Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821.Mai. Ich möchte schweigend, Lieber, dich umfangen, Gehüllt in süße, bange Dämmerungen: Es wird so viel zu meinem Preis gesungen, Daß mir die Lust am Liede fast vergangen. Wärst du so heiß von seligem Verlangen, Wie eine Lilie, deren weiße Zungen Den langen Tag nach kühlem Trost gerungen, Bis daß sie müd' und matt zur Erde hangen: Komm her zu mir, ich gebe dir zu trinken, So viel du magst, mein treuer deutscher Zecher, Aus meinem bodenlosen Liebesbecher! Siehst du die hellen Thauestropfen blinken Dort an den Lilien in der Morgensonne? Wie mäßig schaltet ihr mit meiner Wonne! Mai. Ich moͤchte ſchweigend, Lieber, dich umfangen, Gehuͤllt in ſuͤße, bange Daͤmmerungen: Es wird ſo viel zu meinem Preis geſungen, Daß mir die Luſt am Liede faſt vergangen. Waͤrſt du ſo heiß von ſeligem Verlangen, Wie eine Lilie, deren weiße Zungen Den langen Tag nach kuͤhlem Troſt gerungen, Bis daß ſie muͤd' und matt zur Erde hangen: Komm her zu mir, ich gebe dir zu trinken, So viel du magſt, mein treuer deutſcher Zecher, Aus meinem bodenloſen Liebesbecher! Siehſt du die hellen Thauestropfen blinken Dort an den Lilien in der Morgenſonne? Wie maͤßig ſchaltet ihr mit meiner Wonne! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0124" n="112"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#g">Mai.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">I</hi>ch moͤchte ſchweigend, Lieber, dich umfangen,</l><lb/> <l>Gehuͤllt in ſuͤße, bange Daͤmmerungen:</l><lb/> <l>Es wird ſo viel zu meinem Preis geſungen,</l><lb/> <l>Daß mir die Luſt am Liede faſt vergangen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Waͤrſt du ſo heiß von ſeligem Verlangen,</l><lb/> <l>Wie eine Lilie, deren weiße Zungen</l><lb/> <l>Den langen Tag nach kuͤhlem Troſt gerungen,</l><lb/> <l>Bis daß ſie muͤd' und matt zur Erde hangen:</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Komm her zu mir, ich gebe dir zu trinken,</l><lb/> <l>So viel du magſt, mein treuer deutſcher Zecher,</l><lb/> <l>Aus meinem bodenloſen Liebesbecher!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Siehſt du die hellen Thauestropfen blinken</l><lb/> <l>Dort an den Lilien in der Morgenſonne?</l><lb/> <l>Wie maͤßig ſchaltet ihr mit meiner Wonne!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0124]
Mai.
Ich moͤchte ſchweigend, Lieber, dich umfangen,
Gehuͤllt in ſuͤße, bange Daͤmmerungen:
Es wird ſo viel zu meinem Preis geſungen,
Daß mir die Luſt am Liede faſt vergangen.
Waͤrſt du ſo heiß von ſeligem Verlangen,
Wie eine Lilie, deren weiße Zungen
Den langen Tag nach kuͤhlem Troſt gerungen,
Bis daß ſie muͤd' und matt zur Erde hangen:
Komm her zu mir, ich gebe dir zu trinken,
So viel du magſt, mein treuer deutſcher Zecher,
Aus meinem bodenloſen Liebesbecher!
Siehſt du die hellen Thauestropfen blinken
Dort an den Lilien in der Morgenſonne?
Wie maͤßig ſchaltet ihr mit meiner Wonne!
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Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_waldhornist_1821/124>, abgerufen am 27.07.2024. |