Da wird mir bange und es durchſchauert mich.
Warum ließ ich das Band auch haͤngen ſo lang?
Oft fliegt's um die Saiten mit ſeufzendem Klang.
Iſt es der Nachklang meiner Liebespein?
Soll es das Vorſpiel neuer Lieder ſein?
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