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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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was Dauerndes hervorbringen können. -- Der
Griechische Gesetzgeber war dazu genöthigt, das
öffentliche Leben vorzuziehen, diesem das häus-
liche nachzusetzen, ja aufzuopfern, weil das reli-
giöse Leben der Griechen sich in den Dienst vie-
ler Götter spaltete, von denen jeder einzelne
einem einzelnen Volke wieder heiliger war, als
dem andern, wie Pallas und Poseidon dem Athe-
nischen Volke, und dessen Totalität alle Olym-
pischen, Nemäischen und Isthmischen Spiele,
selbst das Delphische Orakel nicht aufrecht erhal-
ten konnten.

Der Mensch strebt nach Einheit. Entsteht
eine Spaltung in den religiösen Ansichten, von
denen er am sichersten Einheit des Herzens, der
Wünsche und des Strebens erlangt, so greifen
die Völker unmittelbar nach einem andern höch-
sten Gute. Der irdische Staat, seine Verfas-
sung, die Form der Suveränetät treten nun an
die Stelle, welche ehemals die Gottheit ein-
nahm: es entsteht ein Gottesdienst des Vater-
landes, die bürgerlichen Opfer gehen vor den
religiösen, Herrendienst vor Gottesdienst; und
das ganze häusliche Leben muß daran gesetzt
werden, um das höchste Gut Aller, die Staats-
form, wie es gehen will, im Stande zu erhal-
ten. Darum stellte Moses seinen König, seine

was Dauerndes hervorbringen koͤnnen. — Der
Griechiſche Geſetzgeber war dazu genoͤthigt, das
oͤffentliche Leben vorzuziehen, dieſem das haͤus-
liche nachzuſetzen, ja aufzuopfern, weil das reli-
gioͤſe Leben der Griechen ſich in den Dienſt vie-
ler Goͤtter ſpaltete, von denen jeder einzelne
einem einzelnen Volke wieder heiliger war, als
dem andern, wie Pallas und Poſeidon dem Athe-
niſchen Volke, und deſſen Totalitaͤt alle Olym-
piſchen, Nemaͤiſchen und Iſthmiſchen Spiele,
ſelbſt das Delphiſche Orakel nicht aufrecht erhal-
ten konnten.

Der Menſch ſtrebt nach Einheit. Entſteht
eine Spaltung in den religioͤſen Anſichten, von
denen er am ſicherſten Einheit des Herzens, der
Wuͤnſche und des Strebens erlangt, ſo greifen
die Voͤlker unmittelbar nach einem andern hoͤch-
ſten Gute. Der irdiſche Staat, ſeine Verfaſ-
ſung, die Form der Suveraͤnetaͤt treten nun an
die Stelle, welche ehemals die Gottheit ein-
nahm: es entſteht ein Gottesdienſt des Vater-
landes, die buͤrgerlichen Opfer gehen vor den
religioͤſen, Herrendienſt vor Gottesdienſt; und
das ganze haͤusliche Leben muß daran geſetzt
werden, um das hoͤchſte Gut Aller, die Staats-
form, wie es gehen will, im Stande zu erhal-
ten. Darum ſtellte Moſes ſeinen Koͤnig, ſeine

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[34/0042] was Dauerndes hervorbringen koͤnnen. — Der Griechiſche Geſetzgeber war dazu genoͤthigt, das oͤffentliche Leben vorzuziehen, dieſem das haͤus- liche nachzuſetzen, ja aufzuopfern, weil das reli- gioͤſe Leben der Griechen ſich in den Dienſt vie- ler Goͤtter ſpaltete, von denen jeder einzelne einem einzelnen Volke wieder heiliger war, als dem andern, wie Pallas und Poſeidon dem Athe- niſchen Volke, und deſſen Totalitaͤt alle Olym- piſchen, Nemaͤiſchen und Iſthmiſchen Spiele, ſelbſt das Delphiſche Orakel nicht aufrecht erhal- ten konnten. Der Menſch ſtrebt nach Einheit. Entſteht eine Spaltung in den religioͤſen Anſichten, von denen er am ſicherſten Einheit des Herzens, der Wuͤnſche und des Strebens erlangt, ſo greifen die Voͤlker unmittelbar nach einem andern hoͤch- ſten Gute. Der irdiſche Staat, ſeine Verfaſ- ſung, die Form der Suveraͤnetaͤt treten nun an die Stelle, welche ehemals die Gottheit ein- nahm: es entſteht ein Gottesdienſt des Vater- landes, die buͤrgerlichen Opfer gehen vor den religioͤſen, Herrendienſt vor Gottesdienſt; und das ganze haͤusliche Leben muß daran geſetzt werden, um das hoͤchſte Gut Aller, die Staats- form, wie es gehen will, im Stande zu erhal- ten. Darum ſtellte Moſes ſeinen Koͤnig, ſeine

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/42>, abgerufen am 26.04.2024.