Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite
Systematischer Theil.
b. Zeichnung durch Zusammenfügung fester Stoffe, Mosaik.

1322. Mosaik heißt im weitesten Sinne des Worts
eine Arbeit, welche durch Aneinanderfügung von harten
Körpern eine Zeichnung oder Mahlerei auf einer Fläche
2hervorbringt. Dazu gehören folgende Arten: 1. Fußbö-
den, welche aus geometrisch zugeschnittnen und verkitteten
Scheiben verschiedenfarbiger Steine gebildet werden, pa-
3vimenta sectilia. 2. Fenster aus verschiedenfarbigen
Glasscheiben, welche wenigstens dem spätern Alterthum
4bekannt gewesen zu sein scheinen. 3. Fußböden, welche
mit kleinen Würfeln aus Steinen, die eine farbige Zeich-
nung bilden, belegt sind, dergleichen im Alterthum nicht
blos in Zimmern, auch in Höfen und Terrassen anstatt
des Pflasters gebräuchlich waren, pav. tesselata, litho-
strota,
dapeda en abakiskois. Diese Art kam schon
in Hierons Schiffe zur Darstellung großer mythischer Sce-
5nen angewandt und ausgebildet vor. 4. Die feinere
Mosaik, welche eigentlichen Gemählden möglichst nahe zu
kommen sucht, und mehr gefärbte Stifte aus Thon oder
lieber Glas anwendet, als das entweder auf wenige Far-
ben beschränkte oder sehr theure Material wirklicher Steine,
crustae vermiculatae, auch lithostrota genannt. Solche
Arbeiten finden fich da, wo sie zweckgemäß sind, an
Fußböden, wenigstens schon in Alexandrinischer Zeit, welcher
Periode Sosos des Pergameners Kehrichtzimmer (oikos
asarotos) aus Thonwürfeln anzugehören scheint; Anwen-
dung von Glaswürfeln zur Zimmerverzierung kömmt erst
in der Kaiserzeit vor, in welcher diese Mosaik immer mehr ge-
sucht (§. 212.), auch auf Wände und Decken übertragen, und
in allen Provinzen geübt wurde (§. 262. 263.), daher
es auch jetzt an Denkmälern dieser Gattung, unter de-
nen einige vortrefflich zu nennen sind, keineswegs man-
6gelt. 5. Zusammengeschmolzene Glasfäden, welche im
Durchschnitt immer dasselbe höchst zarte und glänzende
7Bild geben. 6. In Metall oder einem andern harten

Syſtematiſcher Theil.
b. Zeichnung durch Zuſammenfuͤgung feſter Stoffe, Moſaik.

1322. Moſaik heißt im weiteſten Sinne des Worts
eine Arbeit, welche durch Aneinanderfuͤgung von harten
Koͤrpern eine Zeichnung oder Mahlerei auf einer Flaͤche
2hervorbringt. Dazu gehoͤren folgende Arten: 1. Fußboͤ-
den, welche aus geometriſch zugeſchnittnen und verkitteten
Scheiben verſchiedenfarbiger Steine gebildet werden, pa-
3vimenta sectilia. 2. Fenſter aus verſchiedenfarbigen
Glasſcheiben, welche wenigſtens dem ſpaͤtern Alterthum
4bekannt geweſen zu ſein ſcheinen. 3. Fußboͤden, welche
mit kleinen Wuͤrfeln aus Steinen, die eine farbige Zeich-
nung bilden, belegt ſind, dergleichen im Alterthum nicht
blos in Zimmern, auch in Hoͤfen und Terraſſen anſtatt
des Pflaſters gebraͤuchlich waren, pav. tesselata, litho-
strota,
δάπεδα ἐν ἀβακίσκοις. Dieſe Art kam ſchon
in Hierons Schiffe zur Darſtellung großer mythiſcher Sce-
5nen angewandt und ausgebildet vor. 4. Die feinere
Moſaik, welche eigentlichen Gemaͤhlden moͤglichſt nahe zu
kommen ſucht, und mehr gefaͤrbte Stifte aus Thon oder
lieber Glas anwendet, als das entweder auf wenige Far-
ben beſchraͤnkte oder ſehr theure Material wirklicher Steine,
crustae vermiculatae, auch lithostrota genannt. Solche
Arbeiten finden fich da, wo ſie zweckgemaͤß ſind, an
Fußboͤden, wenigſtens ſchon in Alexandriniſcher Zeit, welcher
Periode Soſos des Pergameners Kehrichtzimmer (οἶκος
ἀσάρωτος) aus Thonwuͤrfeln anzugehoͤren ſcheint; Anwen-
dung von Glaswuͤrfeln zur Zimmerverzierung koͤmmt erſt
in der Kaiſerzeit vor, in welcher dieſe Moſaik immer mehr ge-
ſucht (§. 212.), auch auf Waͤnde und Decken uͤbertragen, und
in allen Provinzen geuͤbt wurde (§. 262. 263.), daher
es auch jetzt an Denkmaͤlern dieſer Gattung, unter de-
nen einige vortrefflich zu nennen ſind, keineswegs man-
6gelt. 5. Zuſammengeſchmolzene Glasfaͤden, welche im
Durchſchnitt immer daſſelbe hoͤchſt zarte und glaͤnzende
7Bild geben. 6. In Metall oder einem andern harten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <pb facs="#f0416" n="394"/>
                  <fw place="top" type="header">Sy&#x017F;temati&#x017F;cher Theil.</fw><lb/>
                  <div n="7">
                    <head><hi rendition="#aq">b.</hi> Zeichnung durch Zu&#x017F;ammenfu&#x0364;gung fe&#x017F;ter Stoffe, Mo&#x017F;aik.</head><lb/>
                    <p><note place="left">1</note>322. Mo&#x017F;aik heißt im weite&#x017F;ten Sinne des Worts<lb/>
eine Arbeit, welche durch Aneinanderfu&#x0364;gung von harten<lb/>
Ko&#x0364;rpern eine Zeichnung oder Mahlerei auf einer Fla&#x0364;che<lb/><note place="left">2</note>hervorbringt. Dazu geho&#x0364;ren folgende Arten: 1. Fußbo&#x0364;-<lb/>
den, welche aus geometri&#x017F;ch zuge&#x017F;chnittnen und verkitteten<lb/>
Scheiben ver&#x017F;chiedenfarbiger Steine gebildet werden, <hi rendition="#aq">pa-</hi><lb/><note place="left">3</note><hi rendition="#aq">vimenta sectilia.</hi> 2. Fen&#x017F;ter aus ver&#x017F;chiedenfarbigen<lb/>
Glas&#x017F;cheiben, welche wenig&#x017F;tens dem &#x017F;pa&#x0364;tern Alterthum<lb/><note place="left">4</note>bekannt gewe&#x017F;en zu &#x017F;ein &#x017F;cheinen. 3. Fußbo&#x0364;den, welche<lb/>
mit kleinen Wu&#x0364;rfeln aus Steinen, die eine farbige Zeich-<lb/>
nung bilden, belegt &#x017F;ind, dergleichen im Alterthum nicht<lb/>
blos in Zimmern, auch in Ho&#x0364;fen und Terra&#x017F;&#x017F;en an&#x017F;tatt<lb/>
des Pfla&#x017F;ters gebra&#x0364;uchlich waren, <hi rendition="#aq">pav. tesselata, litho-<lb/>
strota,</hi> &#x03B4;&#x03AC;&#x03C0;&#x03B5;&#x03B4;&#x03B1; &#x1F10;&#x03BD; &#x1F00;&#x03B2;&#x03B1;&#x03BA;&#x03AF;&#x03C3;&#x03BA;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C2;. Die&#x017F;e Art kam &#x017F;chon<lb/>
in Hierons Schiffe zur Dar&#x017F;tellung großer mythi&#x017F;cher Sce-<lb/><note place="left">5</note>nen angewandt und ausgebildet vor. 4. Die feinere<lb/>
Mo&#x017F;aik, welche eigentlichen Gema&#x0364;hlden mo&#x0364;glich&#x017F;t nahe zu<lb/>
kommen &#x017F;ucht, und mehr gefa&#x0364;rbte Stifte aus Thon oder<lb/>
lieber Glas anwendet, als das entweder auf wenige Far-<lb/>
ben be&#x017F;chra&#x0364;nkte oder &#x017F;ehr theure Material wirklicher Steine,<lb/><hi rendition="#aq">crustae vermiculatae,</hi> auch <hi rendition="#aq">lithostrota</hi> genannt. Solche<lb/>
Arbeiten finden fich da, wo &#x017F;ie zweckgema&#x0364;ß &#x017F;ind, an<lb/>
Fußbo&#x0364;den, wenig&#x017F;tens &#x017F;chon in Alexandrini&#x017F;cher Zeit, welcher<lb/>
Periode So&#x017F;os des Pergameners Kehrichtzimmer (&#x03BF;&#x1F36;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C2;<lb/>
&#x1F00;&#x03C3;&#x03AC;&#x03C1;&#x03C9;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2;) aus Thonwu&#x0364;rfeln anzugeho&#x0364;ren &#x017F;cheint; Anwen-<lb/>
dung von Glaswu&#x0364;rfeln zur Zimmerverzierung ko&#x0364;mmt er&#x017F;t<lb/>
in der Kai&#x017F;erzeit vor, in welcher die&#x017F;e Mo&#x017F;aik immer mehr ge-<lb/>
&#x017F;ucht (§. 212.), auch auf Wa&#x0364;nde und Decken u&#x0364;bertragen, und<lb/>
in allen Provinzen geu&#x0364;bt wurde (§. 262. 263.), daher<lb/>
es auch jetzt an Denkma&#x0364;lern die&#x017F;er Gattung, unter de-<lb/>
nen einige vortrefflich zu nennen &#x017F;ind, keineswegs man-<lb/><note place="left">6</note>gelt. 5. Zu&#x017F;ammenge&#x017F;chmolzene Glasfa&#x0364;den, welche im<lb/>
Durch&#x017F;chnitt immer da&#x017F;&#x017F;elbe ho&#x0364;ch&#x017F;t zarte und gla&#x0364;nzende<lb/><note place="left">7</note>Bild geben. 6. In Metall oder einem andern harten<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0416] Syſtematiſcher Theil. b. Zeichnung durch Zuſammenfuͤgung feſter Stoffe, Moſaik. 322. Moſaik heißt im weiteſten Sinne des Worts eine Arbeit, welche durch Aneinanderfuͤgung von harten Koͤrpern eine Zeichnung oder Mahlerei auf einer Flaͤche hervorbringt. Dazu gehoͤren folgende Arten: 1. Fußboͤ- den, welche aus geometriſch zugeſchnittnen und verkitteten Scheiben verſchiedenfarbiger Steine gebildet werden, pa- vimenta sectilia. 2. Fenſter aus verſchiedenfarbigen Glasſcheiben, welche wenigſtens dem ſpaͤtern Alterthum bekannt geweſen zu ſein ſcheinen. 3. Fußboͤden, welche mit kleinen Wuͤrfeln aus Steinen, die eine farbige Zeich- nung bilden, belegt ſind, dergleichen im Alterthum nicht blos in Zimmern, auch in Hoͤfen und Terraſſen anſtatt des Pflaſters gebraͤuchlich waren, pav. tesselata, litho- strota, δάπεδα ἐν ἀβακίσκοις. Dieſe Art kam ſchon in Hierons Schiffe zur Darſtellung großer mythiſcher Sce- nen angewandt und ausgebildet vor. 4. Die feinere Moſaik, welche eigentlichen Gemaͤhlden moͤglichſt nahe zu kommen ſucht, und mehr gefaͤrbte Stifte aus Thon oder lieber Glas anwendet, als das entweder auf wenige Far- ben beſchraͤnkte oder ſehr theure Material wirklicher Steine, crustae vermiculatae, auch lithostrota genannt. Solche Arbeiten finden fich da, wo ſie zweckgemaͤß ſind, an Fußboͤden, wenigſtens ſchon in Alexandriniſcher Zeit, welcher Periode Soſos des Pergameners Kehrichtzimmer (οἶκος ἀσάρωτος) aus Thonwuͤrfeln anzugehoͤren ſcheint; Anwen- dung von Glaswuͤrfeln zur Zimmerverzierung koͤmmt erſt in der Kaiſerzeit vor, in welcher dieſe Moſaik immer mehr ge- ſucht (§. 212.), auch auf Waͤnde und Decken uͤbertragen, und in allen Provinzen geuͤbt wurde (§. 262. 263.), daher es auch jetzt an Denkmaͤlern dieſer Gattung, unter de- nen einige vortrefflich zu nennen ſind, keineswegs man- gelt. 5. Zuſammengeſchmolzene Glasfaͤden, welche im Durchſchnitt immer daſſelbe hoͤchſt zarte und glaͤnzende Bild geben. 6. In Metall oder einem andern harten 1 2 3 4 5 6 7

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/416
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/416>, abgerufen am 30.12.2024.